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Studium

Wer zur Hölle will eigentlich noch Journalist werden?

Von No Billag bis SDA-Streik: Wir haben Studenten gefragt, was sie überhaupt noch in den Journalismus treibt.
Alle Fotos zur Verfügung gestellt

Die Schweizer Medien durchleben gerade viele einschneidende Ereignisse: Die No-Billag-Initiative kommt am 4. März an die Urne und bedroht das wichtigste Medienhaus der Schweiz. Die Redaktion der SDA, der grössten und wichtigsten Nachrichtenagentur der Schweiz, befand sich die vergangenen Tage wegen Entlassungsplänen im Streik. Und Regionalmedien werden zu zentraleren Häusern zusammengezogen.

Scrollt man durch Facebook und Twitter, lautet der Tenor oft: Das sind alles Gründe, die Finger so weit wie möglich von den Redaktionstastaturen und den Diktiergeräten zu lassen. Trotzdem beginnen viele junge Menschen in der Schweiz ein Studium in den Medien. Allein die Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften erhält jährlich rund 280 Bewerbungen für ihr Studium in Kommunikation, wie mich das Hochschulsekretariat am Telefon wissen lässt. Wir haben mit fünf dieser Studenten und Studentinnen darüber gesprochen, wieso sie in einer Branche Fuss fassen wollen, der manche schon heute einen nahen Tod voraussagen.

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Samuel, 27

VICE: Jobs in den Medien sind stressig und schlecht bezahlt. Warum willst du überhaupt dort arbeiten?
Samuel: Das ist eine Herzensangelegenheit! Durch meine Praktika bei verschiedenen Radiosendern habe ich mich einfach in den Beruf verliebt. Nach den Praktika arbeitete ich bereits fest angestellt, für ein grösseres Unternehmen in Basel als Radioprogramm-Produzent. Ich gehe gerne diesen Weg, um einen Beruf auszuüben, der mir Spass macht.

Aktuell liest man überall, dass im Journalismus Stellen abgebaut werden. Macht dir das keine Angst?
Das habe ich natürlich auch mitbekommen, Angst macht es mir aber nicht. Ich mache mir Gedanken zur Zukunft der Medien in der Schweiz, denke aber, dass ich mit meinem Studium sehr gut vorbereitet sein werde und dass meine Chancen auf einen Job nicht schlecht stehen.

Was erhoffst du dir von deinem Studium?
Ich habe ja schon einige Praktika gemacht. Ohne Studium ist alles “learning by doing”, durch das Studium bekomme ich aber viel theoretisches Wissen vermittelt, die mir den Einstieg erleichtern können. Bei Gesprächen mit hochrangigen Redaktionsmitarbeitern konnte ich schon heraushören, dass ein Journalismus-Studium immer wichtiger wird, um in der Branche Fuss zu fassen.

Du hast also keine Bedenken, was deine berufliche Zukunft angeht?
Es wird sich wohl einiges verändern – vielleicht kommen Initiativen durch, vielleicht auch nicht, aber der Journalismus wird nicht verschwinden. Heute kann im Internet jeder Journalismus betreiben, die Möglichkeiten werden sicher nicht weniger. Es bleibt also mit Spannung abzuwarten, in welcher Form der Journalismus weiter existieren wird und dementsprechend auch meine Zukunft in der Branche.

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Laura, 21

VICE: Du möchtest Journalismus betreiben. Hast du keine Angst um deine Zukunft?
Laura: Nein, habe ich nicht. Es ist schon nicht rosig im Moment mit No-Billag und Fake News. Aber die Medienwelt ist eben im Umschwung. Jetzt ist eigentlich eine spannende Zeit. Es entwickeln sich neue Formen von Journalismus, alte verändern sich, es gibt eine grosse Diskussion darüber, was Journalismus sein soll, was es war und wie es sein wird. Und wir sind mittendrin. Ich bin viel neugieriger auf meine Zukunft als das ich Angst habe!

Wie stellst du dir denn die Arbeitsrealität in deinem zukünftigen Job vor?
Soweit denke ich gar nicht. Mir gefällt, wie es momentan ist. Ich kann neben dem Studium als Freie Redakteurin weiterarbeiten und wenn sich nach dem Studium etwas Fixes im gleichen Bereich ergibt, wäre ich damit total glücklich.

