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Wie es ist, einen Diktator als Vater zu haben

Bei dir zu Hause wurden bestimmt keine Menschen bei lebendigem Leibe an Krokodile verfüttert.
Foto: Thierry Ehrmann | Flickr | CC BY 2.0

Vielleicht ist dein Vater ein Workaholic oder ein Alkoholiker. Vielleicht hat dein Vater auch nie Zeit für dich. Aber hey, immerhin ist dein Vater kein Diktator. Und unterm Strich kann man sich glücklich schätzen, dass man nicht das Kind von Menschen wie Abdalá Bucaram ist.

Zwar genießen die Nachkommen von Diktatoren einen viel höheren Lebensstandard als ihre zukünftigen Untertanen, aber sie erben neben viel Geld und Macht eben auch die Schuld an den vielen Gräueltaten ihrer Väter. Und in der turbulenten Welt der Diktator-Herrschaften kann dieser Umstand ganz schnell zu einem großen Nachteil werden. Wir haben einige der berüchtigsten diktatorischen Vater-Sohn-Duos der jüngsten Vergangenheit mal genauer unter die Lupe genommen.

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Hafiz und Baschar al-Assad

Foto: Wikimedia Commons | CC BY-SA 3.0

Der „schlaksige Junggeselle und Computer-Enthusiast" Baschar al-Assad hatte sich in London eine ruhige Existenz als Augenarzt aufgebaut, als sein älterer Bruder Basil bei einem Autounfall ums Leben kam und er somit gezwungen war, nach Syrien zurückzukehren und von seinem Vater Hafiz das Einmaleins der Diktatur zu lernen. Hafiz al-Assad war seit den 70er Jahren zu sehr damit beschäftigt, mit eiserner Faust über Syrien zu regieren, um viel Zeit mit seinen Kindern zu verbringen—so erzählte Basil dem Biografen seines Vaters einmal: „Unser Vater war zwar zu Hause, aber es vergingen auch schon mal drei Tage, in denen wir kein einziges Wort miteinander wechselten." Da Baschar allerdings in einen glaubhaften Inhaber absoluter Macht verwandelt werden musste, war ihm die volle Aufmerksamkeit seines Vaters sicher: Er wurde auf eine syrische Militärakademie geschickt und in Sachen Innen- und Außenpolitik direkt mit in die Beratungen einbezogen. Nachdem Hafiz al-Assad im Jahr 2000 gestorben war, trat Baschar schließlich die Präsidentschaft an. Levantinische Botschafter meinen, dass das al-Assad-Oberhaupt seine Bereitwilligkeit zum Ausschalten potenzieller Rivalen und seine Abneigung gegenüber Kompromissen ohne Abstriche an seinen Sohn weitergegeben hat.

Seit 2011 unterdrückt Baschar (der ohne diesen einen nebligen Tag in Damaskus wohl immer noch Augenoperation durchführen würde) mit Hilfe von Fassbomben und Chlorgas einen Aufstand, der sich inzwischen zu einem Bürgerkrieg entwickelt hat. Und dazu hat es noch den Anschein, als müsste sich Baschars Sohn keiner solch radikalen Persönlichkeitsveränderung wie sein Vater unterziehen, falls das Assad-Regime auch in Zukunft weitergehen sollte—vor Kurzem äußerte sich der 11-Jährige in einem überschwänglichen Facebook-Post zu einem möglichen Einschreiten des US-Militärs: „Sollen sie ruhig angreifen. Ich will, dass sie diesen Riesenfehler machen und etwas anfangen, das sie dann nicht zu Ende bringen können … Amerika kennt unser Land nicht so gut wie wir. Das tut niemand. Letztendlich werden wir als Sieger hervorgehen, egal wie lange es auch dauern wird. Lang lebe Syrien. [Peace-Zeichen-Emojis]"

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Jean-Bédel und Jean-Serge Bokassa

