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Popkultur

Diddl, Center Shocks, Backstreet Boys: Warum wir Sehnsucht nach Dingen haben, die nie geil waren

Auf Twitter ist der #90ergrind ausgebrochen.

Foto: Screenshot Twitter

Ob bei einem lahmen Treffen alter Bekannter oder auf Twitter – wenn die 90s-Nostalgie einsetzt, hat plötzlich jeder etwas zu sagen: Hubba Bubba in beiden Backen, Tic Tac Toe, das Gefühl, der geliebteste Mensch der Welt zu sein, wenn man ein Mixtape auf einer Kassette bekommt. Damals tanzten die No Angels vor Greenscreens, und der Diddl-Glitzer-Schulranzen war größer als die Kinder, die neidisch auf die ersten Handys starrten, die ihre großen Geschwister zu Weihnachten bekommen haben. Oh mein Gott, und die Einblicke in das Sexleben der Deutschen in den RTL-Nachmittagstalkshows! Oder die ZDF-Dokus, in denen Menschen in seltsamen Hemden über das Phänomen Techno sinnierten.

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Hunderte Menschen feiern auf Twitter gerade unter #90ergrind die 90er ab. So viele, dass der Hashtag gestern zu einem der beliebtesten des Tages aufstieg (kurz nach dem Hashtag zum sexistischen Schnitzel-und-Blowjob-Tag, aber das ist eine andere Geschichte). Virtuelle Hochgefühle, so ekstatisch wie der Sog, wenn auf einer 90er-Party "Everybody" von den Backstreet Boys einsetzt.

Es bleibt die Frage: Warum machen uns diese Erinnerungen eigentlich so glücklich? Warum reden wir emotionaler über alte Fernsehshows als über die Gebärden Erdoğans oder die Party vom letzten Wochenende? Wie kann ein Comedian wie Luke Mockridge eine ganze Karriere auf der Sehnsucht nach Center Shocks aufbauen?

Die Psychologin Erica Hepper von der Universität Surrey in England hat untersucht, wer sich besonders in Nostalgie wälzt: junge Erwachsene. Wir. Die Kurve nimmt im mittleren Alter ab und steigt dann im hohen Alter wieder an. Gerade in den 20ern verfallen wir immer wieder in Sehnsucht nach der Zeit, als wir auf der Rückbank im Auto Gameboy zockten. Hervor rufen wir die Erinnerungen mit Bildern, Musik oder Gerüchen von "früher" – was mehr nach 80 sein und in Sesselnsitzen klingt und nicht nach Menschen in ihren 20ern, bei denen "früher" gerade mal ein paar Jahre her ist.

Daniel Rettig, Autor des Buches Die guten alten Zeiten. Warum Nostalgie glücklich macht, erklärt, warum wir uns so gern in Vergangenes flüchten: Es sind Erinnerungen an eine Zeit, die noch einfach war. Kein "was studiere ich bloß" oder "ist diese Beziehung noch zu retten". Einfach nur: Yes, das Taschengeld reicht für die eisgekühlte Fanta mit Pink-Grapefruit-Geschmack. "Die Bitterkeit liegt darin: Wir wissen, dass diese Zeit nicht wiederkehrt", sagt Rettig. Wir spielen sie also immer wieder im Kopf ab, als Ausflucht aus einer kompliziert scheinenden Welt.

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Wir lassen uns also lieber immer wieder einlullen, springen von Tweet zu Tweet, von einem Spice-Girls-Video zum nächsten. Und wenn es ganz schlimm wird, schauen wir sogar heimlich alte Stefan-Raab-Videos. Bevor es so endet, befriedigt eure Sehnsucht mit diesen Schätzen:

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