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Rechtsextremismus

In der Fußball-Oberliga haben sich Zuschauer mit einer Holocaust-Leugnerin solidarisiert

Steckt die neonazistische Partei "Die Rechte" hinter dem Transparent?
Screenshot: Twitter| @ultrapeinlich

Erst vor ein paar Monaten veröffentlichte der Fußball-Fünftligist SpVg Hamm eine Pressemitteilung, in der er für "offensive Völkerverständigung" warb. Darin stand, wie wichtig es sei, "offen für Bürger der Stadt unabhängig von Nationalität und Glaube" zu bleiben. Fünf Monate später, am vergangenen Pfingstmontag, hängt im Stadion des Vereins ein Transparent, das zumindest daran zweifeln lässt, ob der Verein wirklich so bunt und tolerant ist, wie sich das die Verantwortlichen wünschen.

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Am vorletzten Spieltag der Oberliga Westfalen gastierte die Hammer Spielvereinigung im Gütersloher Heidewaldstadion. 307 Zuschauer waren gekommen, Gütersloh und Hamm trennten sich bei sommerlichen 26 Grad 1:1. Für den "Höhepunkt" der Partie sorgten aber nicht Bananenflanken und Tempodribblings, sondern ein Plakat im Gästeblock: In der zweiten Halbzeit entrollten Leute im Fanblock von Hamm ein gelbes Transparent, auf dem sie in großen Buchstaben "Freiheit für U. Haverbeck" forderten. Über dem Banner spannten sie schwarz-rot-weiße Reichsfahnen auf, parallel dazu entzündeten sie Pyrotechnik.

Mit "U. Haverbeck" ist Ursula Haverbeck gemeint, eine 89-jährige Holocaustleugnerin, die derzeit wegen acht Fällen der Volksverhetzung zwei Jahre lang in der JVA Bielefeld einsitzen muss. Haverbeck bezeichnete den Holocaust als eine "Propagandalüge" und bekräftigte mehrmals, dass ihrer Ansicht nach kein Mensch in Auschwitz vergast worden sei. In der rechtsextremen Szene gilt sie als zu Unrecht inhaftierte Heldenfigur. So schreibt etwa die NPD Mecklenburg-Vorpommern: "Vor Krawall-Asylanten weglaufen, aber die 89-jährige Ursula Haverbeck verhaften – so mutig ist die BRD-Polizei".

Hamm als Neonazi-Hochburg

Doch wie war das braune Banner in das Stadion des eigentlich bunten Vereins gekommen? "Nach unseren bisherigen Informationen handelte sich um vereinsfremde Personen", schreibt der Gastgeber aus Gütersloh auf Twitter, "diese sollen während des Spiels das Stadion betreten, das Banner aufgehängt und sich danach sofort entfernt haben." Die Polizei Gütersloh teilte laut Westfälischem Anzeiger mit, dass sie gegen sechs bis acht Personen ermittle. Diese seien dunkel gekleidet gewesen und hätten sich anschließend aus dem Stadion entfernt.

Bereits 2016 beschmierten Rechtsradikale ein Büro der Linken und eine Moschee in Hamm mit Hakenkreuzen und "Volksverräter"-Parolen. Laut dem Lotta-Magazin, einem antifaschistischen Watchblog, gilt Hamm als "Hochburg der Neonazis". Die Oberliga nutzen Neonazis dabei als "Agitationsfeld". Laut der Antifa Hamm brüllten Fans bei Spielen gegen den SV Lippstadt Parolen wie "SV Lippstadt, Jude, Jude, Jude" oder "Frei, sozial, national". Erst letztes Jahr verhängte der Verein Stadionverbote gegen eigene Fans, weil diese rechte Parolen skandiert und Hitlergrüße gezeigt haben sollen.

Möglicherweise stehen Anhänger der Partei Die Rechte hinter der Aktion. Die Rechte stellt einen Stadtrat in Hamm, den ehemaligen Kameradschaftler Dennis Möller. Die Partei nominierte Haverbeck als Kandidatin für die Europawahl 2019. Aktuell nutzt sie jede Gelegenheit, um sich mit der 89-Jährigen zu solidarisieren. So versammelte die Partei am 10. Mai 350 Anhänger in Bielefeld, um gegen die Inhaftierung Haverbecks zu protestierten. Zuletzt bewarb sie die Kampagne "Freiheit für Ursula". Auf Twitter nannte die Partei das Banner im Gütersloher Stadion eine "schöne Sache". Die Rechte ist eine Kleinstpartei mit einigen hundert Mitgliedern. Sie sitzt in keinem Landtag, das Innenministerium Nordrhein-Westfalens kann sie aber nicht verbieten, weil das Grundgesetz sie durch das "Parteienprivileg" schützt.

Durch das Unentschieden verlor Hamm übrigens die Chance, in die Regionalliga-West aufzusteigen. Vorerst bleiben der vierten Liga in Nordrhein-Westfalen also rechte Parolen, Solidaritätsbekundungen mit Holocaust-Leugnern und Reichsfahnen von Hamm-Fans – oder solchen, die sich in ihre Reihen stellen – erspart. Der Verein kann ein weiteres Jahr in der Oberliga-Westfalen nutzen, um sich gegen rechtsextreme Fans und für eine bunte Gesellschaft zu positionieren.

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