"Jana glaubt": Wie die Kirche versucht, Religion durch Influencer cool zu machen
Screenshot aus dem YouTube-Video "Sinnsuche: Gott, Glaube, Religion – warum brauche ich das?" von Jana

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Popkultur

"Jana glaubt": Wie die Kirche versucht, Religion durch Influencer cool zu machen

Mit Hilfe des YouTube-Netzwerks Mediakraft soll Jana Highholder zur christlichen Dagi Bee werden. Tatsächlich bekommen wir einen Einblick in eine absurde Parallelwelt.

Wackelnde Kamera, aufgeregte Monologe, Augenbrauen, die denen von Cara Delevingne in nichts nachstehen – auf den ersten Blick ist Jana Highholder eine ganz normale YouTuberin. Seit rund einer Woche gibt es ihren Kanal, auf dem sie "die Hochs und Tiefs" ihres "bewegten Alltags" teilen und über Themen sprechen möchte, "die vor allem junge Menschen bewegen". Also Lifestyle, Gaming, Sex oder Politik? Nein, Religion.

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Jana ist der neueste Versuch der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), ihre Inhalte einer jüngeren Zielgruppe zu vermitteln. Jana ist 19, studiert Humanmedizin in Münster und reist als christliche Poetry-Slammerin von einem Gemeindehaus zum nächsten. Sie ist Influencerin und auch sie verkauft Dinge – nur eben nicht Lippenstift oder Abnehm-Tees, sondern Jesus. Weil die kirchliche Institution nicht viel Erfahrung mit Influencer-Marketing hat, hat sie sich von Mediakraft Networks beraten lassen. Das Multichannel-Netzwerk verhalf YouTube-Stars wie LeFloid, Unge oder den Lochis zu mehr Reichweite. Mittlerweile sind die ganz großen Namen weg und die Firma scheint vor allem in beratender Rolle aufzutreten. Und das eben auch für die Evangelische Kirche.


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Und damit könnte sie sogar Erfolg haben: Junge Menschen sind sich mittlerweile ziemlich sicher, dass das mit der Rente nichts mehr wird, und sie gegebenenfalls arbeiten müssen, solange sie körperlich dazu in der Lage sind. Durch das Internet prasseln Nachrichten auf sie ein; entrinnen kann nur, wer sich ausloggt – und das ist, realistisch betrachtet, keine Option. Also flüchten sich viele in perfekt inszenierte Instagram-Welten und hoffen darauf, irgendwann auch mal so schön und erfolgreich zu sein, dass sie Geld dafür bekommen, sich mit Wurstwaren in einer Badewanne zu fotografieren. Gleichzeitig wird der jungen Generation vorgehalten, zu viel zu erwarten und nichts leisten zu wollen. Da kann man doch eigentlich nur verzweifeln – und sich die Frage nach dem Sinn des Lebens stellen.

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Jana hat Gott gefunden, und wir sollen es ihr gleichtun

In genau diese Lücke stößt Jana, wenn sie in ihrem Video "Sinnsuche: Gott, Glaube, Religion – Warum brauche ich das?" über Momente spricht, in denen sie sich allein und verloren gefühlt hat. Das Video ist Teil ihres Formats "Wir", in dem sie sich thematisch allem widmen will, was junge Menschen in Sachen Religion und Selbstfindung beschäftigen könnte. Dabei sitzt sie in einem Studio, das einem Jugendzimmer nachempfunden scheint: bunte Couch, ein paar Bücher auf einem Beistelltisch, im Hintergrund Lichterketten. Im Großteil ihrer Videos filmt sie allerdings ihren Alltag, mit wackelnder Handkamera und Fischaugenobjektiv.

Eine Studie des Sinus-Instituts zeigte 2016, dass junge Menschen durchaus das Bedürfnis nach Spiritualität haben. Nur: Sie brauchen dafür weder Gott noch Kirche. Religiösen Institutionen steht der Großteil der Befragten eher skeptisch gegenüber. Jana hingegen sagt: "Ich habe keinen Grund, nicht zu glauben." Daraus zu schließen, dass die einzige logische Schlussfolgerung ist, sein Leben Jesus zu widmen, ist überraschend. Erklärt sich im Fall der YouTuberin allerdings durch ihre Vergangenheit. Mit sechs Jahren erkrankte Jana an Krebs und überlebte. Deswegen sagt sie, sei sie heute für jeden Tag, den sie erleben darf, dankbar – und möchte auch andere dazu ermutigen, ihr Leben in die Hände Gottes zu legen.

Viel erfahren wir über die christliche Influencerin allerdings nicht, die uns auf ihrem Kanal nicht nur ihren Glauben, sondern auch ihr Leben näherbringen will. Das macht ihre Vlogs – oder "Flocks", wie Jana es ausspricht – zu einer irritierend willkürlichen Aneinanderreihung betont authentisch wirkender Augenblicke. Da wird aufgeregt die Lieferung des ersten eigenen Hörbuchs beäugt, im Haus eines nicht näher benannten Ehepaars mit Rotwein angestoßen und ein weiterer Soundcheck im farblosen Gebäude irgendeiner religiösen Einrichtung gemacht. Alles, was Jana in ihrem Leben tut, denkt oder sagt, scheint mit Religion zu tun zu haben. Wen soll das interessieren? Das Aufregendste, was in den bisherigen sechs Videos passiert, ist eine verrückte Partynacht, in der sie mit Freunden bis ein Uhr morgens in einer Bar Mensch ärgere dich nicht spielt.

