Heterosexuell Analsex
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Sex

Hetero-Männer, lasst euch von hinten nehmen!

Dann macht ihr was gegen Homophobie und habt einen besseren Orgasmus.

Viel Gleitgel nehmen, nicht nur Spucke. Das ist wichtig. Denn so gelingt guter Analsex. Am besten mit dem Finger vorarbeiten, die Rosette etwas dehnen. Rimming hilft auch: Mit der Zunge um das zu penetrierende Objekt der Begierde, das Po-Loch, kreisen und immer wieder darin abtauchen. Entspannt den passiven Partner. Fühlt sich gut an. Feuchtet vor.

Dann, wenn das Vorspiel beendet ist, beide Partner richtig geil aufeinander sind, kann der eigentliche Akt beginnen. Gleitgel auf dem Finger, dem Penis, dem Dildo, der Gurke – was auch immer du benutzen möchtest – verteilen, zuvor den Anus mit Gleitgel vorbereiten und dann langsam, sehr langsam eindringen. Nicht zu viel Druck machen. Besonders nicht am Anfang. Der Anus ist empfindlich. Das kann, haha, schnell nach hinten losgehen.

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Analsex ist wahnsinnig stimulierend. Er lässt jeden Orgasmus für den Empfangenden zum Raketenflug werden. Dank der Prostata, die das milchig-weiße Sekret des Ejakulats herstellt. Eine Zentrale der Lust-Empfindung. Oder auch der “G-Punkt des Mannes“, wie es in einigen Online-Foren heißt.

Was diese Anleitung zum Analsex soll? Ich finde, dass sich ALLE Männer öfter mal ficken lassen sollten. Vor allem die Heteros.

Wie ich auf diesen Gedanken komme? Anlass dafür war ein Interview mit Umut Özdemir, Sexualpsychologe an der Charité in Berlin. Wir unterhielten uns über schwule Scham und ob es so etwas überhaupt gibt. Der amerikanische Autor und Psychologe Alan Downs hat darüber das Buch “The Velvet Rage” geschrieben. Demnach schämen sich schwule Männer ihrer Sexualität, weil sie in einer heterosexuellen Gesellschaft aufwachsen. Weil sie glauben anders zu sein, nicht wie die Heteros. Ergo: fehlerhaft.

Im Interview kamen wir darauf, dass heterosexuelle Menschen meist impulsiv an Analsex denken, wenn sie mit einem offen schwulen Mann reden. Woher das kommt, will ich von Özdemir wissen: “Ein Beispiel: Man sieht zwei eng umschlungene Männer und assoziiert, dass ganz oft die sexuelle Funktion des Mannes das Eindringen ist. Und dann fragt man sich: Wer dringt in wen ein? Sich penetrieren lassen ist ‘typisch’ weiblich und somit unmännlich oder gar ‘schwach’ in den Köpfen mancher Menschen.” Gesellschaften bewerten demnach in männlichen oder weiblichen Kategorien und vermischen die sexuelle Funktion mit der Geschlechtsidentität, so Özdemir.

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Das Schwache, das vermeintlich Weibliche ist etwas, das nicht zum Mann passt – so die Regel in unserer Kultur. Dieses Bild gab es bereits im Alten Rom und im Antiken Griechenland. Dort durften sich besser gestellte Männer sogenannte Lustknaben halten – junge, feminin wirkende Typen, die bereits geschlechtsreif waren. Der höhergestellte Mann durfte nur aktiv sein. Passiv war immer der Diener, der Sexsklave. Das Passivsein und das Männlichsein passten damals wie heute nicht zusammen.

Schaut man sich Gay-Pornos auf Pornhub an, lässt sich das römische Rollenbild wiederfinden. Genauso auf der Dating-App Grindr: junge, androgyne Männer, die passiv sind, den Blowjob machen, sich anal ficken lassen. Und eben der maskuline Typ, muskulös und mit Tattoos übersät – wie frisch aus dem Kollegah-Online-Seminar entlassen. Ein Boss. Ein Römer.

“Im Alten Rom hat man sich nicht über seine sexuelle Identität, wie schwul, lesbisch, hetero identifiziert oder definieren wollen, sondern die ausgeübte Geschlechtsrolle war wichtig. Ein Mann dringt ein und penetriert, eine Frau lässt eindringen und wird penetriert”, so Özdemir. Zwar definieren wir uns seit dem 19. Jahrhundert mehr und mehr über unsere sexuelle Identität und eben nicht mehr über die Geschlechtsrolle, dennoch sind weiterhin Vorurteile über Analsex vorhanden.

Analsex ist mit Scham behaftet. Es geht um das Eindringen an einem sehr verwundbaren, empfindsamen Punkt. Für Frauen ist das okay, für Männer nicht. Es ist okay, wenn ein Mann eine Frau anal nimmt. Es ist vielleicht auch noch okay, wenn ein Mann bisexuell ist und aktiv beim Analsex ist. Passiv zu sein, sich als Mann hinzugeben und sich auf eine gewisse Art und Weise angreifbar und verletzlich zu machen, das ist nicht okay. Und genau das muss sich ändern.

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Würden wir Analsex als normal ansehen, so wie Oralverkehr oder eben Vaginalverkehr, wäre der “Poposex” nicht mehr exzentrisch und außerordentlich, sondern einfach zum Vergnügen da. Zur Intimität zwischen zwei Menschen. Für geilen Sex. Es muss nicht immer um die Fortpflanzung gehen. Beim Blowjob zwischen Mann und Frau schreit ja auch keiner: “Damit macht ihr aber keine Babys!”

Weil die Gesellschaft jedoch so ist, wie sie ist, stehen wir uns selbst im Weg – und all den Männern da draußen, die sich noch nie beim Wichsen den Finger in den Hintern gesteckt haben. Umut Özdemir glaubt, dass es bereits hilft, auf die negative Einstellung aufmerksam zu machen: “Ich glaube, dass die Aneignung eines ursprünglich abwertend konnotierten Begriffs wie ‘bottom’, um den beim Analverkehr passiven Schwulen zu bezeichnen, und eine positive Umdeutung sowie Selbstbezeichnung als Analverkehr-Passiver in ‘Ich bin bottom’ oder ‘Powerbottom’, dazu beitragen kann, dass sich Wortbedeutungen und somit mentale Repräsentationen in unseren Köpfen verändern können.”

Das ist wichtig, weil die bisherige Einstellung zum Analsex einer Homonegativität in die Hände spielt. Schwule Männer werden gerne als "falsch" und unmännlich angesehen. Als Frauen. Als schwach. Weil sie passiv beim Sex sind, wenn sie es mögen. Das ist schade, da es doch sehr große Eier braucht, um sich anal nehmen zu lassen.

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