Als einer der protzigeren Diktatoren der Neuzeit ernannte sich Jean-Bédel Bokassa 1977 selbst zum Kaiser des unglaublich armen Zentralafrikanischen Kaiserreichs (inzwischen die Zentralafrikanische Republik). Als Hommage an seinen Helden Napoleon veranstalte Bokassa eine Krönungszeremonie, die sich gewaschen hat—inklusive Zwei-Millionen-Dollar-Krone, Kaviar im Überfluss und einem Goldthron in Adlerform. In den vorangegangen elf Jahren hatte er das Land als Präsident terrorisiert und dabei zum Beispiel Dieben die Ohren und Hände abschneiden, seine Feinde an Krokodile verfüttern und Schulkinder, denen die von der Firma seiner Frau hergestellten Schuluniformen nicht gefielen, erschießen lassen. Seine eigenen Kinder waren da schon besser dran: Jean-Serge besuchte ein Schweizer Internat, bis die Franzosen seinen Vater im Jahr 1979 stürzten. „Als Sohn habe ich viele schöne Erinnerungen", meinte Jean-Serge gegenüber der BBC. „Jean-Bédel war sehr warmherzig. Er liebte Kinder. Er liebte Kinder sehr. Deswegen hatte er ja auch ungefähr 50 eigene." Vielen von Jean-Bédels anderen Nachkommen (61, um genau zu sein) ergeht es leider nicht so gut wie Jean-Serge, der in der Zentralafrikanischen Republik inzwischen Minister für Jugend, Sport, Kunst und Kultur ist. Vier Jahre nach Jean-Bédels Tod lebten viele von ihnen nämlich „in Lumpen gekleidet" im übrig gebliebenen Palast, wo Einschusslöcher des französischen Staatsstreiches die Schlafzimmer dekorierten, wo der Diktator angeblich umgeben von Diamantenbergen schlief. „Wir sind richtig arm. Der Palast ist alles, was uns geblieben ist", sagte einer von Jean-Bédels Enkeln in einem Guardian-Artikel von 2000.

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Abdalá Bucaram und Abdalá Bucaram Junior

Nicht nur mit seinem unmissverständlichen Bart zollte der ehemalige ecuadorianische Präsident Abdalá Bucaram Adolf Hitler Tribut, er bezeichnete ihn auch als eines der „größten politischen Genies der Menschheit". In seiner kurzen Amtszeit (August 1996 bis Februar 1997) stellte Bucaram seine sängerischen Fertigkeiten unter Beweis, indem er zusammen mit einem Cheerleader-Verschnitt eine spanische Version von „Jailhouse Rock" darbot, und bezeichnete außerdem noch einen ehemaligen Präsidenten als Esel (inklusive Entschuldigung an alle Esel). Dazu nahm er sich Ecuadors Wirtschaftskrise an, indem er einem gefeierten Fußballtrainer eine Million Dollar anbot, damit der in einem einzigen Spiel mit ihm kickte.

Aufgrund von „mentaler Unfähigkeit" wurde Bucaram vom Kongress schließlich abgesetzt und er fand daraufhin Asyl in Panama, wo er heute noch lebt und als politischer Flüchtling gilt. Trotz seines behafteten Nachnamens wurde Bucarams gleichnamiger Sohn 2009 in Ecuadors Nationalrat gewählt, wo er immer noch seinen Sitz inne hat. Aber ganz so geschmeidig lief es für den Sohn von „El Loco" auch nicht immer: Obwohl Bucaram Senior nur kurz im Amt war, wurden er und sein Sohn fast Opfer eines Attentats. Außerdem strafte man Bucaram Junior vor Kurzem ab, weil er das Vermächtnis seines Vaters vor dem Nationalrat ein bisschen zu übertrieben in Schutz nahm.

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Idi und Hussein Amin

Schon beeindruckend, wie Idi Amin während seiner blutigen Herrschaft einen sauberen Anzug behalten konnte (Foto: Wikimedia Commons | CC BY 2.0)

Die Liste der Gräueltaten, die dem ehemaligen ugandischen Präsidenten Idi Amin zugeschrieben werden können, ist lang: Er ließ mehr als 300.000 politische Gegner hinrichten, verwies Zehntausende indische und pakistanische Bürger des Landes, zwang weiße Bürger der ugandischen Hauptstadt Kampala dazu, ihn auf einem Thron herumzutragen, ermordete den ugandischen Erzbischof, bewahrte die Köpfe seiner umgebrachten Erzfeinde in seiner Gefriertruhe auf und versuchte vergebens, Tansania einzunehmen (er wollte von seiner eigenen fehlerbehafteten Politik ablenken). Heute kennt die Welt Amin vor allem als den „fröhlichen Psychopathen", denn der Oscar-prämierte Film Der letzte König von Schottland aus dem Jahr 2006 dreht sich um ihn und seine Terror-Herrschaft.

