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Wissenschaftler haben einen Weg gefunden, DMT-Trips länger andauern zu lassen

Zwar muss man die neue Herangehensweise erst noch ausgiebig testen, aber sie könnte die Forschung zu einem der intensivsten aller Psychedelika revolutionieren.

Foto: Whitney & Irma Sevin/Getty Images

Dieser Artikel ist in Zusammenarbeit mit The Influence entstanden.

In der Drogenwelt aufgrund der 15-minütigen Wirkung auch als der "Trip für Geschäftsmänner" bekannt, lässt DMT (N,N-Dimethyltryptamin) seine Konsumenten in lebhafte Alien-Welten eintauchen. Es gehört zu den halluzinogensten Vertretern aller Psychedelika und zwei erfahrene Wissenschaftler haben nun eine Methode vorgestellt, um den Rausch ohne zusätzliches Risiko zu verlängern.

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Dr. Rick Strassman und Dr. Andrew Gallimore veröffentlichten ihre Arbeit "A Model for the Application of Target-Controlled Intravenous Infusion for a Prolonged Immersive DMT Psychedelic Experience" vergangenen Monat im Online-Fachmagazin Frontiers in Psychology. Das Ganze könnte die DMT-Forschung auf den Kopf stellen, denn dadurch bekommen wir neue wissenschaftliche (und womöglich auch medizinische) Erkenntnisse in Bezug auf den Hauptbestandteil von Ayahuasca.

Mithilfe verschiedener Techniken aus der Anästhesiologie reguliert die Methode der beiden Wissenschaftler die DMT-Menge im Körper und—noch viel wichtiger—auch im Gehirn. Obwohl man das Ganze noch nicht an bestimmt bereitwilligen Psychonauten ausprobiert hat, steht Strassmans und Gallimores Herangehensweise kurz vor der Vollendung.

Rick Strassman ist der Autor der Bücher DMT: The Spirit Molecule und DMT and the Soul of Prophecy und somit einer der weltweit führenden DMT-Forscher.

Beim Computer-Neurobiologen Andrew Gallimore handelt es sich ebenfalls um einen langjährigen DMT-Forscher. In seiner Übersicht DMT Research from 1956 to the Edge of Time fasst er eine ganze Reihe an Ergebnissen zusammen, zu denen andere Forscher im Laufe der Jahre gekommen sind (inklusive der Vorstellung, dass DMT eine Tür in ein anderes Universum darstellt).

Die einzige allgemeingütige Erfahrung bei gerauchtem DMT ist jedoch wohl die Kurzlebigkeit des Rausches.

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"DMT besitzt eine Reihe an pharmakologischen Besonderheiten", sagt der in Großbritannien geborene Gallimore, der auch als Chemiker und Pharmakologe arbeitet und derzeit am Okinawa Institute of Science and Technology in Japan angestellt ist.

"Es ist nicht giftig", erklärt er. "Dazu kommt dann noch die kurze Wirkungsdauer sowie kein Toleranzaufbau bei mehrmaligem Konsum. Das ist doch sehr bemerkenswert, denn diese Toleranz tritt bei anderen Psychedelika sehr schnell ein und man muss mehrere Tage warten, bevor man wieder den gleichen Effekt erzielt. Durch diese fehlende subjektive Toleranz kam ich darauf, einen fortlaufenden DMT-Tropf zu legen, anstatt wie Rick bei seinen Studien in den 90ern auf eine bullöse Injektion zu setzen. Durch eine solche Injektion erreicht man sehr schnell den maximalen Effekt und das war für seine Arbeit auch genau richtig. Wenn man sich jedoch eingehender mit dem DMT-Rausch befassen will …"

Gallimore und Strassman stießen auf eine deutsche Studie aus dem Jahr 2005, in der man versucht hatte, den DMT-Rausch zu verlängern. Die beiden Wissenschaftler waren jedoch weder mit der Vorgehensweise noch mit den Daten und auch nicht mit den Ergebnissen zufrieden, denn mehrere der Probanden waren wohl einfach nur ausgeflippt. "Ich dachte dann darüber nach, wie Narkosenfachärzte vorgehen", meint Gallimore. "Das ist ein sehr interessanter Teilbereich der Medizin. Ein Großteil der modernen Anästhesiologie basiert auf dem pharmakokinetischen Aufbau der Medikamente, die eine Kontrolle der Dosierung im Gehirn möglich machen. Dadurch kann durch ein Infusionsgerät die injizierte Menge des Medikaments so regulieren, dass die Wirkung über einen bestimmten Zeitraum hinweg konstant bleibt."

