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Mode

​Warum uns auch Plus-Size-Models nicht das Gefühl geben können, dass unsere Körper OK sind

Das Ziel müsste ganz generell sein, dass es keine Plus-Size-Models mehr braucht.

Foto via Instagram via theashleygraham

An einem Wochenende im Dezember schaute ich mir gemeinsam mit meiner Familie zuhause in Oberösterreich alte Dias an—ganz altmodisch, mit Diaprojektor, Reihen wechseln und weiterklicken. Als wir gerade die letzten Fotos aus dem Kroatien-Urlaub durchklickten—damals war ich zirka 13 oder 14 Jahre alt—, kam ein Bild auf, das mich glücklich und braungebrannt am Pier stehend und in die Kamera grinsend zeigt.

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Bei diesem Foto kam mir ein Gedanke, für den ich mich fast augenblicklich schämte. Ich dachte daran, wie toll ich meine damalige Figur gefunden und was für dünne Beine und eine zarte Taille ich gehabt hatte—nur, um gleich darauf zu bemerken, wie abartig das eigentlich war. Nüchtern betrachtet bin ich auch heute noch schlank, nur eben ein bisschen weniger als in meinen frühen Teenie-Jahren—und der logischste Grund für meine Figur damals genau wie heute ist einfach mein Alter. Trotzdem idealisierte ich meinen eigenen kindlichen Körper auf den Dias.

Heute trage ich Größe 36 und fühle mich regelmäßig nicht schlank genug. Mein Bauch sollte flacher sein und auf meinem Arsch bekomme ich mittlerweile Cellulite. Manchmal bin ich ziemlich unzufrieden mit mir selbst. Für manche mag das mit einer gestörten Selbstwahrnehmung zu tun haben; und womöglich hat niemand mit Größe 36 das Recht auf diese Unzufriedenheit. Nur leider ändert das nichts an ihr.

Auch wenn ich mir vieles sicher selbst einrede, werde ich auch laufend von meiner Umwelt mit diesem Körperbild konfrontiert. Das beginnt bei meinen Verwandten, die mir besonders lustige Fragen stellen („Du gehst aber auch nicht mehr so oft ins Fitnessstudio wie früher, oder?" oder „Jetzt kannst du auch nicht mehr alles essen, gell?") und geht bis zu den erschreckend dünne Frauen in Werbungen, Filmen und auf Instagram, die mir mit ihren Magerkörpern täglich alles von Hygiene- bis zu Lifestyle-Produkten verkaufen wollen. Zu allem Überfluss sind auch noch einige meiner Freundinnen Models und damit natürlich viel dünner als ich. Obwohl ich natürlich weiß, dass alle Körper individuell verschieden sind, werde ich manchmal richtig neidisch.

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Insofern sollte man wahrscheinlich meinen, dass ich den derzeitigen Trend zu mehr Plus-Size-Modelinien für eine willkommene Abwechslung halten müsste. Immerhin setzen immer mehr Modehäuser, wie zuletzt auch Forever 21, auf „Übergrößen" und schaffen damit, zumindest in der Theorie, ein bisschen (Selbst-)Bewusstsein für eine Wirklichkeit abseits von Size Zero. Aber ganz so einfach ist die Sache leider nicht.

Das Problem beginnt, wenn wir uns fragen, welchen Zweck die Plus-Size-Kampagnen eigentlich erfüllen—sowohl für Konsumentinnen als auch für die jeweiligen Brands.

Die größte Gefahr bei Plus-Size-Linien ist, dass sie von der Werbeindustrie als bequeme Ausrede herangezogen werden könnten, wenn diese wegen ihrer Schönheitsideale wieder in der Kritik stehen. Solange Plus-Size aber genauso eine Nische ist wie Yoga- oder Schwangerschaftsmode und es nicht Yoga- und Schwangerschaftsmode genauso in Plus-Size gibt wie jede andere Form von Kleidung, bleibt eine solche Linie leider ein verlogenes und vor allem halbherziges Unterfangen.

Dass Plus Size-Linien keine Nische darstellen sollten, zeigt sich auch relativ schnell, wenn man sich die Durchschnittskörper der Österreicher genauer ansieht. Laut dem Ernährungsbericht 2012 sind 40 Prozent der 18- bis 64-Jährigen in Österreich übergewichtig und zwölf Prozent davon adipös. Wenn uns Werbeplakate und Modelinien also Magerkörper und Frauen in Größe 34 zeigen, dann sind das schlichtweg idealisierte Fake-Welten.

