Die Autorin hatte einen medikamentösen Abtreibung
Foto bereitgestellt von Rose Stokes
Menschen

Wie es ist, wenn eine Abtreibung nicht klappt

Nach einer Woche unter Wehen landete ich in der Notaufnahme. Meine medikamentöse Abtreibung war keine falsche Entscheidung – ich war nur schlecht informiert.

Letztes Jahr hatte ich eine Abtreibung. Nachdem ich mich entschieden hatte, telefonierte ich mit einer Hilfsorganisation für Verhütung und Abtreibung, dem British Pregnancy Advisory Service. Die Frau fragte mich, ob ich eine medikamentöse Abtreibung oder eine operative wolle. Ich hatte keine Ahnung.

"Wo ist der Unterschied?", fragte ich.

"Bei der einen Methode nehmen Sie eine Pille. Die andere ist invasiver."

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Ich hatte bei dem Telefonat nicht viel Zeit, ins Detail zu gehen. Und das wollte ich auch nicht. Der medikamentöse Schwangerschaftsabbruch war für mich noch eine Option, weil ich erst in der neunten Woche war. Also entschied ich mich für diese Variante. Ich ging davon aus, dass das einfacher sein würde.


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Wie bei vielen Dingen, die mit weiblicher Gesundheit zu tun haben, sind viele Leute was Abtreibung angeht unfassbar schlecht informiert. Was dabei passiert. Wie es sich anfühlt. Statt unsere wertvolle Energie darauf zu verwenden, Wissen und Erfahrungen zu teilen, sodass Frauen voll informiert über ihre Körper entscheiden können, hängen wir stattdessen in irgendwelchen endlosen Internetdebatten über Moral fest. Das lenkt uns von der Wahrheit ab, und die lautet nun mal, ob es einem gefällt oder nicht: Frauen treiben ab. Egal, ob das legal ist, und egal ob die Wächter der allgemeinen Moral und der Medizin es gutheißen. Dass Frauen Zugang zu fairen, ehrlichen und detaillierten Informationen über die diversen Eingriffe haben, ist für die öffentliche Gesundheit also unerlässlich.

Deshalb erzähle ich hier, was bei mir schief gelaufen ist – und warum.

Beim ersten Termin erklärte mir die Krankenpflegerin, dass eine frühe medikamentöse Abtreibung am effektivsten ist, wenn man im Abstand von 24 bis 48 Stunden zweimal zwei Pillen nimmt. Ich nahm das erste Mittel, Mifepriston, an jenem Tag und kam zwei Tage später wieder, um die Behandlung abzuschließen. Dazu führte man mir die anderen zwei Pillen, ein Mittel namens Misoprostol, in die Vagina ein. Ich empfand diesen Eingriff als Gewalttat gegen meinen eigenen Körper. Ich lief ins Wartezimmer raus, sank meiner Mum in die Arme und weinte so heftig wie seit meiner Kindheit nicht mehr.

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"Ich weiß", sagte sie sanft und streichelte mir übers Haar.

In der Klinik hatten sie mir gesagt, dass die Fehlgeburt jederzeit losgehen könne, allerdings könne es auch bis zu zwei Wochen dauern. Es werde wirken wie eine besonders heftige Periode, sagten sie, und werde vermutlich nach einem Tag vorbei sein, auch wenn die Krämpfe danach bis zu eine Woche andauern könnten. Bei Schmerzen solle ich Ibuprofen oder Paracetamol nehmen.

Etwa vier Stunden später, inzwischen war ich wieder in meiner Wohnung, spürte ich eine völlig neue Art von Schmerz in meinem Inneren, irgendwo zwischen meinen Lendenwirbeln und meinem Bauchnabel. Innerhalb einer Stunde war die Fehlgeburt in vollem Gange. Wehen, Erbrechen, Blutungen, Weinen, Scheißen. Das ging stundenlang so. Meine Mutter war unerschütterlich. Ich war traumatisiert. Irgendwie schweißte uns das noch stärker zusammen.

Etwa zwölf Stunden später kamen die Wehen seltener, was ich als Zeichen dafür wertete, dass das Schlimmste überstanden war. Doch eine Woche später, als ich schon daran gescheitert war, wieder zur Arbeit zu gehen, hatte ich immer noch Wehen. Also ging ich zu meinem Hausarzt und bat um stärkere Schmerzmittel. Der Doktor maß meinen Blutdruck: Er sei "gefährlich niedrig". Er schickte mich direkt in die Notaufnahme.

Vier Stunden lang lag ich zusammengekrümmt und weinend unter schrecklichen Schmerzen auf dem Boden des Wartezimmers in der gynäkologischen Abteilung, umgeben von werdenden Müttern. Dann zeigte ein Ultraschallbild genau das, was ich befürchtet hatte: Die Abtreibung war nicht geglückt und wurde als "unvollständig" eingestuft. Ich erinnerte mich vage, dieses Wort bei meinem ersten Termin gehört zu haben.

