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The Up in Flames Issue

40 Jahre Arena: Wiens besetzte Häuser

Eine Spurensuche zum runden Geburtstag der Arena Wien.
Ein ausverkauftes Open-Air auf dem Areal in der Baumgasse. Alle Fotos von der Arena Wien

Aus der Up In Flames Issue.

Die Atmosphäre ist stickig und eng im Wien des Jahres 1976. Es gibt kaum Lokale für junge und alternative Menschen, es gibt fast keine Freiräume, um 20:00 Uhr wird der Gehsteig hochgeklappt. Nun soll auch noch der alte Schlachthof in St. Marx abgerissen werden, wo bis vor kurzem noch Theater-Veranstaltungen stattfanden. Ein neues Modecenter soll an dieser Stelle gebaut werden. Doch für viele AktivistInnen ist klar, dass sie das nicht zulassen werden.

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Es gibt sehr schnell massive Proteste gegen den geplanten Abriss des sogenannten Auslands-Schlachthofs im dritten Wiener Gemeindebezirk. Nach intensiven Diskussionen im Juni 1976 wird das gesamte Gelände schließlich für mehrere Monate besetzt. Große Teile der Wiener Kunst- und Kulturszene und auch breite Teile der Bevölkerung solidarisieren sich mit dem neuen Freiraum—der „Arena".

Der Kampf um die Arena wird dabei auch als Kampf um die Stadt insgesamt verstanden. „Bei uns hat's a Sau viel besser als a Mieter im Gemeindebau", sagt etwa ein hemdsärmeliger bärtiger Mann in die Kameras des ORF. Mehr als 200.000 Menschen sollen das Gelände während der Besetzung besucht haben. Es gibt laufend Konzerte auf dem Gelände, es entstehen Schlafräume, Musik-Bühnen, ein Theater und eine umfangreiche Infrastruktur. Es entwickelt sich ein Stück gelebte Utopie.

Der Kampf um die Arena ist zu diesem Zeitpunkt Teil einer weit größeren Bewegung in Wien und ganz Europa. Es geht um Freiräume, es geht um Kommerzialisierung. Es geht um die Frage, für wen die Stadt da ist. Ein Jahr zuvor gab es auch in Wien bereits eine erste erfolgreiche Besetzung: Am Spittelberg in Wien-Neubau wurde das Kulturzentrum Amerlinghaus gegründet. Die Stadtregierung geriet zusehends unter Druck. Schließlich wurde zwar der Auslands-Schlachthof in St. Marx abgerissen, doch dafür bekamen die BesetzerInnen von der Stadt Wien den benachbarten Inlands-Schlachthof zur Verfügung gestellt. Die Arena in ihrer heutigen Form war geboren.

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Der alte Schornstein ist das Wahrzeichen der Arena.

In diesen Tagen feiert die Arena ihren 40. Geburtstag. Die Arena gilt heute als Institution und Fixpunkt in der Wiener Kunst- und Kulturszene. Rund 300.000 Menschen besuchen jedes Jahr Konzerte und Partys auf dem großen Areal in der Baumgasse. Bis zu 3000 Menschen sind bei Open-Air-Konzerten zugelassen—dazu gibt es eine Halle für 1000 Menschen, zwei kleinere Hallen sowie ein Beisl. Hinter den Kulissen gibt es mehrere große Backstage-Bereiche, Proberäume und sogar eine eigene Küche, die das Catering für die Bands und Crews zur Verfügung stellt.

Doch was ist heute von der Besetzung übrig geblieben? „Wir sind bis heute ein selbstverwaltetes Zentrum und wir haben ganz klar auch einen politischen Anspruch", sagt Peter Hanzl von der Arena. Entscheidungen in der Arena werden bis heute demokratisch getroffen. Alle Arbeitsgruppen sind gleichberechtigt und können mitbestimmen, der Putztrupp hat dabei genauso Stimmrecht wie der Obmann.

Hanzl erzählt, dass sehr viele politische Aktivitäten, die in der Arena stattfinden, in der breiteren Öffentlichkeit gar nicht so wahrgenommen werden. „Die Unterstützung für Flüchtlinge ist für uns etwa aktuell ein großes Thema", sagt er. „Bei uns gibt es Deutsch-Kurse, wir sammeln Kleidung und wir veranstalten auch Solidaritäts-Events." Dabei kämen durchaus relevante Summen zusammen: „Allein bei einem Event konnten wir 35.000 Euro an Spenden für Flüchtlinge einnehmen", so Peter Hanzl.

