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Popkultur

Die Werbung zu "Buchstaben Yolo" ist direkt aus der Hölle

MC Fitti verkündet in einem Spot, dass Scrabble umbenannt wurde. Ist der Spot noch ein Gag oder schon eine Foltermethode?
Screenshot aus dem YouTube-Video SCRABBLE heißt jetzt BUCHSTABEN YOLO! von Mattel

Millennials und die Generation Z. Wer sind diese jungen Menschen, die – darauf hat sich die Gesellschaft eingeschossen – nicht nur optisch filteroptimiert sein sollen, sondern auch ziemlich dumm und oberflächlich? Kommunizieren sie nur noch in Hashtags und bewegen sich ausschließlich auf Hoverboards fort, die sie als Vollzeit-Influencende ins Kinderzimmer geschickt bekommen haben?

Egal, sicher ist: Sie reden komisch und hören Rap!

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So oder so ähnlich muss der Gedankengang gewesen sein, der den Spielzeughersteller Mattel dazu bewogen hat, sich für eines seiner Produkte einen besonders jungen und frechen Marketing-Gag auszudenken: Scrabble soll in "Buchstaben Yolo" umbenannt werden.

Angekündigt wird das in einem Video, das eine Art clipgewordenes Treten in Lego-Steine geworden ist. Wir erinnern uns, Scrabble ist dieses Gesellschaftsspiel, bei dem man Buchstaben zieht und sie anschließend zu komplizierten Wörtern zusammenlegt, um möglichst viele Punkte abzustauben. Super spannend und aufregend.

Scrabble gibt es seit 1949 (wir sind Millennials und zweifeln deswegen nicht an, was Wikipedia sagt) und wurde schon in Loriots sehr trocken-deutscher Komödie Ödipussi als semi-aufregender Zeitvertreib für die ganze Familie abgestraft. Wenn also selbst ein deutsches Humor-Urgestein (RIP) sich beim Streit um erfundene Wörter für mehr Punkte zu Tode langweilt, wie zur Hölle soll man dann die junge, konsumfreudige Generation ansprechen?

Nun, anscheinend mit MC Fitti und angestaubten Jugendbegriffen.

In einer Explosion aus Plastikbuchstaben taucht MC Fitti hinter der Couch einer Werbefamilie auf und verspricht den gelangweilt am Fidget Spinner drehenden Kindern mit "Buchstaben Yolo" der "Babo im Haus" werden zu können.

Nein, Moment, da haben wir uns vertan: Er rappt nicht mal selbst, sondern tanzt lediglich zu einem Rapsong, der die Vorzüge des gefacelifteten 40er-Jahre-Spiels in veraltetem Jugendsprech anpreist. Als sich der überdrehte Bartträger schließlich doch selbst zu Wort meldet, attestiert er der junggebliebenen Werbe-Mutter: "Du hast Swag, kleine Maus!"

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Für einen kurzen Moment sieht man, wie blanker Horror das Gesicht der Schauspielerin überzieht. Wird ihr in diesem Moment bewusst, dass sie irgendwann mal einen Traum hatte? Einen richtigen Traum von einer richtigen Schauspielkarriere, mit richtigen Rollen. Keine Mini-Auftritte in Werbefilmen, deren Inhalt von einem Bot aus den realitätsfernsten "Jugendwort des Jahres"-Anwärtern der letzten zehn Jahre zusammengeschustert wurde.

Dann ist der Moment vorbei. Die Kamera fährt hektisch auf das Wort "SWAG", die Werbe-Mutter dabbt. "14 Punkte! Fette Props!" ruft MC Fitti, der Rest der Familie jubelt. So als würde irgendjemand, der jemals Scrabble gespielt hat, seinen Gegenspielerinnen und Gegenspielern auch nur einen einzigen Punkt gönnen.

Die Stimmung erreicht ihren Höhepunkt als plötzlich alle Werbefamilien-Mitglieder grüne T-Shirts mit Scrabble-Buchstaben tragen, die zusammen das Wort "YOLO" bilden. "Scrabble heißt jetzt Buchstaben Yolo. Gönnung für die ganze Familie", sagt MC Fitti, während neben ihm "Dreh den Swag auf!" eingeblendet wird. Die Werbe-Kinder wiederholen ein letztes Mal, dass das Gesellschaftsspiel jetzt echt, wirklich – schwöre! – einen neuen, cooleren Namen hat, dann wird das Bild schwarz.

Wir würden nicht sagen, dass wir uns innerlich tot fühlen, aber wenn es ein Gefühl gibt, das dem gleichkommt, was Vögel empfinden, wenn sie mit ölverklebten Flügeln aus dem Meer gezogen werden – dann wäre es genau das.

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Kurz haben wir überlegt, ob wir beim Spielwarenhersteller anfragen sollten, wie ernst das Ganze wirklich gemeint ist. Warum wir uns dagegen entschieden haben? Es ist komplett irrelevant.

Wenn Scrabble in Zukunft wirklich "Buchstaben Yolo" heißen soll, dann zeigt Mattel, dass sie keine Ahnung davon haben, wie man junge Menschen anspricht. Wenn das Ganze ein Werbegag sein soll, dann hat Mattel keine Ahnung davon, wie man Menschen zum Lachen bringt. (Außer vielleicht die Redaktion der FAZ, die sich wissend gegenseitig zunickt. Da wurden dumme junge Menschen aber mal so richtig durch den Kakao gezogen. Kaufen diese 'Playbox'-Konsolen und regen sich auf Twitter über homophobe Gastkolumnen auf. Früher war ALLES besser!)

Immerhin scheint der Konzern selbst verstanden zu haben, dass diese Werbeaktion vielleicht nicht unbedingt dazu beiträgt, dass die junge Generation sich in Zukunft deutlich häufiger zum lustigen Wörter-Legen trifft. Das Video ist auf YouTube "nicht gelistet", was bedeutet, dass man es nur dann aufrufen kann, wenn man den Direktlink hat. Die bisherige Social-Media-Ausbeute: 67 Daumen hoch, 455 Daumen runter und knapp 10.000 Aufrufe bei YouTube sowie Trending Hashtag bei Ironie-Twitter.

Abschließende wichtige Ansage, bevor wir uns alle einer Lobotomie unterziehen und in einer Welt leben, in der es diesen Clip niemals gegeben hat: Gesellschaftsspiele sind die Hölle, machen nur waldorfgeschulten Ethiklehrer-Kindern Spaß und haben mehr negativen Einfluss auf das Aggressionslevel aller Spielenden, als ein Match in Call of Duty je haben könnte.

Wir sind dann mal raus. Mit angerosteten Fidget Spinnern auf Leute werfen, die glauben, dass "Schwanzhund" ein echtes Wort ist.

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