Politik

Die Berichte zum Fünffach-Mord in Kitzbühel zeigen, wie falsch Medien über Femizide schreiben

Das war kein "Beziehungsdrama" und auch keine "Eifersuchtstat".
Fünffachmord in Kitzbühel
Collage: Imago Images | Blickwinkel / Imago Images | zeitungsfoto.at || Bearbeitung: VICE

Österreich ist europaweit das gefährlichste Land für Frauen. Eine Erhebung des Statistischen Amts der EU (Eurostat) zeigt, dass in keinem anderen EU-Staat so viele Frauen Opfer von Tötungsdelikten sind wie in Österreich. Nicht umsonst titelt das Magazin der Österreichischen Vereinigung der Kriminalbediensteten kripo.at Ende letzten Jahres: "Frauenmord-Land Österreich". 41 von 70 Menschen, die im Zeitraum von Januar 2018 bis November 2018 in Österreich ermordet wurden, waren Frauen.

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Am vergangenen Wochenende wurden in Kitzbühel fünf Menschen ermordet. Ein 25-Jähriger hat die Tat gestanden. Andreas E. soll seine Ex-Freundin, die 19-jährige Nadine H., ihren Vater, ihre Mutter, ihren Bruder und ihren Partner erschossen haben.

Die Berichterstattung zu dem Fünffachmord ist so problematisch, wie sie es immer ist, wenn Medien über Femizide schreiben. Es gibt unterschiedliche Definitionen für Femizide, die bekannteste ist die von Diana Russell, einer Soziologin und Aktivistin: Frauen, die aufgrund ihres Geschlechts getötet wurden. Nadine H., ihre Familie und ihr neuer Freund wurden getötet, weil ihr Ex-Freund nicht damit zurechtgekommen sein soll, dass sich die 19-Jährige von ihm getrennt hat. Sucht man nach Berichten zu dem Mehrfachmord in Kitzbühel, findet man ohne große Mühe genau das, was Feministinnen stetig an dem medialen Umgang mit Frauenmorden kritisieren. So titelt etwa die Kleine Zeitung: "Beziehungstat: Fünf Tote bei Eifersuchtsdrama in Kitzbühel", klickt man auf den Beitrag, lautet die Schlagzeile: "Aus Eifersucht getötet: 'Ich habe fünf Menschen umgebracht'".

Die Kronen Zeitung spricht von einem "schier unfassbares Beziehungsdrama". Auch der Radiosender Ö1 bezeichnet den Fünffachmord als "Beziehungsdrama". Auf Twitter kritisiert die Soziologin Laura Wiesböck zu Recht, dass der Fokus des Mordes beim mutmaßlichen Motiv liegt: Eifersucht. Medien sollten sich laut Wiesböck nicht auf die Eifersucht von Tätern konzentrieren, sondern auf deren Unvermögen, auf diese gewaltfrei zu reagieren.

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Ein Mehrfachmord ist keine Eifersuchtstat, wie der Bayerische Rundfunk schreibt. Eine Eifersuchtstat wäre es, wenn sich ein Mann die Instagram-Privatnachrichten seiner Partnerin durchliest. Aber nicht, wenn jemand eine junge Frau und ihre gesamte Familie tötet.

Wenn ein Mann seine Partnerin ermordet, ist das niemals ein "Beziehungsdrama" und auch keine "Familien-Tragödie": Es ist Mord. Gerade Journalisten und Journalistinnen müssen ihre Worte mit großer Vorsicht auswählen. Sprache bildet Alltag.

Wer bei Mord von einem Beziehungsdrama spricht, ist Teil einer gefährlichen Maschinerie und relativiert ein gesellschaftliches Problem, das immer schlimmer wird. Der Bürgermeister von Kitzbühel meint in diesem ZIB2-Interview, eine offensichtlich unbegreifliche Einzeltat liege vor. Auch das stimmt nicht. Dass Frauen öfter Opfer von Tötungsdelikten werden, ist ein strukturelles Problem, eine der vielen Folgeerscheinungen des Patriarchats. Wenn wir als Gesellschaft nicht sofort an unserem von Verständnis von Männlichkeit arbeiten und uns mit männlichem Besitzdenken und Machtausübung auseinandersetzen, werden die Femizide nicht aufhören.

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