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Es ist wichtig, zwischen einem "nicht erfolgreichen" und einem "unvollständigen" Abort zu unterscheiden. In ersterem Fall nimmt die Patientin die Pillen ein, aber der Abtreibungsprozess wird aus irgendeinem Grund erst gar nicht eingeleitet. Eine unvollständige Abtreibung ist dagegen eine, bei der dieser Prozess zwar in Gang kommt, der Körper aber das "Restmaterial" nicht oder nur unvollständig ausstößt.

Mein OP-Termin, bei dem das "Restmaterial" entfernt wurde, war drei Tage später. Danach war ich noch mal eine Woche krankgeschrieben. Nach diesem Leidensweg fühlte ich mich körperlich und seelisch ausgewrungen.

Yvonne Neubauer ist Ärztin und stellvertretende klinische Direktorin von Marie Stopes UK, einer gemeinnützigen Organisation für Abtreibungen. "Abtreibungen sind extrem verbreitet", sagt sie. "Etwa jede vierte Frau bricht im Laufe ihres Lebens eine Schwangerschaft ab." Etwa 90 Prozent aller Abtreibungen werden vor der 13. Schwangerschaftswoche durchgeführt, wenn sie am effektivsten sind, so Neubauer. In Großbritannien, wo ich lebe, seien etwa 70 Prozent dieser Abbrüche medikamentös, und davon seien wiederum 95 Prozent komplett erfolgreich. Damit ist meine Erfahrung eine seltene, aber keine extrem seltene.

Als Diana, die ihren echten Namen nicht veröffentlicht sehen möchte und die heute als Buchhalterin arbeitet, mit 19 ihr Studium begann, hatte sie ebenfalls eine unvollständige Abtreibung. "Damals wusste ich von keiner anderen Frau, die eine Abtreibung hinter sich hatte, geschweige denn von einer, bei der es nicht geklappt hat", sagt sie. Der Vorgang lief nach Plan, Diana wurde nach Hause geschickt. Sie habe das Ganze so schnell wie möglich hinter sich lassen wollen. Doch ein paar Wochen später, im Familienurlaub, hatten die Blutungen immer noch nicht aufgehört. "Es war einfach schrecklich. Ich duschte und sah runter, und die ganze Dusche war rot. Meine Binden waren extrem schnell voller Blut, ich konnte nicht schwimmen gehen."

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Als auf dem Heimflug die Blutungen noch schlimmer wurden, musste Diana einsehen, dass etwas nicht stimmte. "Ich fühlte, wie das Blut nur so aus mir herausströmte. Es durchnässte mein Kleid und den Sitz. Ich schämte mich und hatte furchtbare Angst." Nach der Landung ging Diana mit ihrer Familie sofort zur Rettungsstelle des nächsten Krankenhauses. Dort erfuhr sie, dass ihre Abtreibung nicht geklappt hatte und dass sie eine Operation brauchen würde.

"Ich war lange Zeit traumatisiert und brach schließlich mein Studium ab", sagt sie. Zusätzlich zu dem allgemeinen Trauma lösten die Komplikationen bei der Abtreibung Scham und Schuldgefühle in ihr aus. "Ich hatte das Gefühl, dass das die Strafe ist, weil ich mich für eine Abtreibung entschieden hatte."

Reproduktive Gesundheit ist komplex, auch weil die Erfahrungen von Frauen sich stark voneinander unterscheiden. Wie Neubauer betont, kann sogar dieselbe Frau zu einem späteren Zeitpunkt auf dieselbe Behandlungsmethode völlig anders reagieren als zuvor. "Unsere Empfehlungen basieren immer auf der Durchschnittserfahrung", sagt sie.

Wir kennen alle die Geschichten von Frauen, die ihr Erstgeborenes nach zwei Stunden leichter Wehen nur so herausniesen, aber wir kennen im Gegenzug wohl auch alle Geschichten, in denen Frauen nach tagelangen Höllenqualen einen Notkaiserschnitt brauchen. Dann ist da die Freundin, die ihre Periode kaum spürt, gleichzeitig kennen die meisten aber auch eine Frau, die sich auch mal krankschreiben lassen muss, weil die Regelschmerzen, die Übelkeit und andere Symptome sie außer Gefecht setzen. "Die Körper von Frauen sind sehr unterschiedlich, dementsprechend sind keine zwei Abtreibungen gleich", sagt Neubauer. "Deswegen ist es uns ein Anliegen, dass wir vor, während und nach dem Vorgang Unterstützung und Ressourcen anbieten, darunter eine 24-Stunden-Hotline."