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Schließlich erinnerte sich Gallimore daran, dass Strassman "pharmakokinetische Kurven von DMT im Blut" gesammelt hatte. Also fragte er ihn, ob er dessen Blutproben nutzen könnte, um die neue Methode zu erschaffen. Und schon war die Zusammenarbeit beschlossene Sache.

"Die psychotherapeutische Anwendung einer fortlaufenden Infusion macht neugierig", sagt Strassman. "Dabei handelt es sich um eine Weiterführung der Studie zur wiederholten Dosierung, bei der wir herausgefunden haben, dass es für die Probanden extrem nützlich ist, die gerade gemachte Erfahrung verarbeiten zu können. Das macht es ihnen nämlich möglich, sich im relativ nüchternen Zustand zwischen den Dosierungen auf den darauffolgenden Rausch vorzubereiten. Dabei haben sich dann bestimmte Muster und Inhalte entwickelt. Und durch die Zusammenarbeit mit geschulten Psychotherapeuten konnten wir die psychologischen Fortschritte optimieren, die unsere Probanden bei diesen Sitzungen machten."

Natürlich ist es trotz allem unabdingbar, die Gesundheit der Studienteilnehmer an erste Stelle zu setzen.

"Gewisse Sicherheitsvorkehrungen muss man definitiv treffen", meint Strassman. "Es ist zum Beispiel nötig, ein Signal zu vereinbaren, mit dem die Probanden anzeigen können, dass man sie aus dem DMT-Rausch herausholen soll. Außerdem braucht es gewisse Zeit- und Dosierungslimits, die automatisch greifen und sicherstellen, dass es den Freiwilligen zu keinem Zeitpunkt schlecht geht."

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Eine vielversprechende und durch die Wirkungsverlängerung geschaffene Möglichkeit ist es, MRI-Aufnahmen des Gehirns während des DMT-Trips zu machen. Forschungsteams vom Londoner Imperial College haben vor Kurzem nämlich das Ganze auch zum ersten Mal mit LSD durchgeführt.

Laut Gallimore ist DMT nicht einfach nur ein weiteres Tryptamin. "Mich würde doch sehr interessieren, wie diese durch die Droge hervorgerufene Aktivierung des visuellen Systems vonstatten geht und wie sich das Ganze bei niedriger Dosierung mit anderen Psychedelika wie etwa LSD oder Psilocybin vergleichen lässt, die keine so ausgeprägten visuellen Aspekte haben."

"Eines der überraschendsten Ergebnisse der MRT-Psilocybin-Studie von 2012", fügt er hinzu, "war eine allgemeine Abnahme der neuralen Aktivierung. Dabei hat jeder eigentlich das genaue Gegenteil erwartet."

"Man hat auch interessante Erkenntnisse in Bezug auf die Aktivitäten im visuellen Cortex und die Verbindungen zu verschiedenen Teilen des Gehirns gemacht", fährt Gallimore fort. "Bei DMT ist es jedoch noch mal etwas ganz Anderes. Wie unterscheidet sich das Gehirn mit seinen DMT-Visionen vom Normalzustand? Und was können wir daraus lernen?"

Für viele DMT-Konsumenten oder auch nur DMT-Forschungsenthusiasten ist es sehr spannend, was passiert, wenn ein Trip länger andauert.

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Da Ayahuasca immer bekannter wird und auch die psychedelische Forschung immer mehr an Fahrt gewinnt, ist eine intensive Analyse des Hauptbestandteils des Gebräus so wichtig wie nie zuvor.

