Wie die Hitze den Konsum von Drogen noch riskanter macht
Symbolbild: Grey Hutton

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Wie die Hitze den Konsum von Drogen noch riskanter macht

Bei Sonne und 30 Grad reagiert der Körper anders auf Ecstasy, Kokain, Alkohol und Gras. Teils steigt das Risiko zu sterben erheblich.

Am Tag, als Albert Hofmann auf seinem ersten LSD-Trip mit dem Fahrrad durch Basel fuhr, hatte es im April 1943 um die 16 Grad. Das milde Wetter dürfte Hofmann, der das Fünffache einer heute üblichen Dosis genommen hatte, das Leben gerettet haben. Denn hohe Temperaturen und eine gleißende Sonne wirken sich darauf aus, wie der menschliche Körper unter Drogen funktioniert.

"Der Flüssigkeitshaushalt unseres Körpers ist bei Hitze ohnehin verändert, der Körper toleriert also weniger, bereits kleinere Mengen einer Substanz haben eine größere Wirkung", sagt der Neurologe Andreas Jacobs vom Johanniter-Krankenhaus Bonn gegenüber VICE. Mehr als jeder und jede zehnte Festivaltote stirbt nach Drogenkonsum, fanden kanadische Forschende 2017 heraus. Damit es gar nicht erst soweit kommt, sollten Freunde, Festivalmitarbeitende oder andere Gäste schneller den Krankenwagen rufen, sagt Jacobs: Eine Infusion könne oft sehr viel mehr bewirken als das Trinken von Wasser. Er warnt vor allem davor, dass Menschen durch unterbewusstes Erbrechen ersticken.

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Wir wollen niemanden dazu anstiften Drogen zu nehmen, aber wer sich für Wodka-O, eine Nase Weißes oder einen Trip entscheidet, sollte dabei zumindest um die zusätzlichen Risiken wissen, die im Hochsommer bestehen. Wir haben sie mittels Studien, Seiten wie drugscouts.de und drugcom.de und mit Hilfe des Neurologen Andreas Jacobs zusammengetragen.

Alkohol: in Maßen verträglich

"Wenn die Sonne brennt, wirkt Alkohol im Körper schneller und intensiver. Besonders an heißen Tagen kann zu viel Alkohol zu Kreislaufproblemen oder sogar bis zur Bewusstlosigkeit führen", schreibt die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA), die auch für die Kenn-Dein-Limit-Kampagne verantwortlich ist. Durch die Hitze erweitern sich die Blutgefäße, durch Alkohol auch. Der Körper gibt mehr Wärme nach außen ab, doch zur selben Zeit sinkt der Blutdruck: Man fühlt sich schneller müde und schlapp, der Kreislauf kann eher zusammenbrechen oder man wird sogar bewusstlos. Alkohol entzieht dem Körper Wasser und Mineralstoffe, die der durch das Schwitzen ohnehin bereits verliert – man muss zwar seltener auf Toilette, bekommt aber gleichzeitig Mundgeruch und wer will schon einsam auf der Rooftop-Party enden. Zwischendurch sollte man also immer wieder Mineralwasser trinken. "Bei großer Hitze scheiden wir statt normalerweise bis zu einem Liter Flüssigkeit mehr als zwei aus, Bauarbeiter sogar bis zu zehn", sagt Neurologe Jacobs. Trinkst du Alkohol, musst du öfter pinkeln. "Durch den Wasserverlust verschiebt sich der Elektrolythaushalt sehr kritisch, das wirkt sich auf das Gehirn aus: Das Risiko für epileptische Anfälle ist dadurch erhöht."

Cannabis: kann kühlende Wirkung haben

Cannabis-Konsum kann das Herz-Kreislauf-System belasten, wenn es sich um THC-lastige Sorten handelt. Die erhöhen den Herzschlag um 20 bis 40 Schläge pro Minute. CBD-haltige Sorten – ohne den psychoaktiven Wirkstoff THC – wirken diesem Effekt laut Studien entgegen, Cannabidiol soll sogar vor Schlaganfällen und Herzattacken schützen können und ist deswegen auch in medizinischem Cannabis enthalten.

Bei Hitze können Kiffende die Belastung für den Körper reduzieren, wenn sie Gras im Vaporizer oder als Edible konsumieren, also ohne Tabak. Das im Zigarettenrauch enthaltene Kohlenmonoxid sorgt für eine geringer Sauerstoffkonzentration im Blut, weshalb das Herz mehr arbeiten muss. Cannabis kann laut einer Studie der pharmazeutischen Fakultät der University of Aberdeen die Körpertemperatur herabsenken. Denn ähnlich wie Chilis oder heiße Getränke bringt THC den Körper dazu, sich kurzzeitig aufzuhitzen. Es setzt aber sofort eine Gegenreaktion ein, der Körper kühlt sich ab.

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Wer dazu noch etwas Kühles im Mund braucht, kann zur Eisbong greifen. Die Eisbong sieht aus wie eine normale Bong, auch aus Acryl oder Glas, nur ein kleines Detail ist anders: Durch eine Verengung am Hals ist es möglich, die Bong mit Eiswürfeln zu füllen. Der Rauch wird gekühlt, das Kratzen im Hals verringert sich.