Silvan, 25

VICE: Aktuell wird immer öfter von Entlassungen berichtet. Warum willst du trotzdem einen Job in den Medien?
Silvan: Das war eine eher spontane Entscheidung. Ich habe Polymechaniker gelernt und bin danach ins Militär gegangen. Damals war mir schon klar, dass ich noch ein praxisbezogenes Studium machen werde und nicht zurück zur Akkordarbeit will. Ich habe die Berufsmatura gemacht und mir verschiedene Studiengänge und Berufe angeschaut. Irgendwann war dann klar für mich, dass ich Journalismus studieren möchte. Gleichzeitig suchte ich mir noch einen Job und jetzt studiere ich und arbeite daneben als freier Journalist im Bereich Sport für eine Schweizer Lokalzeitung.

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Als Polymechaniker hättest du aber wohl besser verdient.
Ich glaube nicht, dass jemand des Geldes wegen Journalist wird. Wäre ich an einem riesigen Salär interessiert würde ich auf die Bank arbeiten gehen, das will ich aber nicht. Ich möchte bis zu einem gewissen Punkt frei sein und mich am liebsten jeden Tag mit etwas anderem beschäftigen. Heute einen Politiker interviewen und morgen über eine Grammy-Gewinnerin schreiben.

Du hast also schon eine klare Vorstellung von der Arbeitsrealität, die dich erwarten wird?
Natürlich weiss ich nicht genau, wie diese dann aussehen wird. Bis nach meinem Studium wird sich sicher auch noch viel verändern. Am Ende zählt aber, was ich daraus mache und dass ich meinen Stil rüberbringen kann. Ich bin mir sicher, dass wird sich auch in meiner zukünftigen Arbeit widerspiegeln.

Vanessa, 22

VICE: Aktuell liest man gerade überall, dass im Journalismus Stellen abgebaut werden. Macht dir das keine Angst?
Vanessa: Doch, insofern weil die Medienvielfalt schwindet. Ich hoffe aber, dass unsere Gesellschaft weitsichtig genug ist, um das zu verhindern. Unabhängige und vielfältige Informationen sind unabdingbar für die direkte Demokratie.

Warum willst du überhaupt in den Medien arbeiten? Dieser Beruf gibt mir das Gefühl, ständig wachsen zu können. Dazulernen, kennenlernen und am Puls der Gesellschaft sein – das versuche ich anzustreben.

Wie bleibst du motiviert, obwohl du dich auf eine ungewisse Zukunft einstellen musst? Momentan werden zwar die Weichen anders gestellt aber irgendwann wird sich unsere Branche auch wieder eingebettet haben. Dann wird der Journalismus auch wieder an Zustimmung gewinnen. Und wenn nicht, werde ich mir dann Gedanken zu meinem weiteren Weg machen. Würde ich meine Zukunft bis zur Pensionierung vorbestimmen wollen, hätte ich nicht diesen Beruf gewählt.

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Isabel, 23

VICE: Du möchtest Journalismus betreiben. Hast du keine Angst um deine Zukunft?
Isabel: Kommt darauf an, ob die No-Billag-Initiative angenommen wird oder nicht. Aber ich fürchte ich mich eher vor dem 3. Weltkrieg als vor meiner Zukunft.

Wie stellst du dir die Arbeitsrealität in deinem zukünftigen Job vor?
Am liebsten spassiges, kreatives und selbstständiges Arbeiten mit netten Arbeitskollegen, die auch mal nach Feierabend ein Bierchen zischen. Es ist doch wie bei WG-Bewerbungen: Man hat gewisse Traumvorstellungen und nervt sich letztendlich täglich an dieser einen nicht abgewaschenen Pfanne, für die sich keiner verantwortlich fühlt. Und es ist trotzdem OK. Positive Aspekte sollten einfach immer überwiegen. Ich könnte also auf die netten Arbeitskollegen verzichten, wenn ich dafür kreativ und selbstständig arbeiten darf.

Wieso hast du eigentlich mit dem Journalismus-Studium angefangen?
Keine Ahnung. Ich muss allerdings sagen, dass ich vor dem Studium keinen Plan davon hatte, wie stressig und schlecht bezahlt der Beruf ist. Mich im Vornherein zu informieren gehört nicht gerade zu meinen Stärken. Vielleicht mache ich danach auch einfach nochmal ein Studium und verfolge den Berufswunsch "Ewige Studentin".

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