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Dinge, die du nur weisst, wenn du mal im Service gearbeitet hast

Wenn du im Service arbeitest, dauert es immer länger, bis du Hacke bist. Wenn du drei Bier getrunken hast, gilt das für dich nicht einmal mehr als Alkoholkonsum.
Mann hinter Tresen

Im Service zu arbeiten hat sowohl seine Tücken als auch seine Freuden. Während du in den meisten Jobs morgens um 8:00 Uhr den Bus von A nach B nimmst, um deine Bürostunden abzusitzen, herrschen im Service andere Gesetze. Du fängst spät an, hörst spät auf und wenn dann um 3:00 Uhr morgens alles blitzblank aufgeräumt ist, hat dein Tag noch lange nicht aufgehört.

Neben existentiellen Dingen wie der Wahrnehmung von Zeit, die sich plötzlich verändert, entwickelst du auch sowas wie übersinnliche Fähigkeiten: Du lernst viel über den Menschen, wenn du ihn bedienst. Und auch viel über dich selbst.

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Du bist ein Spätaufsteher

Foto von Hans | Pixabay | CC0

Wenn du im Service arbeitest, wird dein Lebensrhythmus irgendwann komplett auf den Kopf gestellt und du wirst früher oder später zum Nachtmenschen. Die Konsequenz: Deine sozialen Kontakte bestehen ebenso aus Menschen, die um 1:00 Uhr morgens zum Leben erwachen. Jedenfalls wirst du deine Füsschen nach einem harten Wochenende kaum vor 13:00 Uhr aus dem Bett strecken, während deine Mitbewohner bereits unglaubliche Dinge tun wie Wäsche waschen, lernen oder Pflanzen giessen. Der Tag hat für dich noch nicht begonnen, streng genommen herrscht in deinem Zeitplan noch die tiefste Nacht.

Wenn du dann endlich aufgestanden bist, wirst du angeschaut wie ein Clochard, der sich endlich dazu bequemt, Frau und Kinder zu besuchen. Sie werden es nicht verstehen.

Anfänglich denkst du vielleicht noch, dass irgendwas mit dir nicht stimmt, bis dir bewusst wird, dass du einfach ein anderes Leben führst als die restlichen 90 Prozent—ein Aufregendes nämlich.

Du weisst, dass sie nicht wissen

Foto von nate bolt | Flickr | CC BY-SA 2.0

„Ich nehme einen Mojito." „Haben wir nicht." „Nicht? Gut dann einen Vodka Red Bull." „Kein Red Bull." „Was? Ja was habt ihr denn?"

Dass du keine Lust hast, dem Typen vor dir die gesamte Getränkeliste aufzuzählen—die zusätzlich noch direkt vor ihm liegt—versteht sich irgendwie von selbst. Erst recht, wenn hinter ihm geschätzte fünfzig Leute ungeduldig und besoffen darauf warten, dir ihre Bestellungen mit alkoholisiertem Atem ins Gesicht zu hauchen. Du wirst ungeduldig und wirst ihm wahrscheinlich wortlos die Karte vor die Nase knallen, um dann den nächsten zu bedienen. Ziemlich fies.

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Natürlich hast du das schon tausend Mal durchgemacht und du fragst dich, warum Menschen so dumm sind. Aber das sind sie nicht. Sie sind oftmals zum ersten Mal hier und kennen sich nicht aus. Dafür musst du Verständnis haben.

Du musst dich, um nicht komplett wahnsinnig zu werden, irgendwann mit der Unwissenheit deiner Gäste abfinden. Und du solltest den Stress, dem du hauptsächlich wegen wartenden Gästen ausgesetzt bist, nicht auf den verzweifelten Typen projizieren, der einfach nur was trinken will. Sonst bist du das Arschloch.

Du kannst die Zukunft vorhersagen

Bild von We hope | Wikipedia | Public Domain

Die beiden Frauen um die 20, geschminkt und mit den teuren Handtäschchen, werden wohl kaum ein Dunkles bestellen. Die eine wird sich wahrscheinlich für einen süss-gespritzten Weisswein entscheiden, die andere für ein Cüpli. Der Typ dahinter, mit den langen, blonden Haaren und dem Trucker-Cap, nimmt ein Amboss. Gross. Ganz sicher.

Du entwickelst eine ziemlich hohe Affinität für flüssige Vorlieben, wenn du an einer Bar arbeitest. Wenn du nicht viel zu tun hast, lässt sich daraus manch amüsantes Spiel treiben. Du fängst an, verschiedene Getränke verschiedenen Menschenkonzepten zuzuordnen. Du wirst so was wie Mike Shiva, nur liest du nicht aus Karten, sondern aus Gästen. Und niemand hat dich darum gebeten. Nun gut.

Die Konstanten Geschlecht, Alter und Aufzug sowie die Variablen Uhrzeit, Wochentag sowie allgemein verfügbares Geld zum Trinken sind dabei ausschlaggebend. Am 27. Tag des Monats wird wahrscheinlich noch eher ein Gin Tonic getrunken als ein Bier, samstags erst recht.

