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Campus, Sex und Ravioli

So denkt ein Dozent über seine Schweizer Studenten

Ein Dozent einer Schweizer Uni hat uns verraten, was er an Studenten besonders absurd findet und was ihn zu Tode nervt.
Titelfoto von Gerald R. Ford School of Public Policy | Flickr | CC BY-ND 2.0​

Das Folgende ist der Bericht eines Schweizer Uni-Dozenten, der uns von seinen Erfahrungen erzählt hat und dem es jetzt hoffentlich ein bisschen besser geht.

Ich arbeite seit einigen Jahren an der Uni. Manchmal treffe ich auch neben meinem Job auf Studenten. Meistens reagieren sie ziemlich cool, etwa mit einem übertriebenen „Grüezi wohl". Wenn du einen von ihnen im Ausgang triffst, sagst du vielleicht kurz „Hallo" oder ignorierst ihn einfach gekonnt—die Situation kann ja für beide Seiten ziemlich awkward sein.

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Manchmal kommt aber einer—meistens wenn wir beide total betrunken sind—mit einem „Hey, du bist voll der geile Typ!" zu mir und stellt mich all seinen Freunden vor. Im schlimmsten Fall will er noch mit mir Bier trinken aber ich denke mir nur: Du gehst deinen Weg, ich geh meinen. So reagieren aber nur Männer. Die Frauen sind immer total korrekt.

Im Job selbst lässt sich mein Kontakt mit Studenten grundsätzlich in drei Kategorien unterteilen: Vorlesungen, das Betreuen von Bachelor- und Masterarbeiten und Prüfungen.

In den Vorlesungen

In den Vorlesungen hast du sehr viele verschiedene Charaktere. In jeder Vorlesung gibt es einen Mister oder eine Miss Know-It-All, die komplett belanglose Beispiele korrigieren. In einem Beispiel verwendete ich etwa ein Designer-Schmuckstück—im Grunde ging es nur darum, dass das sehr teuer ist. Jemand streckte auf und meinte in etwa: „Sie, dieses Schmuckstück gibt es gar nicht! Es gibt andere von dieser Marke, aber das aus dem Beispiel existiert nicht." Ich bleibe in so Fällen immer höflich, denke mir aber—wie wahrscheinlich die Hälfte des Hörsaals—meinen Teil dazu.

Solche Fragen sind sowieso das, was mich am meisten aufregt. Ich bin mir vielfach nicht sicher, ob sich diese Studenten bewusst dumm stellen oder ob sie wirklich dumm sind. Die meisten ihrer Fragen lassen sich mit ein wenig logischem Verständnis sofort beantworten. Die Hassfrage Nummer eins ist aber definitiv: „Kommt an den Prüfungen viel Mathe? Reicht's wenn man alles kann, ausser Mathe?" Die hörst du immer.

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Am nervigsten in den Vorlesungen sind Studenten, die in den ersten Reihen sitzen und die ganze Zeit lachen. Zum Beispiel, wenn du etwas zur Kurvendiskussion erklärst und sie sich jedes Mal, wenn du das Wort „Kurve" sagst, halb tot lachen—„Kurwa", ja, voll witzig … Aber wenn du ihnen sagen würdest, wie kindisch sie sind, würden sie ausrasten und darauf hinweisen, dass sie ja schon an der Uni sind.

Es gibt auch solche komischen Vorfälle wie Studentinnen, die dich ununterbrochen anstarren—obwohl alle anderen im Hörsaal für die Prüfung mitschreiben. Ich frage sie dann, ob sie nicht mitschreiben wollen und sie antworten mit Dingen wie: „Wir gehen jede Woche zwei Mal in die gleiche Übung." Einmal hören sie nur zu und einmal schreiben sie nur mit. Als Dozent hast du ja deine Fixpunkte im ganzen Hörsaal, zu denen du schaust, um die Aufmerksamkeit von allen zu bekommen. Wenn du aber weisst, dass dich bei jedem Blick in die vorderste Reihe diese Studentinnen anstarren, ist das schon sehr creepy.

Foto von Luc Legay | Flickr | CC BY-SA 2.0

Bei den Leuten, die in der Pause oder nach der Vorlesung zu mir nach vorne kommen, gibt es auch sehr komische Typen. Einer kam zu mir und hat fünf Minuten lang nur nach Bestätigung gesucht. Er wiederholte alles, was ich in der Vorlesung gesagt hatte. Ich antwortete jeweils mit „Ja, du hast es verstanden." Von diesen Studenten, die wollen, dass man sie regelrecht beweihräuchert, gibt es eh einige.

