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Es gibt jetzt ein Handy-Game, in dem du den Weltuntergang spielst

'Carbon Warfare' ist von Grund auf böse—und trotzdem will man so unheimlich gut sein beim Zerstören der Erde.
Screenshot vom Autor (c) Virtuos China Ltd.

"Das Ende der Welt ist nahe!" Irgendwie unheimlich, wie diese Ansage langsam einen gewissen Wahrheitsgehalt zu haben und nicht nur mehr Urin riechenden Aluhut-Trägern und ihren Pappkarton-Schildern vorbehalten zu sein scheint. Politischer Kulturpessimismus und Klimawandel rufen schon länger unterhaltungsmediale Abwehrmechanismen hervor: wie Katastrophenfilme, zig neue Partisanenparteien oder auch Videospiele, mit einem extrem fiesen Ausgangsgedanken.

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Vielleicht ist Post-Apokalypse in Zeiten von akuter Trump-Gefahr tatsächlich ein alter Hut. Oder es macht einfach nur nicht mehr ganz so viel Spaß, sich eine Welt nach dem Untergang vorzustellen, jetzt wo er für die Hälfte der westlichen Welt so kurz bevorzustehen scheint. Mit Carbon Warfare bist du deshalb gleich selbst die Apokalypse.

Alle Screenshots vom Autor 'Carbon Warfare' (c) Virtuos China Ltd.

Man muss strategisch Investitionen tätigen, um entweder eigenen Profit oder die Luftverschmutzung anzukurbeln: Es gilt also, sehr genau abzuwägen, wie man vorgeht, um mit ökonomisch-antiökologischer Präzision dafür zu sorgen, die menschliche Zivilisation zu zerstören, bevor die Wissenschaftler der Erde das CO2-Problem lösen.

In weiterer Konsequenz fühlt man sich bei Carbon Warfare in Folge ziemlich schäbig. Es ist ein wenig wie die zig verschiedenen Desktop-, Mobile- oder Mini-Games, die mit alten Actionfilm-Testimonials begeistert zum Krieg aufrufen, während wir in den Nachrichten täglich zerbombte Städte brennen sehen. Dann ist da auch noch PIGS (Politically Incorrect Game Studio) von österreichischen Entwicklern, die sich mit Trump, Persiflagen und Gamification den traurigsten Momenten der Menschheit verschrieben haben.

Sogar Civilization 6 hat eine neue Mechanik—die des Siegs durch religiöse Missionierung der ganzen Welt—und scheint hier irgendwie ein Kommentar zu fundamentaler gewaltsamer Glaubensverbreitung à la IS-Miliz abgeben zu wollen. Alle diese Spiele wollen das. Unklar ist nur, was mir dieser Kommentar genau sagen will. Was diese Spiele neben ihrer Aktualität und plakativen Tagesrelevanz außerdem verbindet, ist eine gewisse Art Zynismus.

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MOTHERBOARD: Civilization VI ließ mir keine Wahl. Ich musste einen Heiligen Krieg führen.

Während die Entwickler die Missstände in ihren Spielen zwar kritisieren, machen sie genau mit ihnen trotzdem Business. Sensationalistische Unterhaltung und arrogante Belehrung werden sozusagen parallel geboten: "Das passiert wirklich auf der Welt, ihr Sheeple, checkst du das überhaupt? Oh und investiere lieber in den Housing Market, damit bekommst mehr Punkte."

Diese Doppelung aus Moral und Spielmechanik ist böse. Dieses Spiel ist böse. Und noch fieser als die Thematik ist, was es mit mir gemacht hat. Bevor man überhaupt ein zweites Mal abschätzig die Augen rollen kann aufgrund des plakativen Spielkonzepts—und während man sich vorstellt, wie ein kichernder Trump Carbon Warfare auf dem Klo spielt—, hat schon der Suchtfaktor eingesetzt, der typisch für derartige Mobile-Games ist. Carbon Warfare ist das Candy Crush der Luftverschmutzung; ein Art Endzeit-Angry Birds.

Nachdem ich bei Carbon Warfare die hundertste Klimakatastrophe, Dürre, Mure oder was weiß ich ausgelöst habe, entlockt mir plötzlich die News-Einblendung der neuesten überschwemmten Stadt ein kleines "Yesss, geschafft!" Darauf folgt dann in etwa dasselbe Gefühl wie nach zwei Pizzas mit extra Käse in der Teigkruste: Reue. Auch wenn es substanzlose Freude über eine Simulation war—ich habe mich über mein Talent, die Welt zu zerstören, gefreut.

Man muss also schon SEHR viel Gefallen an der Simulation der realitätsnahen Klima-Apokalypse finden oder schlichtweg ein Erderwärmungsleugner sein, um Carbon Warfare zu lieben. Spaß macht es in kurzen Spieletappen aber trotzdem. Auch mit der ganzen ethischen Eigenfolter.

Josef auf Twitter: @theZeffo