Wie einer der grausamsten Mörder Kanadas gefasst wurde
Foto: The Canadian Press/Jeff McIntosh

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Verbrechen

Wie einer der grausamsten Mörder Kanadas gefasst wurde

Warum folterte und tötete Douglas Garland einen ehemaligen Geschäftspartner, dessen Ehefrau und ihren fünfjährigen Enkel?

Eigentlich macht Archie und Doreen Garlands gut 16 Hektar großes Grundstück in der kanadischen Provinz Alberta einen ganz normalen Eindruck: ein großes Haus, mehrere kleine Holzhütten und weitläufige Grünflächen. Auf zwei Fotos, die ein Flugzeug an zwei sonnigen Tagen Anfang Juli 2014 aus knapp 1,5 Kilometern Höhe schoss, kann man auf dem Areal jedoch etwas Schreckliches sehen: drei Leichen – sehr wahrscheinlich die von Alvin Liknes, 66, seiner Frau Kathy, 53, und deren fünfjährigem Enkelsohn Nathan O'Brien.

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Die Aufnahmen wurden zweieinhalb Jahre später zu wichtigen Beweisstücken, die die Geschworenen von einer Sache überzeugte: Douglas Garland, der mit seinen Eltern auf dem Grundstück lebte, hatte eines der schlimmsten Verbrechen in Kanadas jüngster Vergangenheit begangen.

Douglas Garland stand bereits kurz nach dem Verschwinden von Alvin, Kathy und Nathan im Fokus der Polizei von Calgary. Im Juli 2014 wurde er verhaftet. Im Februar dieses Jahres sprach ihn eine Jury nach einer fünfwöchigen Verhandlung schließlich des dreifachen Mordes schuldig. Der 57-Jährige hatte seine Opfer auf dem Grundstück seiner Eltern gefoltert, getötet und anschließend entsorgt.

Um zu verstehen, warum Douglas Garland die Likneses und ihren Enkel umgebracht hat, müssen wir bis ins Jahr 2007 zurückgehen. Damals war Alvin Liknes im Öl- und Gasgeschäft tätig. Er beauftragte Garland damit, an einer Pumpe zur Trennung von Öl und Wasser zu arbeiten. Liknes ließ die Pumpe patentieren und obwohl sie keinen Gewinn einbrachte, fühlte sich Garland um Anerkennung und womöglich auch um Geld betrogen.

Diese vermeintliche Geringschätzung nagte sieben Jahre lang an Garland. Das bestätigte seine junge Schwester Patti vor Gericht, er habe sich vor ihr oft darüber beschwert, dass ihm Unrecht getan worden sei. Außerdem beschrieb sie ihren Bruder als Einzelgänger ohne Freunde oder Liebesbeziehungen.

Garland war schon vor der Tat mehrfach festgenommen worden

Zudem war Garland schon damals ein verurteilter Verbrecher mit psychischen Problemen. Er war clever genug, um Mitte der 80er Jahre für ein Medizinstudium zugelassen zu werden, brach das Ganze nach wenigen Monaten aufgrund eines Nervenzusammenbruch aber wieder ab (laut CBC wurde er wegen eines Betrugsversuch von der Uni geworfen). Zwischen 1988 und 1999 verstieß Garland dreimal gegen das Waffengesetz und wurde jeweils kurzzeitig festgenommen, zu einer Gerichtsverhandlung kam es allerdings nie.

1992 wurde Garland ein weiteres Mal verhaftet. Man warf ihm vor, auf seinem Farmgrundstück ein Meth-Labor zu betreiben. Nachdem die Behörden ihn auf Kaution wieder freigelassen hatten, floh der damals 33-Jährige in die kanadische Provinz British Columbia und lebte dort sieben Jahre lang als Matthew Kemper Hartley – eine Identität, die er von einem Teenager geklaut hatte, der 1980 bei einem Autounfall ums Leben gekommen war. Unter dem Namen des toten Jungen bezog Garland sogar Arbeitslosengeld.

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Im Jahr 2000 konnte Garland endlich dingfest gemacht und wegen Drogenschmuggels und Identitätsdiebstahls hinter Gitter gesteckt werden. Nach sechs Monaten kamen Psychologen jedoch zu dem Schluss, dass Garlands psychischen Probleme ihn zu den Verbrechen getrieben hätten und er im Grunde ein friedfertiger Mensch sei.


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Machen wir einen Sprung ins Jahr 2014: Die Likneses bekamen Besuch von Kathys Tochter Jen O'Brien und ihren Enkelsöhnen Nathan und Max. Jen entschloss sich spontan dazu, dort zu übernachten. Da Max in einem fremden Bett jedoch nicht einschlafen konnte, brachte ihn seine Mutter gegen 22.45 Uhr nach Hause und ließ Nathan derweilen bei seinen Großeltern. Sie wollte ihn am nächsten Morgen abholen.

Nur Douglas Garland weiß, was genau in den darauffolgenden Stunden passierte. Vor Gericht wurden die Geschehnisse folgendermaßen beschrieben: Irgendwann in den frühen Morgenstunden des 30. Junis brach Garland bei den Likneses ein. Dann schlug er auf Alvin, Kathy und Nathan ein und schleifte sie aus dem Haus. Aufgrund der Blutmenge am Tatort geht man davon aus, dass die drei zu diesem Zeitpunkt noch am Leben waren.