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Andere sehen mich eher als Lebensberater. Sie fragen mich danach, ob ich es besser finde, wenn sie im fünften Semester einen Teilzeitjob machen oder in den Sommerferien ein Vollzeitpraktikum. Manche davon machen sogar eine Sprechstunde mit mir aus, in der es dann nicht um Uni-Inhalte geht, sondern nur darum, ob ich denke, dass sie das Richtige studieren. Was soll ich da schon sagen? Es ist ja schön, dass ich eine Ansprechsperson bin, aber für solche Fragen bin ich definitiv nicht der Richtige.

Beim Betreuen von Arbeiten

Bei den E-Mails, die ich bekomme, sprechen mich Studenten, die ich noch nie gesehen habe, immer wieder mit „Hey" und meinem Vornamen an. Ich schreibe diesen dann jeweils extra mit „Sehr geehrter Herr XY" zurück, obwohl ich meinen Studenten immer das Du anbiete. Vor einiger Zeit habe ich ausserdem eine Mail bekommen, die noch nicht fertig geschrieben war. Einige Minuten später folgte das nächste Mail mit den einleitenden Worten „Hihihihi, da lief wohl was schief" Da denke ich mir nur: „Wieso?!" Schreib doch einfach, dass es dir leid tut, dass du das Mail zu früh abgeschickt hast—aber mit „Hihihihi" jemanden anschreiben, den du noch nie gesehen hast, ist meist keine gute Wahl.

Foto von www.audio-luci-store.it | Flickr | CC BY 2.0

Auch krass ist, dass viele Studenten alles vorgekaut haben wollen. Sie denken, sie sind schon sehr erwachsen und selbstständig, vielfach sind sie aber überfordert. Auf unserer Homepage stehen zum Beispiel unsere Forschungsschwerpunkte. Zwei Mal monatlich schreibt mir jemand, dass er eine Bachelor-Arbeit bei uns schreiben möchte. Ich schicke dann jeweils den Namen eines bekannten Journals zurück, mit der Bitte, sich die letzten Ausgaben anzuschauen und mir Themenvorschläge zukommen zu lassen. Meist kommt dann als Antwort, dass sie das Journal nicht finden konnten. Ich muss ihnen wirklich den Link zum Journal schicken und sogar erklären, dass sie zuerst den VPN-Client einschalten müssen. Natürlich gibt es aber auch die Überkorrekten, die alles schon sehr genau wissen.

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Bei den Mails kann man ja nicht frech antworten, obwohl ich das vielfach gerne würde. Manchmal schicke ich meine Antwort-Mails auch zuerst an meine Mitarbeiter, um sicher zu sein, dass das „Ach, hau ab … " nur zwischen den Zeilen durchdringt. Intern schicken wir manchmal auch besonders dumme Studenten-Mails, die wir mit Facepalm-GIFs kommentieren, weiter.

Bei den Prüfungen

Wenn die Studenten in einer solchen Stresssituation sind, verhalten sie sich komplett abnormal. Bei den Prüfungen begleiten wir die Studenten zum Beispiel immer bis zum WC. Ich finde es ja schon komisch, dass du es mit 20 Jahren nicht schaffst, 90 Minuten durchzustehen, ohne aufs WC zu gehen. Bei denen, die müssen, gibt es aber komplett verschiedene Charaktere: Manche sind total gestresst und erwarten, dass du mit ihnen bis zum WC joggst. Andere machen auf übertrieben cool, schlendern zum WC und haben auch noch das Gefühl, du hast Lust darauf, mit ihnen zu smalltalken. Sie versuchen den Eindruck zu erwecken, dass die Prüfung sowieso mega leicht sei und sie sich darum ruhig Zeit lassen können. Ich schau nachher immer nach, welche Matrikelnummer diese Leute haben und ob sie wirklich alle Prüfungen so locker schaffen.

Was auch super nervig ist, sind die Prüfungseinsichten. Ich habe das Gefühl, Studenten lügen mir total dreist direkt ins Gesicht. Zum Beispiel wollte eine unbedingt einen Freund oder eine Freundin mitbringen, weil sie Bauchschmerzen habe. Warum solltest du wegen Bauchschmerzen jemanden zur Verstärkung brauchen? Oder soll die zweite Person einfach dein Anwalt sein, der vielleicht rhetorisch besser ist und dich so rausreden kann?

VICE Schweiz auf Twitter: @ViceSwitzerland


Titelfoto von Gerald R. Ford School of Public Policy | Flickr | CC BY-ND 2.0