Einige Forscher beschäftigen sich dabei mit den vielversprechenden medizinischen Nutzungsmöglichkeiten von DMT, darunter zum Beispiel Gewebeneubildung. Aber die Substanz bleibt natürlich auch weiterhin ein wichtiger Teil vieler spiritueller Psychedelika-Praktiken—sowohl als Bestandteil von Ayahuasca als auch pur. In Australien diskutiert man derzeit sogar darüber, kleine Mengen DMT für religiöse Zwecke zu legalisieren. Und in Israel nahm die Polizei Anfang des Jahres mehrere Menschen fest, die DMT ins Land eingeführt und dann wohl psychedelische Zeremonien mit Hunderten Teilnehmern organisiert hatten.

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Strassman hat in The Spirit Molecule zwar die emotionale Belastung seines groß angelegten DMT-Forschungsprojekts dokumentiert, führt heutzutage laut eigener Aussage aber keine aktiven Untersuchungen mehr durch. Er weist jedoch darauf hin, dass es mehrere Forschungsteams gibt, die seine neuesten Erkenntnisse weiterverfolgen könnten. Und obwohl die beiden auch noch keine formellen Pläne angekündigt haben, half Gallimore Robin Carhart-Harris vom Londoner Imperial College vor Kurzem bei der Bewertung eines DMT-Protokolls. Carhart-Harris will DMT schon bald in den Fokus seiner Arbeiten rücken.

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"Derzeit besteht bei uns nicht die Absicht, finanzielle Zuschüsse oder Genehmigungen zu beantragen, um unser Modell wirklich umzusetzen", sagt Gallimore. "Es sind nämlich auch noch einige Fragen offen. Für welche Zwecke könnte man diese Technologie zum Beispiel verwenden? Wenn man Zuschüsse und Genehmigungen beantragt, dann kann man da nämlich nicht einfach zu den Behörden gehen und sagen: 'Nun, wir wollen den Kontakt zu Wesen einer alternativen Dimension herstellen.' Da würden die zuständigen Personen nur lachen und Nein sagen."

Die bei der Forschung angewandte Methodik bleibt aber auch weiterhin ein Diskussionsthema. So haben viele Leute auch die klinischen Rahmenbedingungen von Strassmans Untersuchungen aus den 90er Jahren kritisiert. Hervorzuheben ist hier der damals noch inhaftierte LSD-Chemiker Nick Sand, der es in den 60ern auch als Erster geschafft hat, DMT außerhalb eines richtigen Labors herzustellen.

Unter dem Pseudonym "∞ Ayes" argumentierte Sand 2001 damit, dass man mit der Suche nach konkreten Strukturen im Rausch die ganze Sache fehldeuten würde. "Hier sind vor allem die Gefühle und die versteckten Bedeutungen wichtig, die man beim Betreten der Weiten verspürt und mitbekommt. Dazu kommt dann noch das neue Bewusstsein, das möglicherweise daraus resultiert", schrieb Sand.

Im Anbetracht der innerweltlichen Parameter jeglicher zukünftiger DMT-Experimente nach dem neuen Modell ist es ebenfalls immens wichtig, die richtige Umgebung für diese Experimente zu wählen. Die Probanden befinden sich dann schließlich in einer Situation, wo ihnen selbst erfahrene und geschulte Forschungsleiter nicht direkt helfen können. Da man in einer subjektiven Erfahrung nach objektiven Eigenschaften sucht, muss jede Studie einen gewissen Mittelweg besitzen.

Obwohl Gallimore nach eigenen Angaben gegenüber Psychedelika "einen gesunden Respekt" hat, geht er davon aus, dass seine Innovation letztendlich für noch persönlichere Erfahrungen sorgen wird.

"Wir haben unser Modell für das Fachmagazin zwar in akademischer Sprache beschrieben", meint er, "aber ich stelle mir eigentlich vor, wie wir uns in nicht allzu ferner Zukunft neben eine Maschine legen, eine Kanüle unter die Haut schieben, die gewünschte Tripdauer einstellen und dann in benachbarte Universen abdriften—eine Art Anti-Matrix."

Die Zukunft scheint vielfältig.

Jesse Jarnow ist der Autor von Heads: A Biography of Psychedelic America und veröffentlicht jede Woche einen "Heads News"-Bulletin.

Dieser Artikel erschien ursprünglich bei The Influence. Dabei handelt es sich um eine Nachrichtenseite, die über alle Aspekte des menschlichen Verhältnisses zu Drogen berichtet. Folge The Influence bei Facebook und Twitter.