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Eine CDU-Landrätin rechtfertigt die versuchte Abschiebung einer schwangeren Iranerin

Stell dir vor, du bist schwanger, zuckerkrank und wirst in einem Krankenhaus behandelt – und sollst in einer Nacht-und-Nebel-Aktion ausgeflogen werden.
Eine Mutter schiebt den Kinderwagen, der Vater trägt ein Kleinkind.
Symbolbild einer Familie mit Kleinkind und Kinderwagen | Foto: imago | Bernd Friedel

Es gibt Dinge, die eigentlich so selbstverständlich sein sollten, dass man sie gar nicht aufschreiben muss: Dazu gehört, dass Behörden auf die Gesundheit eines Menschen Rücksicht nehmen. Dass sie eine Frau nicht genau dann abschieben, wenn sie hochschwanger und krank im Krankenhaus liegt. Das sah jedoch die Ausländerbehörde im Kreis Mainz-Bingen im Falle einer schwangeren Iranerin anders. Und wie wir seit Montag wissen: Auch eine CDU-Landrätin teilt diese Meinung.

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Am 17. Oktober lag die 29-Jährige in der Mainzer Unimedizin und wurde wegen Diabetes stationär behandelt. Bei der Frau handelt es sich um eine iranische Asylbewerberin, die einen eineinhalbjährigen Sohn hat und die gerade im vierten Monat schwanger ist. Der Asylantrag ihres Mannes wurde abgelehnt, auch die Familie sollte abgeschoben werden. Vor drei Wochen, am Abend des 17. Oktobers, betraten deshalb zehn bis zwölf Polizistinnen und Mitarbeiter das Krankenhauszimmer, um die Frau nach Hannover zu transportieren und im Anschluss nach Kroatien auszufliegen, wo die 29-Jährige mit ihrer Familie einen ersten Asylantrag gestellt hatte.

Dazu kam es nicht. Nachdem die Frau zum Flughafen Hannover gebracht worden war, sei es zu "Widerstandshandlungen" gekommen, "weshalb die Abschiebung abgebrochen werden musste", teilte der Kreis Mainz-Bingen mit. Laut SWR soll zudem der Pilot abgelehnt haben, die Familie zu befördern. Womöglich auch, weil das Krankenhaus erhebliche Zweifel an der Reisefähigkeit der Frau angemeldet hatte, wie der Direktor der Unimedizin dem SWR sagte.

Am 2. November machten zwölf zivilgesellschaftliche Initiativen, darunter der Flüchtlingsrat Rheinland-Pfalz, den Abschiebesversuch publik. In einem offenen Brief heißt es, dass eine "nächtliche Abschiebung aus einem Krankenhaus" einen "Tabubruch" darstelle, "der sich nicht wiederholen darf".

Wer jetzt glaubt, dass solches Behördenverhalten einen handfesten Skandal für ein Land darstellt, dessen Vertreter immer wieder gerne betonen, humanitär handeln zu wollen, liegt falsch. Und so geht die Geschichte in die zweite Runde. Es hat sich nämlich die CDU-Landrätin Dorothea Schäfer geäußert, die Politikerin also, die für die Abschiebung zuständig ist.

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"Das alles ist rechtmäßig abgelaufen"

Nun könnte man erwarten, dass sich eine Politikerin zunächst einmal entschuldigt, dass eine Mutter in spe mit erhöhten Zuckerwerten dazu gezwungen wurde, über Nacht das Land zu verlassen. Selbst wenn man glaubt, dass die Abschiebung mittelfristig durchgesetzt werden müsste, gäbe es Wege, dies mit Empathie zu kommunizieren – und trotzdem Fehler einzugestehen.

Stattdessen sagte Schäfer am Montag, dass man natürlich schon sagen müsse, "dass das alles rechtmäßig abgelaufen ist". Die Ausländerbehörde sei "in der Verpflichtung, diese Abschiebung vorzunehmen". Aber man habe, so Schäfer, inzwischen auch andere Dinge besprochen, "nämlich die der Sensibilisierung".

Anscheinend wurde jedoch nicht besprochen, ob es generell die beste Idee sei, schwangere und kranke Frauen mitsamt ihrer Familie abzuschieben. Wie die Behörden mitteilten, ist die nächste Abschiebung im Dezember geplant. Es ist davon auszugehen, dass die Frau auch dann noch schwanger sein wird. Im sechsten Monat.

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