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„Für uns sind das selbst auch immer wieder sehr spannende Erlebnisse", erklärt er weiter—und erzählt etwa von Menschen, die in den 1990er Jahren aus dem Bosnien-Krieg geflüchtet sind und sich jetzt selbst in der Hilfe für Flüchtlinge engagieren. „Das ist dann gar nicht das klassische Arena-Publikum. Als da dutzende bosnische Familien gemeinsam für Flüchtlinge gekocht haben, war das schon sehr beeindruckend."

Den politischen Anspruch teilt die Arena mit anderen besetzten Freiräumen in Wien. Vor allem das Amerlinghaus steht dafür immer wieder in der Öffentlichkeit. Das Haus am Wiener Spittelberg wurde bereits ein Jahr vor der Arena besetzt und ist damit das älteste heute noch bestehende besetzte Haus der Bundeshauptstadt. Lisa Grösel, eine der Mitarbeiterinnen des Hauses, erzählt, dass zur Zeit der Besetzung der Spittelberg noch ein klassisches Arme-Leute-Viertel mit proletarischer Bevölkerung und vielen MigrantInnen war. „Heute steigen sich hier Bobos und Hipster auf die Zehen", sagt sie. „Das Kulturzentrum ist in dieser Umgebung so etwas wie das gallische Dorf aus den Asterix-Bänden."

Bis heute ist „das Amerling" ein Zentrum für kulturelle und politische Aktivitäten. Konservative und Rechte hassen das Haus, der FPÖ ist das Kulturzentrum in fast jeder größeren Postwurfsendung einen eigenen Artikel wert, jedes Jahr gibt es im Wiener Gemeinderat wüste Debatten um die Vergabe der Subventionen. Kein Wunder, wird der politische Anspruch im Haus doch großgeschrieben: „Wir wollen Freiräume und wir leisten Widerstand gegen soziale Verdrängung", so Grösel.

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Arena und Amerlinghaus waren zur Zeit der Besetzung Teil einer weit größeren Bewegung. 1968 gab es eine weltweite Revolte gegen den Vietnam-Krieg, gegen alte und neue Nazis, gegen den Kapitalismus. Im internationalen Vergleich war es in Österreich zwar relativ ruhig geblieben—der Wiener Historiker Fritz Keller nannte sein Buch über diese Zeit nicht zufällig „Eine heiße Viertelstunde"—, doch auch in Österreich politisierte sich eine ganze Generation.

Viele—vor allem junge—Menschen suchten nach Alternativen zum herrschenden System. Es entstanden neue politische Organisationen, etwa die TrotzkistInnen der „Gruppe revolutionärer Marxisten", die versuchten, sich in Großbetrieben zu verankern und dabei auch einige Erfolge hatten. Andere begannen sich mit Umwelt-Fragen zu beschäftigen und standen später an der Wiege der Grün-Bewegung.

Einige wollten das System von innen verändern und starteten den „Marsch durch die Institutionen". Das endete allerdings zumeist damit, dass sich zwar die Marschierenden am Weg nach oben veränderten, die Institutionen aber gleich blieben. Manche wurden militant und gingen in den Untergrund. In Deutschland entstanden die RAF und die Bewegung 2. Juni, in Italien die Roten Brigaden, in den USA die Black Liberation Army und die Weathermen (der etwas ungewöhnliche Name entstand nach einem Song von Bob Dylan). Auch in Österreich hinterließ der revolutionäre Untergrund mit der Entführung des Industriellen Walter Palmers seine Spuren. Gar nicht so wenige ehemalige AktivistInnen endeten auch in Drogen und Esoterik.

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Und schließlich beschlossen einige, für eigene Freiräume zu kämpfen und begannen, Häuser zu besetzen. Den ersten beiden erfolgreichen Besetzungen—des Amerlinghaus und der Arena—folgte 1981 die Besetzung einer ehemaligen Schule im 9. Bezirk. Das Kulturzentrum WUK, das aus dieser Besetzung entstand, galt allerdings als recht brav und achtete auf ein gutes Verhältnis zur Stadtregierung.

Grafik: VICE Media

Im WUK gab es immer wieder Konflikte mit anderen AktivistInnen, einige BesetzerInnen sollen sogar von einem privaten Sicherheitsdienst aus dem WUK vertrieben worden sein. Heute ist das WUK ein beliebtes Veranstaltungszentrum mit kulturellem Schwerpunkt. Bis heute gibt es im Haus aber auch Platz für politische Aktivitäten. So gilt etwa das FrauenLesbenMädchenZentrum „FZ" im WUK wichtiger Vernetzungsort für linke und feministische Frauen in Wien.

