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Sex

Das Tinder für Leute mit Tripper, Syphilis und HIV

Auch Menschen mit Geschlechtskrankheiten haben ein Recht auf Sex. Die neue App „Hift" schafft dem Abhilfe.

Eine Dating-App wie Tinder, die aber Menschen mit Geschlechtskrankheiten verkuppelt, das klingt erst mal bizarr. Eine solche App wurde aber vor ein paar Tagen veröffentlicht. „Hift" bringt Menschen zusammen, die eines gemeinsam haben: Sie haben eine Geschlechtskrankheit und wollen lieber auf Nummer sicher gehen, dass sie dafür nicht verurteilt oder abgelehnt werden.

Als ich zum ersten Mal von Hift gehört habe, konnte ich mir nicht vorstellen, dass ein solches Angebot wirklich genutzt würde. Hätte ich Herpes, würde ich meinen potentiell zukünftigen Freund oder Sexualpartner nicht wegen eines gemeinsamen Leidens kennenlernen wollen. Ich würde schliesslich auch nicht an Pozz-Partys gehen—also an Partys, an denen HIV-Positive Gang-Bangs veranstalten. Ich würde mich nicht als „krank" outen wollen.

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Foto von Splintercellguy | Wikipedia | Public Domain

Mir war vor allem eines nicht bewusst: Wenn du eine Geschlechtskrankheit hast, musst du sehr viel mehr Sozialkompetenz an den Tag legen. Du hast keine Beziehung und willst trotzdem hin und wieder Sex haben? Schwieriges Unterfangen. Wenn du jemanden mit nach Hause nimmst, dann musst du diese Person spätestens dann über den Zustand deiner Geschlechtsorgane informieren, wenn es zur Sache geht. Sonst bist du ein Arschloch. Tust du es dann aber, hast du ziemlich schlechte Karten, noch Sex zu haben. Deine Chancen sind dann in etwa so hoch, wie auf Tinder jemanden abzukriegen, wenn du ausschliesslich Fotos von dir und deinen Kindern präsentierst.

Und jetzt kommt Hift auf den Markt. Nehmen wir an, du hast Herpes, keine Beziehung und das Bedürfnis nach Zweisamkeit. Du meldest dich also an, machst wie bei Tinder ein paar Angaben und füllst noch eine Spalte zu deiner Geschlechtskrankheit aus. Du bist im Game. Jetzt kannst du dich durch verschiedene Profile anderer Leute mit Geschlechtskrankheiten vorarbeiten, bis du jemanden findest, der dich auch toll findet. Erst bei einem Match seid ihr nicht mehr anonymisiert. Wenn du dein Date triffst, weisst du, woran du bist. Du weisst, dass die Person dich mit allerlei Bakterien und Viren anstecken könnte. Du wirst also ziemlich wahrscheinlich verhüten.

Foto von NaNo 327 | Flickr | CC BY-SA 3.0

Bei Tinder läuft die ganze Sache verzwickter ab. Das Prinzip der App besteht hauptsächlich darin, jemand Gutaussehendes zum Vögeln zu finden—mit möglichst wenig Aufwand natürlich. Mit diesem Ziel bist du natürlich nicht alleine: 200.000 weitere Schweizer haben genau denselben Plan wie du. Wie hoch die Wahrscheinlichkeit ist, dass du dann jemanden triffst, der Kondome prinzipiell überbewertet findet, musst du dir nicht von einem Mathematiker ausrechnen lassen. Kurz gesagt: Du musst ziemlich gut aufpassen.

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Wenn du selber auch zu den kondomfaulen (und latent suizidalen) Exemplaren dieser Welt gehörst, dann solltest du dir besser bei Hift einen Account zulegen. Vorteil: Du schneidest dir lieber den kleinen Finger ab als ungeschützten Sex mit deinem Bettgenossen zu haben. Hift ist also nicht nur ein Vorteil für Menschen mit Geschlechtskrankheit, die sich bei Tinder vor Stigmatisierung fürchten, sondern auch für sexuell unverantwortliche Personen. Eine Art Therapie sozusagen.

Foto von Brian Solis | Flickr | CC BY 2.0

Bevor du jetzt aber meinst, dass sich auf Hift ebenso unverantwortliche Menschen herumtreiben könnten (was schon möglich ist), musst du das Ganze aus der Ich-Perspektive betrachten. Würdest DU mit einem Typen oder einem Mädel, der/die offensichtlich eine Geschlechtskrankheit hat, ungeschützt pennen? Nein? Eben.

Menschen mit Geschlechtskrankheiten haben auch ein Recht auf Sex. Sex ist ein Menschenrecht. Es sei denn du vögelst Kinder, Tiere oder Leichen. Warum sollte einem Geschlechtskranken dieses Recht verwehrt werden? Was durchaus wahrscheinlich ist, da eine gesunde Person, die ihn kaum kennt, nach Enthüllung kaum mehr Interesse zeigen wird. Warum sollten Menschen ohne Geschlechtskrankheit sich über Tinder das Hirn aus dem Schädel vögeln, ohne auch nur ein einziges Mal an den Zweck und die Ursache von Verhütung zu denken?

Ob sich Menschen mit Geschlechtskrankheiten auf Tinder oder Hift nach potentiellen Sexualpartnern umschauen, ist schlussendlich nur mit Wissen beziehungsweise Nichtwissen der eigenen Krankheit verbunden. Und somit mit Verantwortung.

Nadja auf Tinder äääh Twitter: @NadjaBrenn

Nora auf Twitter: @nora_nova_


Titelbild von Zorah Olivia | Flickr | CC BY 2.0