Drogen

Vier Dealer erzählen, mit was für fiesem Zeug sie ihren Stoff gestreckt haben

Benzin, Bittersalz, Meth, Haarspray … es ist alles dabei.
ein Drogenlabor mit Pillen und Flaschen und Plastikdosen, wo Kokain, Crystal und Co. gestreckt werden
Foto: imago images | ZUMA Press

Ich war mit Freunden in einer Karaokebar, als durch das Fenster unserer Kabinentür Taschenlampen aufblitzten. Neugierig ging ich raus, um zu sehen, was los war. Ein koreanischer Austauschstudent lehnte weggetreten an der Wand und wurde von Sanitätern behandelt. Anscheinend hatte er vorher MDMA-Kapseln konsumiert.

Als jemand, der ein paar Dealer persönlich kennt, weiss ich, was für fieses Zeug in MDMA-Kapseln stecken kann. Ich lebe in Australien, nur verhältnismässig wenige Drogen schaffen es auf unseren Kontinent. Das ändert allerdings nichts an der Nachfrage. Was hier im Umlauf ist, ist entsprechend teuer und furchtbar gestreckt. Obendrein ist das klassische Drogengeschäft in der Hand krimineller Banden, denen es in erster Linie darum geht, ihre Profite zu maximieren. Die Gesundheit ihrer Kundschaft interessiert sie weniger.

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Viele Menschen kaufen ihre Drogen deswegen mittlerweile im Darknet. Durch die Bewertungssysteme der dortigen Marktplätze bekommen sie den Eindruck, die Substanzen seien halbwegs rein. Für australische Dealer hat sich die Situation entsprechend verschlechtert. Ich habe einige von ihnen gefragt, mit was sie ihren Stoff strecken und wie sich das Darknet auf ihre Arbeit auswirkt.

Yianni, 29, Koksdealer

Koks

Foto: VICE | Grey Hutton

VICE: Was ist das Schlimmste, was du jemals in dein Koks gemischt hast?
Yianni: Ich habe Meth zu sehr feinem Pulver gerieben und ein bisschen davon in die hier übliche Eine-Unze-Tüten gemischt, das sind etwa 28 Gramm. Aber wirklich nur ganz wenig Meth, kein halbes Gramm. Als ich damit aufhörte, haben sich ein paar Leute plötzlich beschwert. Also habe ich ein paar Gramm Koffeinpulver pro Unze reingemacht und sie waren begeistert. Das Koks allein hat sie anscheinend nicht so gekickt. Sobald du anfängst, mit Streckmitteln zu experimentieren, wird es immer schlimmer.

Du wirst geizig, auch weil sich fast niemand beschwert. In Australien ist allen scheissegal, was sie sich in die Nase jagen, solange sie sich auf dich verlassen können.

Hast du jemals Streckmittel benutzt, die du im Nachhinein bereut hast?
Einmal meinte jemand zu mir, dass er nur Stoff kaufe, der diesen Benzingeruch habe. Angeblich merke man daran, dass das Koks besonders rein sei. Also habe ich die Tüte mit einem Lappen ausgewischt, den ich davor in etwas Benzin getränkt hatte. Das hat vielleicht gestunken. Ein anderes Mal meinten so Typen zu mir, dass sie nur Brocken kaufen. Also habe ich das Koks auf einen Teller gepackt, Haarspray drauf und alles zusammengematscht. Das Koks klebte zusammen, aber zerbröselte auch leicht. Ich habe dann einfach behauptet, das sei ein Zeichen für gute Qualität.

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Irgendwann hast du aufgehört, dein Zeug zu strecken. Warum?
Weil ich sah, dass die jüngere Generation voll auf Crystal und GHB/GBL war. Ich dachte, dass das bestimmt an Wichsern wie mir liegt, die den Stoff so abartig strecken. Die Kids denken bestimmt, Koks hätte gar keinen "echte" Wirkung. Anstatt sich also teures Zeug zu kaufen, in dem vielleicht nur 20 Prozent richtiger Stoff sind, suchen sie sich Alternativen, die billiger und krasser sind. Ich habe einmal ein Mädchen mit einer GHB-Überdosis gesehen. Sie war extrem jung. Ich dachte, sie sei tot.

Wie hat das Darknet dein Geschäft beeinflusst?
Die Leute bekommen im Internet viel besseres Zeug zu besseren Preisen. Ich habe einen Grossteil meiner Gelegenheitskunden verloren – Leute, die sich einmal im Monat bei mir gemeldet haben. Jetzt bestellen sie im Internet einfach zehn Gramm für sich und ihre Kumpel. Ich kann bei den Preisen und der Reinheit nicht mithalten. Ich bin also auf meine Stammkunden und Menschen angewiesen, die bereit sind, für etwas Komfort ein bisschen extra zu zahlen. Ansonsten verdiene ich aber auch genug Geld mit meinem regulären Job.

Mark, 37, Methdealer

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Foto: Shutterstock

VICE: Was ist das schlimmste Streckmittel, das du je verwendet hast?
Mark: Das war, nachdem meine Ex-Freundin und mein damals bester Freund mich übel abgezogen hatten. Sie erzählten mir von einem Typen, der eine Unze Meth auf einmal kaufen wollte. Sofort und gegen Cash. Sie wollten ihm den Stoff geben und mir das Geld zurückbringen. Ich war etwas skeptisch und nervös, weil ich es mir eigentlich nicht leisten konnte, eine Unze vorzustrecken. Irgendwie haben sie mich dann doch überredet. Die beiden haben sich dann mit dem Stoff verpisst und ich habe sie nie wiedergesehen.