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Aber was ist mit den seltenen Fällen, in denen eine frühe medikamentöse Abtreibung gar nicht funktioniert? Das sind weniger als ein Prozent der Fälle, doch das betrifft in der Realität immer noch ganz schön viele Frauen und Mädchen, die ungewollt schwanger bleiben.

In der neunten Schwangerschaftswoche ließ die freie Journalistin Zoë Beaty eine frühe medikamentöse Abtreibung vornehmen. Dann ging sie nach Hause und wartete darauf, dass ihre Fehlgeburt losgehen würde. Und wartete und wartete. Stunden wurden zu Tagen, nichts passierte. Sie konnte nicht arbeiten gehen, weil sie Angst hatte, die Fehlgeburt in der Öffentlichkeit durchzumachen. Die Klinik sagte ihr, sie könne erst wiederkommen, wenn die zwei Wochen verstrichen seien, die der Abbruch unter Umständen braucht.

"Es war unendlich frustrierend", sagt sie. "Ich wusste, dass ich noch schwanger war, ich konnte es in meinem Inneren spüren, aber niemand nahm mich ernst, bis die Klinik es selbst zwei Wochen später per Ultraschall bestätigte." Diese Zeit hinterließ Narben in Beatys Psyche. "Es fühlte sich an, als wäre nichts unter Kontrolle. Ich hatte noch nie gehört, dass eine Abtreibung fehlschlagen kann." Als sie versucht habe, dazu im Internet etwas zu recherchieren, sei sie nur auf "pseudoreligiösen Bullshit" gestoßen, der ihr habe weismachen wollen, die fehlgeschlagene Abtreibung sei ein "Zeichen". "Das half mir natürlich überhaupt nicht weiter." Schließlich wurde Beaty in der elften Woche operiert und die Schwangerschaft auf diesem Weg abgebrochen.

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Fehlgeschlagene Abtreibungen sind psychisch schwer zu verkraften. In manchen Fällen blutet die Frau zwar, nachdem sie die Medikamente eingenommen hat, ist aber weiterhin schwanger. Wer in einem Land lebt, in dem die Gesetzeslage das zulässt, kann sich in diesem Fall einem operativen Eingriff unterziehen, wie Beaty es tat. Aber das ist noch lange nicht in allen Ländern der Fall.

In Deutschland ist gesetzlich verordnet, dass schwangere Frauen, die eine Abtreibung wünschen, erst zu einer Beratungsstelle gehen müssen, bevor sie überhaupt zu einem Arzt oder einer Ärztin dürfen um abzutreiben. Dazwischen sind sie zu einer dreitägigen "Bedenkzeit" gezwungen. Ohne zusätzliche medizinische Indikation werden Abtreibungen in Deutschland nur bis zur zwölften Schwangerschaftswoche durchgeführt – keine lange Zeit, wenn man bedenkt, dass viele Frauen nicht gleich bemerken, dass sie schwanger sind.

Mara Clarke ist Gründerin von Abortion Support Network, einer gemeinnützigen Organisation für Frauen, die weit reisen müssen, um eine sichere, legale Abtreibung zu bekommen. Sie sagt, die Komplikationen beim Schwangerschaftsabbruch seien besonders verheerend, wenn durch die zweiwöchige Wartezeit nach der Medikamenteneinnahme die Zeitspanne verstreicht, in der die Frau in ihrem Land noch legal abtreiben kann. Das könne etwa in Irland passieren, wo Abtreibungen grundsätzlich nur bis zur zwölften Schwangerschaftswoche erlaubt sind. "Das ist herzzerreißend und für alle Beteiligten sehr schwierig zu verkraften", sagt Clarke.

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Ich bereue keinen Moment lang meine Entscheidung für eine Abtreibung. Für mich und für das potentielle Kind war es die beste Wahl. Richtig durchgeführt sind Abtreibungen ein sicherer medizinischer Vorgang. Täglich lassen Frauen eine vornehmen, ohne dass es Komplikationen gibt. Trotzdem hätte ich mir gewünscht, dass ich damals einen Artikel wie diesen gelesen hätte. Damit ich voll informiert gewesen wäre und vorher gewusst hätte, was mit meinem Körper passieren könnte, statt es währenddessen herauszufinden. Ich möchte nicht, dass andere Frauen so wenig darüber wissen wie ich damals. Wie Neubauer sagt: "Wir können einander nur helfen, wenn wir ehrlich sind und offen über dieses Thema sprechen."

Wenn du schwanger bist und eine Abtreibung wünschst, solltest du also auch hierzulande keine Zeit verlieren – und vor allem eine seriöse, staatlich anerkannte Beratungsstelle aufsuchen. Andere Stellen geben sich oft neutral, versuchen aber, Schwangere zu manipulieren und von Abtreibungen abzubringen. Hier findest du eine Suchmaschine für anerkannte Beratungsstellen in deiner Umgebung.

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