FYI.

This story is over 5 years old.

Neue Nachbarn

Eine Playlist der Songs, die ich auf dem Weg von Syrien nach Europa gehört habe

Ich stehe auf Metal, seit ich 10 Jahre alt bin.

Dieser Artikel ist Teil unserer Serie 'Neue Nachbarn', in der junge Geflüchtete aus ganz Europa Gastautoren auf VICE.com sind. Lies hier das Editorial dazu.

–––

A. ist 17 Jahre alt und stammt aus Syrien. Aktuell lebt er in einem Gästehaus der NGO Praksis in Athen. Ich stehe auf Metal, seit ich zehn bin. Die erste Metal-Band, die ich gehört habe, war Disturbed. Damals probierte ich verschiedene Genres durch und kam schnell zu dem Schluss, dass Metal meins ist. Mich entspannt diese Musik, auch wenn die grosse Mehrheit sie verstörend findet. Ausserdem kann ich durch Metal meine englische Aussprache verbessern und mein Vokabular erweitern. Hier möchte ich euch eine Liste mit Songs meiner Lieblingsbands aus aller Welt zeigen. Jede Band hat ihren ganz eigenen Charakter. Dimmu Borgir beschäftigen sich hauptsächlich mit gesellschaftlichen Themen. Aeternam singen auf Englisch und Arabisch von den Kulturen in Ländern wie Ägypten, Jordanien und Syrien. Songs von Swallow the Sun sind ein bisschen düsterer, aber wenn ich sie höre, sind meine Probleme für den Moment wie weggeblasen. Ich mag auch, wie theatralisch Ahab sind und dass sie sich von Herman Melvilles Roman Moby Dick inspirieren lassen. Im Laufe der Zeit hat sich mein Geschmack noch auf andere Genres ausgedehnt, wie Dubstep, Country und Trap. Hier also die Songs, die mich auf der schweren Reise von Syrien nach Griechenland begleitet haben:

Anzeige

Dimmu Borgir / Black Metal

Dimmu Borgir war die erste Band, deren Fan ich wurde. Ich hatte früher all ihre Alben und liebte jeden einzelnen Song. Vor allem dieses Lied hier erinnert mich an meine ersten Schritte im Metal-Genre. Es hat mich im Laufe der Jahre stark beeinflusst.

Aeternam / Descent of God

Wann immer ich diese Band höre, denke ich an meinen Freund Arrab, denn er hat sie mir vorgestellt. Manchmal denke ich an alles, was Arrab und ich zusammen durchgemacht haben und wie weit wir jetzt voneinander entfernt sind – er ist noch in Damaskus und ich bin hier in Griechenland. Das zieht mich wirklich runter. Aber ich hoffe, dass wir in ein paar Jahren wieder zusammen abhängen und diese Songs hören können, und dass der Krieg dann hinter uns liegt.

Swallow the Sun / Solitude

Dieser Song gibt mir Hoffnung und hält mich am Ball. Er war früher einer der Lieblingssongs meines Kumpels, der im Zuge der EU-Umverteilung nach Zypern verlegt wurde. Dort hat er ein neues Leben begonnen. Das möchte ich natürlich auch, aber ich weiss, dass so etwas dauert. Sobald dieser Song läuft, überkommen mich allerdings positive Gefühle und ich habe den Eindruck, dass alles möglich ist.

Ahab / O Father Sea

Diesen Song höre ich mir an, wenn es richtig übel wird. Bin ich wütend, enttäuscht oder deprimiert, drücke ich Play und er beruhigt mich sofort. Auf meiner Reise hierher habe ich ihn viel gehört. Als ich in der syrischen IS-Hochburg ar-Raqqa ankam, hatte ich so entsetzliche Angst, erwischt zu werden, dass ich den Song ständig abspielte, um mich zu beruhigen.

Anzeige

Skrillex / Koyoto

Zu diesem Song muss ich einfach tanzen. Er gibt mir so richtig Energie.

Kitty Daisy & Louis / Never Get Back

Das hier ist eine der ersten Country-Bands, die ich je gehört habe, und jedes Mal, wenn eins ihrer Lieder läuft, denke ich daran, wie die Zeit vergeht und wie stur ich früher war, als ich nur Metal hören wollte.