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Danach waren ein paar Stammkunden auf dem Weg zu mir. Wenn ich denen nichts geben konnte, wäre ich im Arsch gewesen. Aber ich hatte weder Stoff noch Geld, also bin ich zum nächsten Baumarkt und habe ein paar Packungen Bittersalz gekauft.

Als die Typen ankamen, habe ich ihnen etwas aus meinem persönlichen Vorrat zu rauchen gegeben und dann exakt 3,5 Gramm Bittersalz abgewogen. In der Nacht bekam ich gefühlt tausend SMS von denen. Anscheinend war die Pfeife beim Versuch, das Zeug zu rauchen, sofort schwarz geworden. Diese Bastarde haben es trotzdem weiter versucht. Ich war die ganze Nacht total paranoid, dass einer von ihnen abkratzt oder sich die Lunge fickt. Aber es war nur Bittersalz. So viel schlimmer als Zigaretten kann das auch nicht sein.

Die waren auf jeden Fall richtig angepisst, also bin ich erst mal bei meiner Tante auf dem Land untergetaucht. Erst wurde ich von meinen Leuten abgezogen und dann auch noch zum meistgehassten Typen der Vorstadt. Keine gute Zeit.

Streckst du deinen Stoff sonst auch?
Alle Crystaldealer strecken ihren Stoff. Hier verwenden wir dafür vor allem MSM-Kristalle, ein Nahrungsergänzungsmittel. Aus 3,5 Gramm werden 28. So machen wir unseren Profit. Ich habe aber schon richtig schlimme Storys gehört. Ein paar Leute sind wegen der Streckmittel im Krankenhaus gelandet. Ein Bekannter von mir hat fast ein halbes Jahr Blutklumpen gehustet. Das hat ihn allerdings nicht davon abgehalten, weiter zu rauchen. Ziemliche Scheissdroge, oder?

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Hat sich das Darknet auf dein Geschäft ausgewirkt?
Ernsthaft, ich kenne niemanden, der Meth auf diesen Seiten kauft. Wahrscheinlich auch, weil die Hälfte von uns nicht weiss, wie das funktioniert. Meth-Heads wollen auch nicht zwei Wochen auf ihren Stoff warten. Die Wichser halten nicht mal eine Stunde Verspätung aus, ohne dich anzupissen.

Tran, 24, Grasdealer

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Foto: Shutterstock

VICE: Du hast Gras gestreckt?
Tran: Ja, als ich 17 war, haben die Jungs, die mir auch den Anbau beigebracht haben, verschiedenes Zeug benutzt, um ihr Gras schwerer zu machen. Je schwerer, desto mehr Kohle bekommst du dafür. Wir haben vor allem Silikon verwendet, aber ich habe auch schon von Leuten gehört, die Eisenpulver und Glas auf ihren Knospen gefunden haben. Niemand hat sich jemals beschwert, also dachte ich, es wäre schon nicht so schlimm.

Aber du hast damit aufgehört. Warum?
Ich habe gut verdient und glaubte, niemandem zu schaden. Erst Jahre später habe ich mich bei einer Cannabis-Demo mit ein paar Typen über Anbautechniken unterhalten. Nebenbei habe ich ihnen gesagt, dass ich mein Zeug besprühe, um es schwerer zu machen. Einer von ihnen hätte mir fast in die Fresse gehauen. Dieses Silikonspray kann einen wohl umbringen, wenn man es raucht. Die haben mir wirklich die Augen geöffnet. Mir wurde klar, was für eine Scheisse ich gemacht hatte, und vor allem wie sehr ich das Vertrauen der Leute missbraucht hatte, die mein Gras gekauft hatten.

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Dylan, 27, MDMA-Dealer

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Foto: St. Albert | Flickr | CC BY 2.0

VICE: Wie hast du dein Zeug gestreckt?
Dylan: Vor etwa fünf Jahren gab es hier einen MDMA-Engpass. Dealen war meine Haupteinnahmequelle und ich konnte nicht riskieren, Kunden zu verlieren. Also habe ich kleine Mengen Crystal untergemischt, weniger als 0,1 Gramm. Dazu noch etwas Dexamphetamin-Pulver aus ADHS-Medikamenten. Die meisten Leute waren sehr glücklich damit, während sie drauf waren, aber das Runterkommen war heftig. Einer meiner Freunde, der crystalabhängig war, hat deswegen sogar Suizid begangen. Danach habe ich mit dem Dealen aufgehört.

Weisst du, wie es heute mit Streckmitteln aussieht?
Heutzutage gibt es diese Test-Kits und ich hoffe, dass mehr junge Leute sie verwenden. Sie sind es wert. Seit die eingeführt wurden, haben viele meiner bekannten Pillen- und MDMA-Ticker aufgehört, ihren Stoff zu strecken. Einigen von den Typen war echt scheissegal, was sie reingemischt haben, aber heute sind alle viel vorsichtiger, weil sie erwischt werden und ihre Kunden verlieren können.

Wie sehr hat sich das Darknet auf das MDMA-Geschäft ausgewirkt?
Neben den Test-Kits hatte das Internet den grössten Einfluss auf den australischen MDMA-Markt. Selbst Dealer importieren ihren Stoff über das Darknet, weil er reiner ist. Den können sie dann mit harmlosen Nahrungsmittelergänzungen strecken und brauchen sich deswegen nicht schlecht zu fühlen. Hier in Australien müssen wir MDMA importieren, wenn wir gutes Zeug mit pharmazeutischer Qualität wollen. Die Köche in den Hinterhoflaboren hier werden es nie mit dem israelischen Stoff aufnehmen können. Selbst wenn sie die ganzen Chemikalien und das Equipment hätten: keine Chance.

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