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Popkultur

Diese beiden Obdachlosen haben mit ihrer Kleinanzeige endlich eine Wohnung gefunden

"Wir brauchen unbedingt noch eine Toplader-Waschmaschine. Kannst du das in den Artikel schreiben? Toplader, nicht Frontlader."
Foto: Rebecca Baden

Manchmal passieren im Internet auch gute Sachen, das haben Dirk und Stephan in den letzten Wochen erfahren. Anfang November hatten die beiden Obdachlosen mit einer Online-Anzeige nach einem "Vermieter mit Herz" gesucht.

"Wir sind zwei nette und vernünftige deutsche Obdachlose, die gewillt sind, ihr Leben in geordnete Bahnen zu bringen, beide Anfang 50, drogenfrei und keine Alkoholiker", schrieben Dirk und Stephan in ihrer Annonce. Die beiden hatten zu dem Zeitpunkt seit etwa anderthalb Jahren auf der Straße gelebt, bevor sie ebenfalls per Anzeige ein Zimmer fanden, in dem sie aber nur vorübergehend wohnen konnten. Die Miete zu zahlen, ist für die beiden kein Problem – sie haben Mini-Jobs, liefern Bierfässer aus, bringen Leuten ihre Einkäufe nach Hause oder Haustiere zum Tierarzt. Als VICE Dirk Anfang November auf dem Ku’damm traf, erzählte er: "[Monatlich] kommen wir auf 1.800 bis 2.000 Euro – genug Geld, um eine Wohnung zu finanzieren."

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Viele Medien berichteten danach über die obdachlosen Wohnungssucher. Stundenlang beantwortet Dirk Nachrichten und telefoniert mit Journalisten. Fernsehsender bieten Hunderte Euro, damit die beiden in Sendungen auftreten. Sie lehnen ab, wollen kein Geld, sondern eine Wohnung. Ende November dann schreibt uns Dirk: "Es hat geklappt."

Foto: Rebecca Baden

VICE: Wie seid ihr an die Wohnung gekommen?
Dirk: Es hat sich tatsächlich jemand über eBay Kleinanzeigen gemeldet, ein italienischer Geschäftsmann. Er hatte die Annonce gelesen und sagte, er hätte eine Wohnung, die er vermieten könnte. Dann habe ich gesehen, dass er aus Osnabrück kommt, und dachte: "Scheiße, schon wieder einer, der nicht richtig liest, dass wir in Berlin bleiben wollen!"

Es hat sich dann aber herausgestellt, dass der Mann eine Eigentumswohnung in Berlin hat und die Vormieterin ausziehen würde. Wir haben eine Weile hin und her geschrieben. Weil er sich selten gemeldet hat, war ich mir bis zum Ende nicht sicher, ob es wirklich klappt. Letzte Woche haben wir uns dann mit ihm getroffen und den Mietvertrag unterschrieben – unbefristet. Die Altbau-Wohnung hat zwei Zimmer, Küche, Bad, wir zahlen 630 warm. Die Wohnung ist in Moabit, am Ku’damm bin ich in wenigen Stationen, das ist schon super.

Wie ist er auf euch aufmerksam geworden?
Er hatte seine Wohnung schon mal inseriert und über hundert Interessenten haben sich gemeldet. Der Mann ist Italiener und sehr gläubig. Eine innere Stimme – oder Gott – hatte ihm wohl gesagt, dass er mit dem Vermieten warten soll. Einige Tage später hat er unsere Annonce gesehen. Da hat er mir direkt geschrieben: "Hallo, ich hätte eine Wohnung, die ich euch gerne vermieten möchte." Ich habe gesagt, dass ihm klar sein muss, dass es bei uns keine Schufa-Auskunft oder Verdienstbescheinigung gibt. Er meinte, das sei OK und er würde uns gerne die Chance geben. Es hat sich herausgestellt, dass ihn vor 20 Jahren mal eine Freundin rausgeschmissen hat und er auch eine Woche keine Wohnung hatte.

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Kamen viele Menschen auf euch zu, nachdem die Anzeige so verbreitet wurde?
Es gab viele Anfragen von Journalisten. Und unglaublich viele Leute von Facebook haben uns Sachen angeboten: Möbel, Hausrat und alles. Außerdem haben wir über unsere Crowd-Funding-Kampagne bisher fast 2.000 Euro gesammelt. Aber wir brauchen unbedingt noch eine Toplader-Waschmaschine. Kannst du das in den Artikel schreiben? Toplader, nicht Frontlader.

Es gab auch Leute, die euch Jobs anbieten wollten.
Ich schaffe es mit den ganzen Anfragen manchmal nicht, mich an den Ku’damm zu setzen und ein bisschen Geld zu verdienen. Es war einfach unheimlich viel los in den letzten Wochen. Wir werden aber beide weiterhin unsere Mini-Jobs machen, zumindest, bis wir uns in der Wohnung halbwegs eingerichtet haben. Auf lange Sicht will ich mich wieder selbstständig machen und einen Online-Handel betreiben.

Haben dich auf der Straße Leute auf die Wohnungsanzeige angesprochen?
Meine Bekannten wussten, dass wir in den Medien sind, Fremde haben mich zum Glück nicht angesprochen. Irgendwie erkennt uns keiner von den Fotos. Das ist mir auch recht. Ich würde es nicht mögen, wenn mich jeder erkennen würde. Das war auch der Grund, weshalb wir nicht ins Fernsehen wollen – auch wenn man uns Geld angeboten hat, 300 bis 500 Euro, je nach Sendung. Wir wollten ja nicht in Deutschland bekannt werden, sondern nur eine Wohnung. Ich kann ja nicht zum Sat1-Frühstücksfernsehen gehen und mich am nächsten Tag auf den Ku’damm setzen. Dann zeigt ja jeder mit dem Finger auf mich.

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