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Amphetamin, Speed, Pep: der Körper trocknet aus

Speed wirkt auf das Nervensystem und erhöht dort die Handlungsbereitschaft. Körperliche Grenzen werden schneller überschritten als die des guten Benehmens durch deutsche Muskelprolos am Ballermann. Man tanzt stundenlang und alle kauen, keiner isst: Kiefermahlen. So kann die Droge selbst bei erträglichen Temperaturen schnell gefährlich werden. Herrschen jedoch Temperaturen über 30 Grad, ist ein Hitzestau möglich. Die Körpertemperatur steigt an, der Bluthochdruck steigt, das Herz rast. Es kann zu einem Kreislaufkollaps kommen, im schlimmsten Fall zu einem Schlaganfall oder Herzinfarkt. Deshalb ist bei Amphetamin-Konsum eine ausreichende Flüssigkeitszufuhr wichtig, damit der Körper nicht austrocknet. Ebenfalls sollten Konsumierende sich nicht zu lange in der prallen Sonne aufhalten und vorher und nachher ausreichend essen und schlafen. Und Neurologe Jacobs warnt, dass Amphetamine generell leicht Psychosen auslösen können – besonders bei jungen Menschen, deren Gehirn durch tägliche Anforderungen im Alltag vielfach belastet ist, etwa weil sie noch fünf Hausarbeiten schreiben müssen oder an ihrem Arbeitsplatz schlichtweg der Ventilator ausgefallen ist.

MDMA, Ecstasy: der Körper heizt besonders schnell auf

Auch ohne Hitze lässt MDMA den Körper sich aufheizen, Konsumierende kommen ins Schwitzen, dehydrieren schneller – gleichzeitig behalten ihre Körper viel Flüssigkeit drin, denn der Harndrang wird unterdrückt. Knallt dann auch noch die Sonne auf den Raketen-Floor oder ist im Club die Lüftung ausgefallen, kann der Kreislauf schnell zusammenbrechen, auch die Herzmuskulatur kann verkrampfen. Wer nicht weiß, was in den eigenen Ecstasy-Pillen steckt, läuft ohnehin größere Gefahr einer Überdosierung als bei vielen anderen sogenannten Partydrogen. Besonders unerfahrene Konsumierende spüren das Einsetzen der Wirkung, weil ihr Herz schneller schlägt – das kann zum Hyperventilieren führen. MDMA und Alkohol zusammen entziehen dem Körper extrem viel Wasser, in Verbindung mit Cannabis ist die Droge eine besondere Belastung für den Kreislauf, weshalb Beratungsstellen in beiden Fällen dringend von Mischkonsum abraten.

Kokain: zweifach höheres Sterberisiko im Hochsommer

Bei Kokain und Sonne ist besondere Vorsicht geboten. Schon 2011 ergab eine Studie mit Kokainabhängigen in New York, dass das Risiko an einer Überdosis Kokain zu sterben bereits bei einer Durchschnittstemperatur von 24 Grad deutlich steigt. Eine zweite Studie von 2017 untersuchte dieses Phänomen in Quebec, Kanada, und kam zu ähnlichen Ergebnissen: Je höher die Außentemperatur, desto höher ist das Risiko zu sterben. Bei über 30 Grad nimmt das Sterberisiko um das Zweifache zu. Übermäßiger Kokainkonsum hat einen Einfluss auf das Dopaminsystem. Und das Hormon Dopamin ist nicht nur für unseren Glückshaushalt verantwortlich, sondern reguliert auch unsere Körpertemperatur mit. Die kanadischen Forschenden erklärten sich damit das erhöhte Sterberisiko, denn auf Koks schwitzt der Körper somit weniger als sonst. Da man high auf Kokain normale Warnsignale des Körpers weniger ernst nimmt, kann es ohnehin schneller zu einer Überhitzung kommen. Aber auch das Risiko für einen Herzinfarkt erhöht sich, sagt Andreas Jacobs, "gerade wenn der Flüssigkeitshaushalt des Körpers in der Hitze ohnehin schlecht ist".

Ketamin: besser nicht

Ketamin ist ein schmerzstillendes Narkosemittel. "Konsumierende verlieren ein realistisches Körpergefühl", sagt Jacobs. "Wenn sich jemand im Rauschzustand unter einen Baum in den Schatten legt, bemerkt er oder sie die näher kommende Sonne nicht." Der so aufgeheizte Körper kann kollabieren, man bekommt einen Hitzschlag. Die Wirkdauer von Ketamin liegt bei 45 bis 60 Minuten, man fühlt sich aber bis zu drei Stunden lang schwach. Ab einer Dosis von 30 Milligramm sind motorische Fähigkeiten stark eingeschränkt – dadurch besteht hohe Verletzungsgefahr auf dem Weg zur Bar oder zum Wasserhahn. Dabei sollte, wer sich im Ketamin-Rausch befindet, ohnehin kein Wasser oder andere Getränke trinken – oder nur sehr wenig. Ketamin stört die Motorik des Mund-Rachen-Raumes, es besteht Gefahr sich zu verschlucken, die Flüssigkeit kann im schlimmsten Fall eine Verkrampfung des Kehldeckels und als Folge Atem- oder Herzstillstand auslösen.

