Bewohner der Stadt Auschwitz erzählen, wie es ist, dort zu leben
Alle Fotos: Felix Adler

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Bewohner der Stadt Auschwitz erzählen, wie es ist, dort zu leben

"Die Stadt ist ganz schön und die Touristen, die wegen des Lagers kommen, geben mir immer etwas Geld."

Der Leipziger Fotograf Felix Adler war eigentlich gerade mit Freunden auf dem Rückweg von Krakau, als einer von ihnen meinte, das Konzentrationslager Auschwitz liege gleich neben der Autobahn. Man fährt an einem Carrefour-Einkaufszentrum und einem McDonald’s vorbei, bevor man das ehemalige Stammlager vor sich sieht. Nicht weit davon liegt das KZ Auschwitz-Birkenau. Zwischen 1940 und 1945 töteten die Nazis dort mindestens 1,1 Millionen Menschen, am 27. Januar, dem Tag des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus, jährt sich die Befreiung der Lager durch die Rote Armee zum 73. Mal. Der Fotograf wollte wissen, wie die Menschen in Oświęcim, wie die Stadt auf Polnisch heißt, neben diesem Ort des Grauens leben.

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Alleine 2015 kamen mehr als 1,5 Millionen Touristen, um das Lager zu sehen, die meisten bleiben nur für einen halben Tag und haben wenig Kontakt mit den Einheimischen. Felix Adler reiste 2016 für mehrere Fotoprojekte fünf Mal nach Auschwitz und verbrachte insgesamt sechs Wochen in der 40.000-Einwohner-Stadt. Der 33-Jährige lernte dort ganz normale Kleinstädter kennen, die ihrem Alltag im Schatten des Lagers nachgehen, ohne ständig daran zu denken, was am heutigen Stadtrand früher passiert ist. Vor einem Kasino traf er zwei Deutsche aus dem Ruhrgebiet, die sich nicht fotografieren lassen wollten, sie seien "wegen Geschäften" in der Stadt. Als er sie fragte, ob sie sich das Lager anschauen wollen, antworteten sie: "Welches Lager?" Sie wussten nicht, dass sie in Auschwitz sind.

Beata

"Wenn man darüber nachdenkt, klingt es schon komisch zu sagen: Ich wohne in Auschwitz. Aber eigentlich ist das Leben hier total normal, vor allem das neue Shopping-Center gefällt mir gut."

Leszek

"Ich lebe schon immer in Auschwitz. Konnte ich mir aussuchen, wo ich geboren wurde? Nein. Und von irgendetwas leben muss ich auch", sagt der Besitzer einer Kohlenhandlung auf dem Gelände der ehemaligen Krupp-Munitionsfabrik, die dort von Zwangsarbeitern Artilleriezünder herstellen ließ.

Krzysztof

Der Zeuge Jehovas steht am Sonntagmorgen nach dem Gottesdienst vor dem örtlichen Königreichssaal. "Es ist meine Aufgabe als Zeuge Jehovas, auch an so einem Ort das Wort Gottes zu verbreiten. Eigentlich ist es ja eine Stadt wie jede andere, OK, bis auf die vielen Menschen, die hier getötet wurden, das war wirklich schlimm. Die Menschen müssen daran arbeiten, besser zu werden, und Gott kann ihnen dabei helfen."

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Marija

"Ich wurde in Ostpolen bei Lemberg geboren, das zählt heute zur Westukraine. Dann kam ich hierher nach Auschwitz. Mir gefällt es hier sehr gut, vor allem im Sommer."

Darek

"Ach, es geht mir gar nicht so schlecht hier, die Stadt ist ganz schön und die Touristen, die wegen des Lagers kommen, geben mir immer etwas Geld", sagt Darek. Dann fragt er nach fünf Zloty und Zigaretten.

Martin und Piotr

"Eigentlich ist es nur komisch, wenn du irgendwo anders sagst, dass du aus Auschwitz bist. Wir waren mal im Ferienlager in Posen. Als wir da gesagt haben, dass wir aus Auschwitz sind, haben uns die anderen gefragt, in welcher Baracke wir wohnen", sagt Martin.

Zbyszek

"Alle hier nennen mich King!"

Jan

"Mein Neffe ist James A. Pawelczyk, der erste Pole im Weltall!", wiederholte der Angler immer wieder voller Stolz. Pawelczyk war wirklich NASA-Astronaut – auch wenn er in New York geboren wurde.

Tomasz

Tomasz steht jeden Tag am Ufer der Sola, als wäre er der Bademeister. Er sonnt sich lieber, als viel zu quatschen. In dem Fluss hat die SS früher Teile der Asche aus den Krematorien entsorgt. Der Lagerleiter Rudolf Höß spielte damals mit seinen Kindern am Ufer.

Natalia

"Ich komme gar nicht aus Auschwitz sondern aus Krakau, wir besuchen hier nur die Großmutter von meinem Freund. Aber hier zu wohnen, das fände ich schon komisch."

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