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Popkultur

Berlinale-Gewinner stirbt verarmt, nachdem er sogar seine Trophäe verkaufen musste

2013 gewann Nazif Mujić den Silbernen Bären. Doch sein Leben blieb hart.
Nazif Mujić mit seinem Silbernen Bären | Foto: imago | Xinhua 

Viele Menschen, denen es schlecht geht, hoffen auf das eine große Ding, um ein neues Leben zu beginnen. Einmal einen Coup landen, von der ganzen Welt dafür gefeiert werden und danach ganz andere Möglichkeiten haben – das wärs doch. Nazif Mujić hat einen solchen Coup gelandet. Er gewann 2013 den Silbernen Bären als Bester Darsteller bei der Berlinale und wurde dafür in seinem bosnischen Heimatdorf wie ein Volksheld gefeiert. Nur fünf Jahre später starb er dort, krank und pleite. Er wurde 48 Jahre alt.

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"Mit großem Bedauern haben die Internationalen Filmfestspiele Berlin erfahren, dass Nazif Mujić am 18. Februar 2018 verstorben ist", ist auf der Website der Berlinale zu lesen. So nüchtern dieser Satz klingt, so dramatisch war Mujićs Kampf um ein einigermaßen würdiges Leben.

Schon vor seinem großen Erfolg lebte Mujić, Angehöriger der Roma-Minderheit, im Dorf Svatovac in Bosnien-Herzegowina davon, dass er Altmetall sammelte und weiterverkaufte. So versorgte er auch seine Frau und seine drei Kinder, einen Sohn und zwei Töchter. Sein Schicksal schien sich zum Besseren zu wenden, als der Filmemacher Danis Tanović ihn zum Hauptdarsteller seines dokumentarischen Dramas Aus dem Leben eines Schrottsammlers machte.

Als er für diese Rolle auf der Berlinale ausgezeichnet wurde, hoffte Mujić, mit seiner Familie in Deutschland bleiben zu können. Doch er wurde als Wirtschaftsflüchtling eingestuft, nur für kurze Zeit geduldet und musste das Land wieder verlassen. Dabei hatte er laut Tagesspiegel sogar seine Trophäe zum Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) mitgebracht und sie als das "wichtigste Dokument" seines Asylantrags bezeichnet. Die Berlinale-Leitung hatte Mujić einen Anwalt besorgt, der auf Asylrecht spezialisiert war, aber auch das brachte in seinem Fall keine Wende.

Mujić in seiner Heimat | Foto: imago | Pixsell

2017 verkaufte er seine Trophäe für 4.000 Euro an einen lokalen Barbetreiber: "Ich habe zuerst ein altes Auto verkauft, dann ein paar persönliche Sachen, dann war der Bär dran", erzählte er damals laut der Nachrichtenagentur AFP. Das sei ihm zwar "sehr schwer" gefallen, aber seine Kinder hätten seit drei Tagen fast nichts zu essen gehabt. Der Barbetreiber gab damals an, den Silbernen Bären überhaupt nur gekauft zu haben, um Mujić zu helfen.

Sinti und Roma werden in vielen europäischen Ländern diskriminiert. Laut dem Zentralrat der Sinti und Roma, einer deutschen Interessenvertretung der Minderheit, drohe ihnen "in ganz Europa Verfolgung, Marginalisierung und sozialen Ausschluss". Der Zentralrat kritisiert deshalb auch massiv, wie gering die Chancen von Sinti und Roma aus dem Westbalkan sind, in Deutschland erfolgreich Asyl zu beantragen.

Mujić soll sich nach Aussagen seines Bruders gegenüber der AFP große Sorgen um seine finanzielle Situation gemacht haben. Deshalb habe er zur gerade laufenden Berlinale fahren wollen, an den Ort seines größten Erfolgs, um über sein Schicksal zu reden. Doch dazu kam es nicht mehr.

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