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Deutschsprachige Popkultur ist tot und die "Goldene Kamera" der Beweis

Die rassistische Laudatio bei der Branchen-Preisverleihung war der letzte Nagel im Sarg von österreichisch-deutschem Entertainment.

Es gab mal eine Zeit, in der Unterhaltung aus Deutschland und Österreich richtig viel Spaß gemacht hat. Wir hatten mit Wetten, dass..? eine fette Samstagabend-Show, in der sich internationale Superstars die Klinke in die Hand gaben. Wir hatten anständige DSDS-Kandidaten, deren Charisma über die Grenzen von belanglosen YouTube-Videos hinausging. Wir hatten The Dome. Wir hatten Top of the Pops. Und wir hatten richtig gute Popstars, die dann sogar zu Wetten, dass..? durften.

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Der Echo, die Goldene Kamera, sogar unser Amadeus hatte mit Auftritten von Robbie Williams oder den Sugababes irgendwie Format. Britney Spears hat sich 2008 für ihren ersten großen Post-Kopfrasur-Auftritt nicht etwa die Grammys ausgesucht – stattdessen blickte die ganze Welt gespannt nach Offenburg, wo die 60. Bambi-Verleihung und schließlich auch Britney über die Bühne ging.

Heute vergeht keine Preisverleihung der deutschsprachigen Unterhaltungsindustrie, ohne dass wir darüber twittern, wie "fremdschämig" und "peinlich" wir dieses "Trauerspiel" wieder mal finden. Sei es wegen homophober Manderl-Weiberl-Sager, wiederholter Nominierungen von politisch fragwürdigen Bands oder einfach aufgrund der Tatsache, dass jemand wie Ed Sheeran – ein leeres Blatt Papier in Menschengestalt – heutzutage als aufregender Popstar durchgeht.

Seit YouTube-Stars anstatt von Musikjournalisten in der DSDS-Jury sitzen dürfen und musical.ly-Userinnen die No Angels vom Bravo-Cover verdrängt haben, stirbt die deutschsprachige Entertainment-Industrie einen langsamen, schmerzhaften Tod. Und mit der Verleihung der Goldenen Kamera am vergangenen Samstag ist wohl auch der letzte Nagel im Sarg.

Nachdem die Laudatoren Annette Frier und Matthias Matschke einen von Trommeln unterlegten Stammestanz (?) aufführten, der laut Erklärung der Gag-Schreiber eine Art Heilungsritual für die Schauspielerei darstellen sollte, und dabei in einem vermutlich afrikanischen Akzent die Namen der Nominierten grölten, schien es fast schon absurd, dass jemand wie Nicole Kidman, die nur Tage zuvor dabei war, als Moonlight doch noch den Oscar für den besten Film erhielt, jetzt diese Shitshow miterleben musste. Von großen Medien wurde der Auftritt übrigens in erster Linie als "peinlich" und "gaga", sehr viel seltener jedoch – genauer gesagt mit keinem von uns gefundenen Wort – als tatsächlich rassistisch betitelt.

Der Laudatio-Balztanz der Goldenen Kamera geht in die Geschichte ein als der wohlverdiente Todesstoß, den diese Industrie verdient. Der Vorfall zeigt einmal mehr, dass Preisverleihungen im Jahr 2017 ein Auslaufmodell sind – was man übrigens auch an den Quoten sieht, die im Fall der Goldenen Kamera auf ein Rekordtief gesunken sind. Währenddessen liegt die Echo-Verleihung, die Anfang nächsten Monat stattfindet, in ihren letzten Zuckungen vor dem endgültigen Dahinscheiden: Sie wird auf VOX übertragen.

Franz auf Twitter: @FranzLicht