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Du weisst, wie man trinkt

Foto von Specious | Wikipedia | CC BY-SA 4.0

Spätestens wenn du ein Jahr in einer Bar gearbeitet hast, verträgst du ordentlich was. Die abendlichen Runden nach der Arbeit haben dich resistent gemacht. Es dauert immer länger, bis du Hacke bist und wenn du drei Bier getrunken hast, gilt das für dich nicht einmal mehr als Alkoholkonsum. Andere würden das als Alkoholismus bezeichnen, du hingegen sprichst von Expertentum. Wenn du Uhren verkaufst, reicht es ja auch nicht, nur die Preisliste zu kennen, oder?

Im Unterschied zu anderen Jobs bist du ununterbrochen von Alkohol umgeben. Es ist schon ziemlich stark, wenn du es schaffst, während der Arbeitszeit den Zapfhahn Zapfhahn sein zu lassen und auf ein mit Eis und Limette verfeinertes Herrgöttli zu verzichten. Dafür bleibt am Feierabend noch genug Zeit.

Es kommt aber natürlich immer mal wieder vor, dass ein Arbeitskollege zu einer Runde Shots animiert, vor allem am Wochenende, wenn so ziemlich jeder Gast besoffen ist und sich der Abend dem Ende zuneigt. Da fällt es schwer, nein zu sagen—selbst dem überzeugtesten Non-Alkoholiker.

Du bist zu mathematischen Höchstleistungen fähig

Foto von PublicDomainPictures | Pixabay | CC0

Und das in jeder Situation, auch wenn du den schlimmsten Kater deines Lebens hast. Während der Typ mit Gefolge hinter der Theke nämlich noch herumstottert und sich dann für einen Whisky Cola entscheidet, hast du bereits alles zusammengerechnet, inklusive dem Sandwich, das seine Freundin schon die ganze Zeit über anstarrt, als wäre es Christiano Ronaldos Popo.

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Im Service musst du Kopfrechnen können, es geht einfach nicht anders. Viele Dinge, die sie dir im Mathe-Unterricht beigebracht haben, konntest du direkt nach der Prüfung in den mentalen Abfall werfen und dich mit anderen Sachen beschäftigen. Exponentialfunktionen wirst du auch nicht mehr brauchen und falls doch, dann solltest du dir überlegen, den Job zu wechseln. Im Service merkst du dann, dass die Mathematik dich nicht nur gestreift, sondern tatsächlich ein paar brauchbare Spuren hinterlassen hat. Du bist ein Genie!

Du bist ein Power Ranger

Foto von RyC - Behind The Lens | Wikimedia | CC BY 2.0

Von 19:00 Uhr abends bis 03:00 Uhr morgens rumzurennen, Gäste zu bedienen, Gläser einzusammeln und das, nachdem du den vorigen Abend durchgefeiert hast, ist nicht so angenehm, wie man vielleicht denken mag. Irgendwann hat sich der Körper mithilfe von hartem Training allerdings daran gewöhnt, dass du an den Wochenenden sowohl arbeitest, als auch Party machst. Du bist quasi unzerstörbar geworden.

Die Grenzen zwischen Arbeit und Vergnügen sind nämlich fliessend, wenn du an der Bar arbeitest. Du bekommst oft Besuch von irgendwelchen Freunden, die zur späten Stunde noch bei dir stranden wie ein schiffbrüchiges und leckes Boot, du gibst Shots aus, dir werden Shots ausgegeben und wenn du mit der Arbeit fertig bist, geht's weiter in eine andere Bar, wo die Angestellten noch länger arbeiten als du. Ein casual Saturday halt.

Du bist spendabel

Bild von MadGeographer | Wikipedia

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Wie jeder Service-Angestellte wirst auch du dich oftmals über den Geiz der Gäste beklagen. Vor allem wenn du ohne rumzumurren zum fünften Mal die Bestellung des Gastes änderst und er dir dann nicht mal die 20 Rappen aufrundet. Solche Sachen kannst du einfach nicht nachvollziehen.

Du musst dir aber in Erinnerung rufen, wie du warst, als du noch nicht im Service gearbeitet hast. Wahrscheinlich hast du jedes Mal den Studenten-Joker gezogen, was Bullshit ist. Wenn du dir sechs Runden Gin Tonics leisten kannst, dann ja wohl zumindest einmal ein kleines Zusatzhonorar für den armen Jungen hinter dem Tresen, der übrigens auch Student ist.

Man muss ja nicht gleich ein Vermögen darin investieren, die Person auf der anderen Seite des Tresens zufriedenzustellen, aber hey: irgendwann wird's nur noch peinlich.

Am schlimmsten sind Menschen, die auf Beträge wie 5 Franken 50 runden, nur damit sie dir pro forma ein bisschen was geschenkt haben. Denen geb ich ihr Kleingeld gleich wieder zurück. Entweder ganz oder gar nicht.

Die Bier-zapfende Nora auf Twitter: @nora_nova_

Vice Switzerland auf Twitter: @ViceSwitzerland


Titelbild von Georgie Pauwels | Flickr | CC BY 2.0