System of a Down / Toxicity

Ich erinnere mich noch genau daran, wie ich diesen Song vor sechs Jahren das erste Mal hörte. Ein Freund von mir spielte ihn ab und er gefiel mir sofort. Heute erinnert er mich an Dimitra, eine der Sozialarbeiterinnen in meiner Unterkunft in Athen. Sie liebt den Song auch, und wann immer ich ihn abspiele, singen wir an denselben Stellen mit: "the toxicity of our city" und "disorder". Wir versuchen dabei aus Spass die Stimme des Sängers zu imitieren. Manchmal mache ich den Song einfach so rein und rufe: "Nur für dich, Dimitra!" Das ist unser kleines Ritual.

Trivium / To Believe

Diesen Song habe ich früher immer beim Putzen gehört, wenn meine Schicht im Restaurant meines Onkels zu Ende ging. Ich habe nach der Schule und an den Wochenenden dort gearbeitet, um dem Familienunternehmen zu helfen. Wenn ich das hier aufdrehte, verging die Zeit schneller.

RIOT / Sucker Punch

Diesen Song und "Wizard" von Martin Garrix habe ich im Flüchtlingslager Moria auf Lesbos gehört, wenn ich positiv denken und meine Sorgen wegtanzen wollte. Die Lebensbedingungen dort waren schrecklich und wir mussten warten, bis sie uns ins Lager Mandamados (auch auf Lesbos) oder woandershin verlegten.

Anzeige

Cradle of Filth / From the Cradle to Enslave

Bei diesem Lied muss ich lächeln, weil ich an meine Mutter denken muss und wie sie immer darauf reagierte. Sie hasste den Song und schrie mich an, ich solle aufhören, diesen Schund zu hören, aber ich drehte noch lauter und spielte ihn mehrmals, nur um sie zu ärgern. Heute muss ich sofort lachen, wenn ich mir die Grimassen vorstelle, die sie bei dem Sound immer geschnitten hat. Das werde ich wohl nie vergessen. Meine Mutter ist in Syrien, aber ich wette, wenn ich sie in ein paar Jahren sehen sollte und dann den Song hier abspiele, dann würde sie auch loslachen.

Behemoth / Ov Fire and the Void

Das ist noch ein Track, den ich höre, wenn es schlimm um mich steht. Wann immer ich an den ganzen Papierkram denke, denn ich durchackern muss, und das Asyl-Gespräch, bei dem es um meinen Flüchtlingsstatus geht, werde ich ganz nervös. Behemoth beruhigen mich dann wieder.

Suicide Silence / Smoke

Das war der erste Song, den ich gehört habe, als wir von Syrien über die Grenze in die Türkei kamen. Ich war so erleichtert, als wäre ein tonnenschweres Gewicht von mir abgefallen. Ich atmete tief durch und dachte: "Du hast es endlich geschafft. Das Schlimmste hast du hinter dir. Zeit, nach vorn zu blicken."

Black Veil Brides / The Legacy

Wenn ich diesen Track höre, erinnert er mich immer an meinen Freund Dany, der auch noch in Syrien ist. Ich versuche, ihn nicht zu oft zu hören, weil ich Dany so schrecklich vermisse und davon Depressionen kriege. Es ist hart für mich, so lange von meinen Freunden getrennt zu sein.

Musik gehört zu meinem Leben. In Syrien habe ich immer gebeatboxt. Ich habe mich hier mit einem aus der Unterkunft angefreundet und wir machen zusammen Musik: Ich beatboxe und er rappt. Ich nehme auch zur Zeit Gitarrenstunden und lerne dabei alles von griechischen Liedern bis Rock. Später mal würde ich ausserdem gern Schlagzeug lernen und Gesangsstunden nehmen.

Unterschreibe hier die Petition des UNHCR, die Regierungen dazu aufruft, eine sichere Zukunft für alle Flüchtlinge zu garantieren.

Illustration von Ana Jaks.

Folge VICE auf Facebook und Instagram.