Auch Schwulen- und Lesbengruppen forderten nun eigene Räume. Nur ein Jahr nach dem WUK wurde die Rosa-Lilla-Vila besetzt. Ursprünglich sollte an der Wienzeile eine neue Parkgarage entstehen, doch in zähen Verhandlungen mit der Gemeinde konnte ein Zentrum für Lesben, Schwule und Transpersonen etabliert werden. Die Villa ist heute für die LGBTI-Community in Wien die zentrale Anlaufstelle mit Beratungszentrum, Café und Wohnmöglichkeiten.

Bereits seit 1983 besteht im gleichen Viertel auch das Kinderhaus Hofmühlgasse. Die Hofmühlgasse beherbergt unter anderem eine Alternativschule, die aus dem besetzten Kulturzentrum „Gaga" entstand. Als das Zentrum in der Gassergasse im fünften Bezirk im Juni 1983 nach einer brutalen Polizei-Räumung abgerissen worden war, standen auch die Kindergruppe und die Alternativschule des Zentrums plötzlich auf der Straße. Durch eine neuerliche Besetzung konnte zumindest für die Kinder aus der Gaga mit der Hofmühlgasse eine Lösung gefunden werden.

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Noisey: Wiens schwule Partyszene

Die „Erwachsenen" aus der Gaga besetzten nach der Räumung gleich zwei benachbarte Häuser ganz in der Nähe des Westbahnhofs, die Aegidigasse 13 und die Spalowskygasse 3. Das Zentrum Aegidi/Spalo wurde allerdings 1988 wiederum äußerst brutal geräumt, die Polizei soll dabei die BesetzerInnen durch eine regelrechte „Prügelstraße" getrieben haben.

Aus der Räumung der „Aegidi/Spalo" entstanden drei noch heute aktive Projekte. Zwei davon sind aus der aktuellen Wiener Kultur-Landschaft kaum wegzudenken: 1990 besetzte eine Gruppe das KPÖ-Arbeiterheim in Favoriten und gründete dort das EKH. Benannt wurde das Haus nach dem Kommunisten und Widerstandskämpfer Ernst Kirchweger, der 1965 bei einer antifaschistischen Demonstration von einem Neonazi niedergeschlagen worden war und dabei so schwer verletzt wurde, dass er zwei Tage später verstarb. Diese Besetzung war innerhalb der linken Szene allerdings durchaus umstritten: Einige meinten etwa, dass das Haus ohnehin kaum genützt würde und daher die Besetzung legitim sei, andere kritisierten, dass es besser wäre, Häuser zu besetzen, die privaten Spekulanten gehörten.

Nach jahrelangen Auseinandersetzungen zwischen BesetzerInnen und KPÖ verkaufte die Partei das Haus dann zuerst an Christian Machowetz, dem allerdings der Vorwurf gemacht wurde, mit der rechtsextremen Szene in Verbindung zu stehen. Wenig später übernahm der SPÖ-nahe Bauträger Porr das Haus, der es bald an „Wien House" weiterverkaufte, eine Tochter-Gesellschaft der Stadt Wien. Bis heute steht das EKH als linkes politisch-kulturelles Zentrum im Blickpunkt, immer wieder gibt es auch Angriffe von Rechtsextremen und Neonazis auf das Haus.

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Erste Instandsetzung-Arbeiten nach der Besetzung des Geländes.

Die sogenannte „Kulturfraktion" aus der Aegidigasse hingegen setzte auf ein anderes Projekt. In der Arndstraße in Wien-Meidling wurde ein Lokal mit dem eingängigen Namen „Flex" gegründet. Allerdings waren die Räumlichkeiten für diese Art Lokal nicht geeignet und es gab laufend Probleme mit AnrainerInnen und der Polizei. Zusätzlich gab es auch noch Stress, als direkt gegenüber ein Nazi-Treffpunkt etabliert wurde und immer wieder Neonazis aus der Umgebung vertrieben werden mussten.

Schließlich wurde überlegt, einen vor allem infrastrukturell besser geeigneten Ort zu finden. Der damals völlig versiffte Donaukanal setzte sich schließlich trotz Widerstand aus ÖVP und FPÖ als Ort für das heute noch bekannte Flex durch. Der Rest ist sozusagen Geschichte, inklusive enormer Erfolge, Konkurs und Kritik an der Kommerzialisierung des einst alternativen Projekts.