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Eine Studie des deutschen Psychologen Lars-Eric Petersen 2005 zeigt, dass die wiederholte Inszenierung solcher Bilder und Körper bei Frauen eine Unzufriedenheit mit dem eigenen Körper und der eigenen Attraktivität auslöst. Zu dieser Erkenntnis kam der Forscher durch ein Experiment: Einer Kontrollgruppe zeigte er Inserate ohne Models und deren Zufriedenheit/Unzufriedenheit mit dem eigenen Körper blieb gleich. Der anderen Gruppe zeigte der Forscher Inserate mit Models darauf und die Betrachterinnen gaben danach an, mit ihrem eigenen Körper unzufriedener zu sein also zuvor. Bei Männern beobachtete er dieses Phänomen im Übrigen nicht.

Diese Reaktion gehe dem Forscher zufolge darauf zurück, dass unser Körperbild nicht „etwas rein Individuelles, Subjektives", sondern untrennbar mit den „gesellschaftlich vorherrschenden Körperbildern und -idealen" verbunden sei, so der Forscher Petersen. In der westlichen Kultur sei dieses Körperbild stark von einer schlanken Körpergestalt geprägt, die ein Großteil der Frauen realistisch betrachtet gar nicht erreichen könne.

Dabei sind Fake-Welten per se natürlich nichts Böses, solange sie sich als solche deklarieren und von den Konsumenten auch so wahrgenommen werden. Aber jeder kennt wohl Menschen, die diesen Fake-Welten verfallen sind. Eine Freundin von mir verbrachte ihr halbes Leben nur mehr auf Instagram und folgte Models und Fitness-Bloggerinnen—natürlich alle wunderschön, perfekt und dünn. Irgendwann begann sie, übertrieben viel Sport zu betreiben und kotzte alles, was sie aß, wieder aus, bis sie unter 40 Kilo wog und ins Krankenhaus musste. Natürlich ist das ein Extrembeispiel und zum Glück reagiert nicht jeder mit einer Essstörung auf Werbung.

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Foto via Instagram via theashleygraham

Trotzdem ist sie mit ihrer Einstellung nicht alleine. Ende 2015 veröffentlichte das Wiener Programm für Frauengesundheit eine Untersuchung, die ergab, dass für 20 Prozent der befragten Mädchen ihr Gewicht das größte Sorgenthema ist—Probleme in der Familie liegen mit Abstand dahinter. Über drei Viertel der Schülerinnen hegen demnach den Wunsch, eine untergewichtige oder stark untergewichtige Figur zu haben. Über die Hälfte der 16-jährigen Mädchen hat bereits versucht, eine Diät zu halten; auch 14 Prozent der befragten Burschen haben starke Angst vor einer Gewichtszunahme.

Werbung macht also durchaus etwas mit uns. Gerade jungen Frauen scheint nicht immer klar zu sein, dass beispielsweise das, was in den Werbepausen läuft, denselben Fiktionalitätsgrad aufweist wie das Programm, das von den Werbepausen gerade unterbrochen wird.

Plus Size-Linien allein werden dieses Problem leider nicht lösen. Auch aus der Sicht der Käufer selbst machen Plus Size-Linien leider nichts besser; immerhin werden ihre Trägerinnen so wieder nur in eine Ecke abseits des Mainstreams gedrängt. Das eigentliche Ziel sollte viel eher sein, dass Plus-Size-Models kein eigenes Prädikat mehr darstellen und die Werbeindustrie sich anstelle der Opposition von „Normal" und „Plus" (oder, noch schlimmer, der Besetzung von Freakshow-Nischen, in die man angeblich wohltätige Projekte abschiebt) eher hin zu verschiedenen Figur-Typen entwickelt, die in ihrer Vielfalt möglichst der Realität entsprechen.

Dinge wie Durchschnitt und Alltäglichkeit sind zwar schwer zu definieren und bestimmt nicht so schön anzusehen wie die gefakten Werbe-Parallel-Welten diverser Hochglanzmagazine. Aber gerade jungen Frauen würde es gut tun, wenn es etwas zwischen Plus-Size und Size Zero gäbe—etwas, das genauso wenig binär ist, wie es eben auch unsere Körper sind.

Eva auf Twitter: @immerwiederEva