Ausgangssperren, Schießereien & Wahlbetrug: Eine Fotografin berichtet von den Ausschreitungen in Honduras
Alle Fotos: Fiorella Arita

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Honduras

Ausgangssperren, Schießereien & Wahlbetrug: Eine Fotografin berichtet von den Ausschreitungen in Honduras

Die Präsidentschaftswahl in Honduras hat zu Zusammenstößen zwischen Demonstranten und Streitkräften geführt. Die Fotografin Fiorella Arita begleitet die Proteste. Ein Interview.

Am 26. November fanden in Honduras Präsidentschaftswahlen statt, aber ein klares Ergebnis gibt es bis heute nicht. Denn dem konservativen Staatschef Juan Orlando Hernández, genannt JOH, werden Korruption und Wahlfälschung vorgeworfen. In den Stunden nach der Wahl lag der Kandidat der Opposition, Salvador Nasralla, deutlich vor Hernández. Das finale Ergebnis verzögerte sich um mehrere Tage und zur Überraschung vieler lag am Ende Hernández vorne.

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Der konservative Regierungschef kam auf 42,98 Prozent, der linksgerichtete Gegenkandidat auf 41,39 Prozent der Stimmen. Das Wahlgericht gab das Ergebnis zwar bekannt, erklärte Hernández aber nicht zum Wahlsieger.

Die Opposition reagierte auf das Wahlergebnis mit Protesten, die Regierung rief den Ausnahmezustand aus und verhängte eine nächtliche Ausgangssperre. Streitkräfte und Polizisten sind nun ermächtigt, bei Verstößen gegen die Ausgangssperre Festnahmen vorzunehmen.

Honduras ist eines der ärmsten Länder Mittelamerikas. Drogengeschäfte und Bandenrivalität gehören zum Alltag. Viele der Demonstranten hatten sich durch die Wahl Veränderung erhofft und fordern nun eine Neuauszählung der Stimmen. Fiorella Arita ist eine von ihnen. Die 22-jährige Studentin und Fotografin aus Honduras kämpft für ihre Rechte und hat für uns die momentane Situation in ihrem Heimatland beschrieben.

VICE: Hallo Fiorella. Was passiert da bei euch gerade?
Fiorella Arita: Im Moment haben wir noch immer kein offizielles Wahlergebnis und es sind schon beinahe zwei Wochen vergangen. Das Tribunal Supremo Electoral – das Wahlgericht – hat am Wahlsonntag verkündet, dass Salvador Nasralla einen Vorsprung von 5 Prozent hat. Drei Tage nach der Wahl erklärte das Wahlgericht plötzlich JOH zum Wahlsieger. Da fingen die Menschen an zu protestieren.

Warum sind die Proteste gewalttätig? Warum werden Geschäfte geplündert?
Einige Banden, die sich nicht für Politik interessieren, fanden, es wäre ein guter Zeitpunkt, Geschäfte auszurauben, da Polizei und Militär ja anderweitig beschäftigt sind. Es wurden aber viele von ihnen verhaftet. Sie trugen einen großen Teil dazu bei, dass es zur "Noche Negra" kam.

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Was ist die "Noche Negra"?
"La Noche Negra", die Schwarze Nacht, war am 1. Dezember. Um zirka 22 Uhr berichteten alle Fernseh- und Radiosender, dass die Regierung eine Ausgangssperre verhängt habe. Von 18 Uhr abends bis 6 Uhr morgens durfte keiner mehr auf den Straßen sein, Polizei und Militär können machen, was sie wollen, wenn du die Regeln nicht beachtest. Als diese Ausgangsperre also verhängt wurde, waren noch Menschen auf den Straßen und das Militär fing einfach an zu schießen. Die Regierung versucht, das vertuschen. Wir wissen keine konkrete Zahl und auch nicht, wie viele Menschen erschossen wurden, aber wir wissen, dass es passiert ist.

Woher wisst ihr das?
Es gibt fürchterliche Videoaufnahmen, die das belegen – auch auf YouTube. Seit dieser Nacht bleiben die Menschen zu Hause. Mit Töpfen und Kochlöffeln machen sie Musik und singen. Seit Samstag hören wir das jede Nacht im ganzen Land. Es ist ein friedlicher Protest gegen JOH und die Ausgangssperre. Es ist schön zu sehen, wie die Menschen zusammenhalten. Am 5. Dezember wurde die Ausgangssperre etwas verkürzt. Sie gilt jetzt nur noch von 20 bis 5 Uhr. Wir dürfen also wieder etwas länger raus.


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Warum ist es dir so wichtig, dass die Welt davon erfährt?
Weil unser Präsident macht, was er will, weil er einfach die Verfassung missachtet. Wir brauchen internationale Hilfe. Wir brauchen jemanden, der über ihm steht oder Sanktionen verhängen kann, damit dieser Korruption ein Ende gesetzt wird.

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Aber stimmt es nicht, dass gerade JOH viel gegen Kriminelle getan hat?
Da geht es ja höchstens um die Kleinen. Nichts hat sich verändert. Sogar der Bruder des Präsidenten ist ein großer Fisch im Drogengeschäft.

Wie geht es dir, wenn du auf den Demos bist und Fotos machst?
Da kommen einige Emotionen zusammen. Ich merke auf der einen Seite, dass Menschen aufwachen und für ihre Rechte kämpfen. Das fühlt sich gut an. Manchmal fühle ich mich auch sehr unwichtig, weil ich nichts tun kann. Ich wünschte, wir hätten ihn schon bei der Wahl vor 4 Jahren gestoppt, schon damals war alles gefälscht.

Was möchtest du den Menschen mitteilen, die dieses Interview lesen?
Die Welt soll uns sehen, unsere Angst und Bedenken verstehen. Wir rufen um Hilfe, weil wir unsere Demokratie, für die wir vor langer Zeit gekämpft haben, nicht verlieren wollen. Wir möchten, dass etwas gegen den Drogenhandel getan wird, gegen den Analphabetismus in diesem Land – alle sollten lesen und schreiben lernen dürfen. Es muss etwas gegen Korruption und Armut getan werden. Ich weiß, dass das vielleicht utopisch ist, aber es wäre ja schon einmal ein guter Anfang, wenn die Regierung nicht mehr so viele Möglichkeiten zur Korruption hätte.

Wie wird es jetzt weitergehen?
Ich hab keine Ahnung, was als nächstes passiert. Wir wollen einfach Gerechtigkeit. Wir wollen, dass geklärt wird, ob das Wahlergebnis manipuliert wurde und dann ein eindeutiges bekannt gegeben wird. Vielleicht wären Neuwahlen am besten.

Was wünschst du dir für die Zukunft?
Wir möchten einfach in Frieden leben können.

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