Aus der Aegidi/Spalo entstand aber noch ein drittes Projekt, das kaum bekannt ist. Einige BesetzerInnen waren bereits vor der Räumung ausgezogen und konnten in zähen Verhandlungen mit der Gemeinde in der Turnergasse in Wien 15 ein Wohnprojekt verwirklichen, das bis heute besteht. Seit 2005 haben die MieterInnen unbefristete Verträge, die Häuser wurden liebevoll hergerichtet. Auf ihrer Page beziehen sich die BewohnerInnen offen auf ihre Geschichte aus der Aegidi/Spalo und bieten auch an, ihre Erfahrungen mit selbstverwaltetem Wohnen an andere weiterzugeben.

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Der Autor Robert Foltin, der sich intensiv mit der Geschichte sozialer Bewegungen in Österreich auseinandergesetzt hat, berichtet von weiteren Wohnprojekten, die in dieser Zeit aus Besetzungen entstanden sind. Eines in der Dornbacher Straße, ebenfalls gegründet aus der Aegidi/Spalo, ein zweites in der Myrthengasse in Wien-Neubau als Ergebnis einer früheren Besetzung. Ob diese Projekte heute noch bestehen und wo sie genau sind, ist allerdings unklar.

Ebenfalls nicht mehr klar nachvollziehbar ist die Geschichte des Tüwi in Wien Döbling. Das Tüwi ist ein selbstverwaltetes StudentInnenbeisl, vor allem für die Studierenden der benachbarten Universität für Bodenkultur, das seit 1986 mit Unterbrechungen besteht. Ein Tüwi-Aktivist erzählt, dass heute nicht mehr klar sei, ob am Anfang des Tüwi eine Besetzung stand—konfliktfrei aber sei die Etablierung des Tüwi keinesfalls verlaufen: „Was wir auf jeden Fall wissen, ist, dass es starken Druck brauchte, um den Raum für die Studierenden zu sichern." Wie es mit dem Tüwi weitergeht, ist offen. Derzeit steht ein Abriss des Gebäudes im Raum. Eine Initiative versucht aktuell, Widerstand dagegen zu organisieren.

Klar ist hingegen, dass es in Wien seit den 1990ern keine erfolgreiche langfristige Hausbesetzung mehr gibt. Der Hintergrund ist eine offensichtliche Änderung der politischen und polizeilichen Strategie. Wurden früher Besetzungen oft eine Zeit lang geduldet, wird jetzt üblicherweise sofort geräumt, bevor sich (Solidaritäts-)Strukturen entwickeln können. Eine Ausnahme der jüngeren Zeit stellte dabei das „Epizentrum" dar, das 2011 für 25 Tage einen Freiraum nahe der Mariahilfer Straße etablierte.

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In jüngster Zeit ebenfalls bekannt wurde die Pizzeria Anarchia, wo ein Hauseigentümer zuerst eine Gruppe von Punks einlud, um die MieterInnen zu vertreiben, aber dann nicht damit gerechnet hatte, dass sich MieterInnen und Punks stattdessen gegen den Spekulanten verbünden würden. Der Einsatz von bis zu 1.700 PolizistInnen bei der Räumung der Pizzeria im Juli 2014 sorgte in weiten Teilen der Öffentlichkeit für Kopfschütteln. Ebenfalls hinterfragt wurde die Räumung auf Kosten der SteuerzahlerInnen, um eine mutmaßliche Immobilien-Spekulation zu ermöglichen.

Die Besetzung des Auslandsschlachthofs St. Marx im Jahr 1976.

Alle Besetzungen in Wien, die heute noch bestehen, sind de facto legalisiert—es gibt also irgendeine Übereinkunft mit der Stadt und zumeist zumindest provisorische Verträge. Manche Wohnprojekte haben ihren Frieden gemacht, andere, wie die Wagenplätze, sorgen auch heute noch für Unruhe. Manche Freiräume, wie das Flex, kommerzialisierten sich völlig, andere, wie die Arena und teilweise auch das WUK, stehen im Spannungsfeld zwischen Anspruch und kommerzieller Ausrichtung. Und wiederum andere sind unangepasst und widerständig geblieben, wie das Amerlinghaus und das EKH.

