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Pressefreiheit

Die Polizei hatte beim G20-Gipfel eine Schwarze Liste mit Namen von Journalisten

Und womöglich hatte auch die Türkei die Finger im Spiel.

Angela Merkel hielt gerade die Auftaktrede zum G20-Gipfel in den Hamburger Messehallen, da verbreitete sich am Freitagnachmittag die Nachricht: Das BKA verweigert Journalisten den Zugang zur Veranstaltung – obwohl diese Akkreditierungen dafür besitzen. "Wir müssen uns aufeinanderzubewegen, dürfen uns aber nicht verbiegen", sagte die Kanzlerin drinnen, während vor dem Gelände junge Polizisten mit abgegriffenen Zetteln standen. Darauf die Namen von 32 Journalisten, die nicht mehr hineindurften. Beamte überprüften bei jedem Medienvertreter zuerst, ob er auf der Liste stand, bevor sie ihn durchließen. Dem WDR-Korrespondenten Arnd Henze sagte eine Polizistin: "Da möchten Sie nicht draufstehen."

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Mühe, die Liste geheim zu halten, gab sich offenbar niemand. Journalisten berichteten, sie hätten die alphabetisch sortierten Namen lesen können, die ARD filmte sogar ganz offen und aus direkter Nähe. Auch scheint es, als sei die Liste vielfach geteilt worden. Viele Polizisten am Pressezentrum hielten sie in der Hand. Wie die ARD berichtet, hatten die Beamten nach eigener Auskunft weder Anweisung, sie diskret zu benutzen, noch sie nach Gebrauch zu entsorgen.

Der Hamburger Datenschutzbeauftragte Johannes Caspar sagte der ARD: "Sobald sich die Betroffenen namentlich auf entsprechenden Sperrlisten finden, die wie Handzettel quasi offen einsehbar kursieren, hat dies einen offen diskriminierenden Charakter."

Als einer der ersten verlor Rafael Heygster, ein Fotograf des Weser Kuriers, seine Akkreditierung . Kurz später traf es auch den freien Fotografen Björn Kietzmann.

Unklar ist nach wie vor, welche Rolle das Bundeskriminalamt und das Bundespresseamt genau gespielt haben. In einem Tweet äußerte sich das BKA nur unkonkret zu den Vorkommnissen: Sicherheitsbehörden würden prüfen, "ob sicherheitsrelevante Erkenntnisse vorliegen, die gegen eine Akkreditierung sprechen […] Das war in einigen Fällen gegeben."

Sprich: Personen auf dieser sogenannten Schwarzen Liste stellen, so die Ansicht des BKA, ein Sicherheitsrisiko dar. Die ARD nennt es einen "massiven Eingriff in das Grundrecht auf Pressefreiheit" und "eine der brisantesten Listen, die je zusammengestellt wurde".

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Regierungssprecher Steffen Seibert zufolge wurden neun Journalisten die Akkreditierungen abgenommen, die anderen 23 seien nicht am Pressezentrum erschienen.

Meedia berichtet, dass laut Verdi die betroffenen Journalisten entweder für linkspolitisch einzuordnende Publikationen arbeiten würden oder in der Vergangenheit möglicherweise in Verwaltungsverfahren verwickelt gewesen seien – beispielsweise bezüglich ihrer Berichterstattung über Demonstrationen.

Dabei hatte es schon beim Akkreditierungsverfahren eine umfangreiche Sicherheitsüberprüfung gegeben, die alle Journalisten, welche schließlich auf der Liste landeten, bestanden hatten. Der Fotograf Rafael Heygster erhielt sogar Zugang für das Konzert in der Elbphilharmonie mit den Staats- und Regierungschefs. Und ein anderer betroffener Fotograf begleitete nach ARD-Informationen die Ankunft von Donald Trump auf dem Rollfeld des Flughafens. Es wirkt recht windig, wenn Journalisten zu solchen Hochsicherheitsveranstaltungen vorgelassen werden, und man ihnen dann die Akkreditierung aufgrund von "sicherheitsrelevanten Erkenntnissen" entzieht.

Heygster erhielt lediglich ein Schreiben, in dem es heißt: "Im Zuge der Personenüberprüfung […] wurde festgestellt, dass dem Bundeskriminalamt Informationen zu ihrer Person vorliegen. Im Rahmen der Erheblichkeit und Relevanz dieser Informationen wurde […] entschieden, Ihnen den Zugang zur Veranstaltung zu verweigern, die Akkreditierung zu entziehen und Sie von der Veranstaltung auszuschließen."

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Ähnliche Schreiben erhielten auch die Fotojournalisten Chris Grodotzki und Björn Kietzmann . Die ARD bewertet dies als auffällig, da beide 2014 in der Türkei festgenommen wurden, nachdem sie Gefechte um die syrische Grenzstadt Kobane fotografiert hatten. Der Verdacht: Die nun aufgetauchten Erkenntnisse stammen nicht vom BKA, sondern vom türkischen Geheimdienst.

"Es wäre ungeheuerlich, wenn die Daten über Journalisten an Nachrichtendienste autoritärer Regime übermittelt worden wären", erklärte der frühere Bundesdatenschutzbeauftragte Peter Schaar gegenüber dem ARD-Hauptstadtstudio. "Völlig unakzeptabel wäre es auch, wenn Journalisten von der Gipfelberichterstattung allein auf Grund der Wünsche derartiger Regierungen ausgeschlossen worden wären."

Schaar sagte auch, dass dem gesamten Akkreditierungsverfahren die verfassungsrechtlich gebotene Grundlage fehle.

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