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Ein bisschen so, als würden einem mit einem Zufallsgenerator ausgewählte Handyvideos einer wildfremden Person vorgespielt. Wirkliche Einblicke in ihr Innenleben, oder eine Idee davon, wer sie abseits ihres kirchlichen Engagements ist, bekommt man nicht. Und selbst was genau ihren evangelischen Glauben ausmacht, wie er sich auf ihre Weltsicht auswirkt und beeinflusst, wie sie zu Themen wie Beziehung oder Sex steht – keine Ahnung. Wir erfahren es nicht. Stattdessen wird ein diffuses Gefühl von "Ist es nicht schön, wenn es jemanden gibt, der auf einen aufpasst?" weitergegeben. Womöglich in der Hoffnung, dass keiner der sinnsuchenden Teenies anschließend ins religiöse Kleingedruckte guckt.

Wenn dieses Schnarchfest mich von einem evangelischen Lifestyle überzeugen soll, schließe ich mich lieber einer abgedrehten Sex-Sekte an. Die wissen wenigstens, wie man sich interessant macht.

Gegen die Kampagne der Evangelischen Kirche wirkt sogar Sami Slimani echt

In einem ihrer Videos sagt Jana: "Wenn wir immer darauf warten, dass etwas Großartiges passiert, dann verpassen wir das Leben und all die kleinen Momente, die dazwischen wirklich schön sind." Sie klingt damit zwar wie YouTube-Selbstliebe-Guru Sami Slimani, doch selbst der wirkt mit seiner porenfreien Haut und den strahlend weißen Zähnen nahbarer und echter als die Studentin, die die menschliche Entsprechung eines Motivationskalenders mimt. Die Evangelische Kirche in Deutschland will vielleicht jung und aufregend wirken – aber eben nicht so aufregend, dass sich beim Sonntagsgottesdienst irgendjemand darüber echauffieren könnte. Selbst der christliche Blog Digitalmission stellte fest, dass das Ganze eher etwas von einer Kampagne habe als von einem "organischen Gewächs". Kein Wunder, dass die Massen-Missionierung über die sozialen Medien bisher nur bedingt erfolgreich zu laufen scheint.

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Janas YouTube-Kanal hat aktuell etwas über 500 Abonnenten. Das meistgeklickte Video, in dem sich die Studentin vorstellt, hat um die 3.000 Aufrufe. Die Facebook-Seite "Jana glaubt" zählt rund 370 Likes und 430 Follows, dem Instagram-Kanal folgen gut 500 Menschen. Das dürfte aus Sicht der EKD eher enttäuschend sein, schließlich versprechen die Online-Spezialisten von Mediakraft auf ihrer Website "einzigartige Expertise in den Bereichen Kreation und Optimierung von Online-Video- und Social-Media-Angeboten".

Die Facebook-Seite eines anderen EKD-Angebots, Evangelisch.de, hat immerhin über 50.000 Likes – und kein fotogenes, junges Gesicht, das Nutzerinnen und Nutzer direkt ansprechen und zur Interaktion ermutigen soll. Auf Instagram folgen Evangelisch.de 3.500 Nutzer, gepostet werden vor allem etwas altbacken in Szene gesetzte Bibelsprüche. Deutlich jünger stellt sich Evangtastisch auf:

Das klingt jugendlich und wird mit ordentlich Hashtags garniert (#WWJD, #instaclassics), spricht bis heute auch gerade einmal 390 Follower an. Auch die christliche Entsprechung zum Postillon, die Satireseite Theoleaks, hat in den sozialen Medien eine eher überschaubare Anhängerschaft. Auf Facebook haben nicht einmal 3.000 Menschen die Seite gelikt.

Die einzige Sinnfrage, die sich stellt: Was soll das alles?

Funktioniert Christentum im Internet also einfach nicht? Oder sind diesbezügliche deutsche Angebote einfach zu angestrengt locker?

Im Fall von Jana stellt sich schlussendlich vor allem die Frage nach der Sinnhaftigkeit ihres Kanals. Wer nicht explizit nach Begriffen wie "Gott", "Glaube" oder "Religion" sucht, wird wohl kaum auf eines der Videos klicken. Und wer klickt, muss wahrscheinlich nicht mehr überzeugt werden. Ihre Vlogs sind auf den ersten Blick ideologisch neutral, bleiben aber beeindruckend ereignislos. Jana lacht, Jana betet, Jana ist aufgeregt. Jana spricht (abseits der Kamera) mit Menschen über Religion und erklärt dann anschließend (in die Kamera), dass sie mit Menschen über Religion gesprochen hat. Wäre es interessant gewesen, diese Diskussionen zu zeigen? Zumindest interessanter, als die Versammlungsräume christlicher Gemeindehäuser abzufilmen.

Am Ende ist das Projekt Jana vor allem ein aufschlussreicher Einblick in eine Lebensrealität, die so gar nichts mit Millennial-Klischees und vermeintlich oberflächlichen Nachwuchs-Kapitalisten zu tun hat. Offensichtlich gibt es junge Menschen in Deutschland, deren Leben sich primär um Gott dreht. Sie existieren nur außerhalb unserer Wahrnehmung. Während wir im Berghain durchmachen oder bei Starbucks unsere falsch geschriebenen Namen abfotografieren, sitzen sie nämlich in Bars und spielen Gesellschaftsspiele.

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