LSD: das Blinzeln nicht vergessen

Auf Acid sind die geeignete Einstellung und Umgebung (auch bekannt als Set and Setting) mindestens genauso essentiell wie der überdurchschnittliche Alkoholkonsum bei einem Helene-Fischer-Konzert – ohne ist es unerträglich. Schönes Wetter kann einen Trip positiv verstärken. Licht und Farben werden unter LSD-Einfluss noch viel stärker wahrgenommen. Aber auch die hohen Temperaturen werden demnach als noch heißer wahrgenommen. Insbesondere am Anfang eines Trips fängt man an zu schwitzen. Schnell kann die Hitze überfordern. Hat man keine Möglichkeit zur Abkühlung, kann das in einem Horrortrip enden. Deshalb ist es gerade bei LSD wichtig, immer viel Wasser zu trinken, um nicht zu dehydrieren und direkte Sonne über längere Zeit zu vermeiden. Die besonderen Belastungen eines LSD-Trips zur Sommerferienzeit haben sich dabei bis zur nicht gerade als Szenezeitschrift bekannten Apotheken Umschau rumgesprochen. Die rät, nicht direkt ins Sonnenlicht zu schauen, denn: Vergisst man über längere Zeit zu blinzeln – was auf Acid nicht untypisch ist, da Schutzreflexe versagen können –, kann das Sonnenlicht die Netzhaut nachhaltig schädigen.

Magic Mushrooms: beim Tanzen extreme Schweißausbrüche möglich

Durch Pilze verändert sich die Wahrnehmung, man sieht anders, hört anders, riecht anders, fade Liefer-Pizzen mit Analogkäse schmecken plötzlich, als ob jede einzelne Zutat tonnenweise auf den Belag gekippt wurde. Statt wie bei Keta gelähmt zu werden, wird man durch Pilze aktiver, kommt in den Zustand eines "Wachtraums". Allerdings erhöht der Konsum auch die Körpertemperatur, einem wird warm, man kann bei Bewegung intensive Schweißausbrüche bekommen, sich übergeben oder die Orientierung verlieren. Alles Sachen, die man bei mehr als 30 Grad im Schatten oder in einer bums-schwülen Einzimmerwohnung nicht wirklich erleben möchte.

GHB: heizt gefährlich auf

Viel Flüssigkeit ist bei den heißen Temperaturen wichtig aber bedeutet nicht, dass Konsumierende in Getränken verdünnter Drogen irgendeinen Vorteil haben. Nicht nur, dass GHB, auch bekannt als Liquid Ecstasy, schwer zu dosieren ist – einige wenige Tropfen mehr können bereits zu einer Über-Dosis führen. Die Hitze im Sommer macht die Nebenwirkungen der Droge noch gefährlicher. Von Erbrechen, Schweißausbrüchen, Atemnot und einem beschleunigten Herzschlag sorgt alles dafür, dass der Körper stark aufgeheizt wird, viel Flüssigkeit verliert und selbst im Schatten austrocknet. Das bei GHB gegebene Risiko ins Koma zu fallen oder einen Herz-Kreislauf- oder Atemstillstand zu erleiden, ist bei einem derart geschwächten Körper stark erhöht. Außerdem setzt GHB das Durstgefühl aus und verhindert, dass sich der eigene Hitzschlag so vorab ankündigen kann. Einfach proaktiv viel zu trinken ist auch keine Lösung, da der Salzgehalt im Blut so niedrig werden kann, dass es dadurch schon Todesfälle gegeben hat.

2C-B: auch eine Sonnenbrille hilft nicht

2C-B ist mit Meskalin verwandt und hat einen halluzinogenen Wirkungscharakter. Manchmal wird es in Pillen fälschlicherweise als Ecstasy verkauft. Ähnlich wie bei anderen synthetischen Drogen beschleunigt sich der Puls, der Blutdruck steigt und damit wird auch der Körper immer heißer. Was nicht über die Haut an Flüssigkeit und Mineralien ausgeschwitzt wird, verlieren Konsumierende in manchen Fällen, wenn sie sich übergeben müssen. In Kombination mit wetterlichen Hitzewellen dehydrieren sie so schnell, bekommen Schwindelanfälle oder werden bewusstlos. Generell macht 2C-B unempfindlich gegen Kälte wie Hitze, so merkt man selbst nicht mal, dass man kurz vor einem Zusammenbruch steht. Wie auch bei MDMA können sich die Pupillen von Konsumierenden zu Smartie-Größe weiten. Die starke Sonneneinstrahlung im Sommer schränkt das Sehvermögen ein und fördert Halluzinationen, die im Kontrollverlust bis hin zu paranoiden Wahnvorstellungen enden können. Das lässt sich auch mit einer Sonnenbrille nicht vermeiden.

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