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Aber laut seinem Sohn Hussein Amin wurde das Handeln von Idi missverstanden: Elf Jahre nach dem Tod seine Vaters kontaktierte Hussein im saudiarabischen Exil den Guardian, um die im Zusammenhang mit seinem Vater genannten Opferzahlen korrigieren zu lassen. Jaffar Amin, ein weiterer Sohn, meinte gegenüber der Daily Mail, dass sein Vater „gerne herumalberte. Zu seinen Lieblingsscherzen gehörte es, mit einem Speer in der Hand auf andere Leute zu zu rennen. Die waren dann vor Angst immer wie gelähmt. Anschließend warf er den Speer immer genau vor ihre Füße." Hussein schrieb dazu noch einen offenen Brief an Yoweri Museveni, den derzeitigen Präsidenten Ugandas. Darin fordert er die Rückgabe des Familiengrundstücks der Amins, weil es laut ihm vor der Machtübernahme seines Vaters erworben wurde. Außerdem will er, dass der Präsident sein „Versprechen von hohen Positionen innerhalb der Regierung" einlöst. „Vor zehn Jahren haben Sie die obigen Schritte angekündigt", heißt es in dem Schrieb von 2013. „Leider ist davon noch nichts eingeleitet worden."

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Muammar und Saif al-Islam al-Gaddafi

Mit seiner Promotionsurkunde in Demokratie und Good Governance, der Gründung und Aufsicht der Gaddafi International Charity and Development Foundation und seiner Fähigkeit, „einen Savile-Row-Anzug zu tragen und in perfektem Englisch mit der Creme de la Creme der britischen Gesellschaft Smalltalk zu machen", ist es nicht verwunderlich, dass Muammar al-Gaddafi seinen Sohn Saif al-Islam zum „Gesicht des Regimes in Richtung westliche Welt" machte. Viele alteingesessene Regierungsbeamte hielten Saif für einen richtigen Reformer und schreiben eine ganze Menge der libyschen Fortschritte nach der Jahrtausendwende seinen Bemühungen zu. All das sollte sich jedoch ändern, als Muammar—dessen Herrschaft schrecklich, brutal und leider alles andere als kurz war—seinen Sohn im Februar 2011 nach Hause holte, denn das bürgerliche Aufbegehren wurde langsam zu einem großen Problem. Saif trat dann noch im selben Monat im Staatsfernsehen auf und machte dabei einen ungewöhnlich desorientierten und aggressiven Eindruck. In seiner Ansprache redete er davon, wie das Regime „bis zur letzten Minute und bis zur letzten Gewehrkugel" kämpfen würde. Ein ehemaliger Betreuer der London School of Economics (an der Saif seinen Abschluss gemacht hatte) meinte gegenüber dem Guardian: „Als ich Saif seine Rede halten sah und er dabei total ausgelaugt, nervös und offen gesagt schrecklich aussah, musste ich spontan an Shakespeare oder Freud denken. Das war ein junger Mann, gezeichnet vom Konflikt zwischen der Loyalität zu seinem Vater und seinem Glauben an Reformen, Demokratie sowie Rechtsstaatlichkeit." Zwar wurde Saif aufgrund seiner Rolle in der Unterdrückung des Aufstands auch vom Internationalen Strafgerichtshof gesucht, aber er landete stattdessen in den Händen von Rebellen, die ihn nicht übergeben wollen—weder an die Behörden noch an die Regierung in Tripoli. Saif behauptet, Teile seines Daumens und seines Zeigefingers bei einem NATO-Angriff verloren zu haben, aber viele Libyer glauben, dass das eher auf das Konto der Rebellen geht, die ihn aufgrund der abstrafenden Worte seiner berüchtigten Rede festgenommen haben.


Lead-Image: Thierry Ehrmann | Flickr | CC BY 2.0