Die finanzielle Situation ist für all diese Projekte eine entscheidende Frage. Die Arena etwa beschäftigt bis zu 60 Personen, das Areal muss permanent renoviert und instandgehalten werden. Die Einnahmen aus den Veranstaltungen sind kaum kostendeckend, entsprechend gibt es immer wieder intensive Debatten, etwa um das Ausmaß von Werbung auf dem Gelände. Die Arena ist dabei, bedingt durch die Geschichte der Besetzung, in der Situation, dass es bis heute keinen Mietvertrag gibt und somit auch keine Miete bezahlt werden muss. Für die Erhaltung des Areals allerdings muss sehr wohl aufgekommen werden. Gleichzeitig bedeutet das Fehlen eines Mietvertrags natürlich auch eine unsichere Rechtssituation, die ihre Nachteile hat.

Andere Projekte sind aufgrund der finanziellen Lage sogar direkt in ihrer Existenz bedroht. Das Amerlinghaus etwa kämpft seit Jahren um eine Erhöhung der Subventionen. Lisa Grösel erklärt das Problem: „Wenn die Subventionen über viele Jahre gleich bleiben, aber alle anderen Kosten wie etwa Miete, Strom oder Gehälter automatisch jedes Jahr steigen, dann bedeutet das Kürzungen, die aktuell eindeutig existenzbedrohend sind."

Im internationalen Vergleich gab es in Wien immer eher wenige Hausbesetzungen. In Berlin etwa wurden vor allem in den 1980er Jahren und dann nochmals nach dem Zusammenbruch des Stalinismus 1989/90 hunderte Häuser besetzt. Oft wurden die Häuser in damals heruntergekommenen Innenstadt-Vierteln besetzt, wie etwa in Wien am Spittelberg oder in Berlin am Prenzlauer Berg. Im Lauf der Zeit sind diese Viertel trendy geworden, damit werden die Haus-Projekte zunehmend interessant für private Immobilien-Spekulanten. Die HausbesetzerInnen waren dabei oft selbst die ersten Vorboten dieser Entwicklung. Zuerst kamen alternative junge Leute in die heruntergekommenen und damit billigen Viertel, wo es möglich war, günstig zu leben. Dann folgten Architektinnen oder FreiberuflerInnen dem Trend, schließlich wurde das Viertel schick und die Mieten schnellten nach oben. Aktuell ist diese Entwicklung etwa rund um den Brunnenmarkt in Wien Ottakring gut zu beobachten.

Für die Haus-BesetzerInnen waren ihre Wohn- oder Kulturprojekte oft auch mit sehr viel Aufwand verbunden. Am Anfang standen der Wunsch und die Forderung nach freien und nicht-kommerziellen Räumen. In Folge kam es meist zu jahrelangen Auseinandersetzungen mit HausbesitzerInnen, Polizei und Behörden, die enorm zeit- und kraftintensiv waren. Die BesetzerInnen waren oft nur noch mit der Erhaltung und Verteidigung des Hauses beschäftigt, die politischen Projekte blieben dabei in vielen Fällen auf der Strecke.

Gleichzeitig mussten sich viele Projekte auch mit völlig veränderten Rahmenbedingungen auseinandersetzen. Arena-Obmann Rainer Krispel etwa sagt: „Die Wiener Kunst- und Kulturlandschaft war in den 1970ern natürlich vollkommen anders als 2016. Damals ging es darum, einmal damit anzufangen, Lebensqualität für junge Menschen zu schaffen." Für Krispel bedeutet der Spirit der Besetzung heute vor allem, aufmerksam und kritisch zu bleiben. „Gewisse Bezugspunkte bleiben dabei klar für uns. Rassismus, Sexismus und Homophobie haben weiterhin keinen Platz in der Arena", sagt Krispel.

Ist die Zeit der Hausbesetzungen also vorbei? Vor allem in den letzten Jahren steigen die Mieten in Wien und anderen Städten immer schneller und höher, immer mehr Menschen werden aus ihren Wohnungen zwangsgeräumt. Auch die Arbeitslosigkeit steigt und damit steht gerade für junge Leute immer weniger Geld zur Verfügung. Es gründen sich auch verstärkt Initiativen, um die Mietproblematik zu thematisieren. Gleichzeitig stehen viele Wohnungen und Gebäude aus Spekulationsgründen leer. Es könnte also in Zukunft auch in Wien und Österreich wieder verstärkt zu Hausbesetzungen kommen. Das wäre zumindest kein Wunder—leistbare Wohnungen und nichtkommerzielle Freiräume sind heute noch genauso ein umkämpftes Feld wie 1976.

Michael auf Twitter: @MichaelBonvalot