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​Warum Nintendos 3D-Virtual-Reality-Experiment vor 20 Jahren scheiterte

Der 'Virtual Boy' ist der Quasi-Opa von Oculus Rift und damit eine unglaubliche Innovation für die Zeit, in der er entstand. Trotzdem ist klar, warum er floppen musste.
Foto: Antonio Tajuelo via flickr

Nintendo hat ja nicht erst seit der Wii ein Faible dafür, seine Games und Konsolen mit originellen Technologien, Eingabemethoden und sonstigen Spielereien aufzupeppen. Schon seine 80er-Konsole, das legendäre NES, kam in bestimmten Editionen mit einem kleinen Roboter namens R.O.B. (Robot Operating Buddy!) daher, damit auch unbeliebte Kinder ohne Freunde mal jemandem den zweiten Controller in die (kalten, mechanischen) Hände drücken konnten. Ganz zu schweigen davon, dass Nintendo schon mit cleveren mechanischen und elektronischen Spielsachen Geld verdient hat, bevor Videospiele überhaupt ein Thema waren.

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Eines ihrer mutigsten Experimente war der Virtual Boy: Im Jahr 1995, als Johnny Mnemonic im Kino lief und die Idee von „Virtual Reality" das Coolste und Abgespaceste war, das man sich vorstellen konnte, brachte Nintendo eine Konsole wie keine andere auf den Markt: ein 3D-Headset, entwickelt vom Nintendo-Hausgenie Gunpei Yokoi, Erfinder des Game Boy.

Spielen auf dem Fernseher oder Computer? Kinderkacke von gestern. Die nächste Generation der Videospiele würde ein völliges Eintauchen in den Cyberspace ermöglichen, so das unterhaltungstechnologische Heilsversprechen.

In der Praxis war das Gerät leider ein finanzieller Flop und eine herbe Enttäuschung für alle, die sich eine revolutionäre Virtual-Reality-Erfahrung erhofft hatten. Nach nicht einmal einem Jahr auf dem Markt und nur 22 erschienenen Spielen hat Nintendo den Virtual Boy in Japan und den USA gekillt—zu uns nach Europa hat er es erst gar nicht geschafft.

Als jemand, der das Gerät ausprobiert hat, kann ich bestätigen: Der 3D-Effekt ist auch heute noch richtig gut! Die echten Probleme liegen woanders. Zum einen ist es auf Dauer recht anstrengend für die Augen, sich auf die beiden Bildschirme gleichzeitig zu konzentrieren, die noch dazu nicht etwa ein farbiges Bild erzeugen können, sondern ausschließlich die Farben Rot und Schwarz.

Am verblüffendsten ist aber die Form des Geräts an sich. Ich frage mich wirklich, wie Nintendo sich vorgestellt hat, dass man das Ding überhaupt verwendet. Es sieht aus wie ein klobiges Headset, das man aber nicht am Kopf anbringen kann.

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Stattdessen wachsen unten zwei dünne Standfüßchen aus dem Gerät, mit deren Hilfe man es zum Beispiel auf einem Tisch aufstellen kann. Diese Füßchen sind aber viel zu niedrig, als dass man aufrecht sitzend durch die Brille schauen könnte, also kann man den Virtual Boy unterm Strich nur auf eine Art genießen: mit angestrengtem Blick und gebuckelt wie ein Höhlentroll.

Spiel-Sessions, die länger als zwanzig Minuten dauern und ohne fürchterliche Schmerzen im Kopf-, Nacken- und Rückenbereich enden, sind also von vornherein schon mal ausgeschlossen. Das unförmige Monstrum dann auch noch als „tragbar" zu bewerben hat schon gewaltige Eier seitens Nintendo vorausgesetzt.

Abgesehen von der grauenvollen Usability ist das Grundproblem des Virtual Boy, dass Nintendo den Reiz des Virtual-Reality-Hypes nicht ganz verstanden hat. Moderne VR-Helme wie Oculus Rift geben mir das Gefühl, dass mein Körper unmittelbar in eine andere Welt transportiert wird: Ich sehe, was die Spielfigur sieht, die Kamera folgt meinen Kopfbewegungen, der 3D-Effekt dient dazu, die Welt plastisch zu machen, als könnte man die Hand ausstrecken und sie anfassen.

Die Spiele auf dem Virtual Boy hingegen sind größtenteils einfach bewährte Spielkonzepte, die durch den 3D-Effekt aufgepeppt oder um ein paar clevere Elemente erweitert werden, genau wie beim 3DS. Kaum ein Spiel verwendet überhaupt eine First-Person-Perspektive! Nein, das wohl beste Spiel auf der Plattform heißt Virtual Boy Wario Land und ist ein klassisches seitlich scrollendes Jump-and-Run, wie man es von Nintendo kennt.

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Nur manchmal wechselt man zwischen Vorder- und Hintergrund, ganz ähnlich wie heute in Donkey Kong Country Returns oder Mutant Mudds auf dem 3DS. Randbemerkung: Wie so vieles, was bei Nintendo abgeht, ist mir unverständlich, warum die Highlights aus dem Virtual-Boy-Katalog nicht schon längst auf der 3DS Virtual Console zu haben sind. Aber vielleicht ist ihnen die ganze Sache immer noch ein bisschen peinlich.

Heute gehören Filme und Spiele in 3D zum Alltag—auch dank Nintendo—und eine ganze neue Generation an Virtual-Reality-Headsets steht schon Hufe scharrend vor unseren Gaming-Toren. Die Idee des Virtual Boy war gut, aber die Welt einfach noch nicht bereit. Vielleicht ist sie es jetzt.

Andi auf Twitter: @schirmsprung


Titelfoto: Antonio Tajuelo| flickr | cc by 2.0