Als Jen O'Brien ihren Sohn abholen wollte, fand sie ein leeres Haus voller Blutspuren vor – im Schlafzimmer von Alvin und Kathy, im Gästezimmer, in dem Nathan schlief, und an den Küchenwänden. Ein Blutfleck auf einer Schranktür sah außerdem so aus, als hätte ihn eine Kinderhand verschmiert.

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"Meine Familie wurde ermordet und er hat die Leichen mitgenommen."

O'Brien rief sofort ihren Ehemann an: "Meine Familie wurde ermordet und er hat die Leichen mitgenommen." Anschließend schaltete sie die Polizei ein.

Die Ermittler kamen zum gleichen Schluss wie O'Brien. Zuerst durchsuchten sie zwar noch das Haus nach Nathan, aber als klar wurde, dass der Junge nicht mehr da war, gingen die Behörden davon aus, ihn nicht mehr lebend zu finden.

Trotzdem wurde eine Vermisstenmeldung herausgegeben und eine groß angelegte Suche organisiert. Bei der forensischen Untersuchung des Hauses der Likneses fand die Polizei einen Zahn, der wohl Alvin Liknes gehörte. Eine DNA-Analyse zeigte, dass das Blut tatsächlich von den drei Opfern stammte.

Der Fall erregte schnell landesweit Aufmerksamkeit. Dafür verantwortlich war auch die emotionale öffentliche Ansprache, die die O'Briens am 2. Juli hielten. "Nathan, ich hoffe, du hörst meine Stimme und weißt, dass Mama und Papa dich über alles lieben", sagte Jen, während sie mit den Tränen kämpfte. "Halte durch, Nathan. Du bist unser Superheld und musst jetzt stark sein. Wir werden uns wiedersehen."

Niedergelegte Blumen und Kerzen vor dem Grundstück der Likneses | Foto: imago/ZUMA Press

Bei der Polizei gingen daraufhin Hunderte Hinweise und Dutzende Überwachungsvideos ein. Dazu wurden weitere DNA-Spuren untersucht. Am 4. Juli verkündeten die Behörden schließlich, dass man nach dem Fahrer eines grünen Ford-Pick-up-Trucks suche. Zeugen hatten das Fahrzeug in der Nacht des Verschwindens mehrere Male in der Gegend gesehen. Später soll der Truck in Richtung des Grundstücks der Garlands weggefahren sein.

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Garlands Schwester war sich sicher, den Truck schon mal vor dem Zuhause ihrer Eltern gesehen zu haben. Dann fiel ihr wieder ein, wie sehr ihr Bruder Alvin Liknes hasste. Deshalb ließ sie ihren Sohn das Fahrzeug fotografieren, leitete die Bilder an ihren Ehemann weiter und der gab sie wiederum der Polizei. Am nächsten Tag wurde Douglas Garland verhört.

Die Polizei fand Garlands "Entführungsausrüstung"

Später stellte sich heraus, dass Garland bereits im Fokus der Behörden stand. Also wurde direkt eine groß angelegte Durchsuchung des Grundstücks der Garlands veranlasst. Allerdings wurde dort keine der drei Personen gefunden. Dafür stießen die Beamten bei der Suche direkt auf einen verdächtigen Gegenstand: eine Reisetasche mit Handschellen, einem großen Messer und einem Schlagstock. Die Polizei bezeichnete das Ganze später als Garlands "Entführungsausrüstung".

Noch während die Behörden nach weiteren Hinweisen suchten, wurde Douglas Garland vorläufig festgenommen. Vor einen Richter kam er dann allerdings nur wegen des Vorwurfs des Identitätsdiebstahls. Die Polizei hatte nämlich Dokumente mit dem Namen von Matthew Kemper Hartley gefunden, dem oben erwähnten toten Teenager.

Währenddessen ging die Suche nach den drei Vermissten weiter. Knapp 300 Beamte durchsuchten in und um Calgary herum verschiedene Müllhalden, Felder, ein weiteres Grundstück neben dem der Garlands und ein nahegelegenes Feuchtgebiet.

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Am 11. Juli wurde Douglas Garland auf Kaution freigelassen. Man wies ihn an, nicht zum Grundstück seiner Eltern zurückzukehren, sondern stattdessen in einem Hotel zu übernachten. Garland wollte nicht hören: In der Nacht vom 13. auf den 14. Juli machte er sich auf den Weg nach Hause. Dabei war ihm nicht bewusst, dass die Polizei ihn überwachte. Und so klickten erneut die Handschellen.

Noch am gleichen Tag verkündete Polizeichef Rick Hanson bei einer Pressekonferenz, dass man Garland wegen vorsätzlichen Mordes in zwei Fällen und Mordes mit bedingtem Vorsatz in einem Fall anklagen werde. Außerdem gab er bekannt, dass das Ehepaar Liknes und Nathan O'Brien den Ermittlern zufolge tot seien – obwohl man die Leichen nicht gefunden hatte. Dafür kamen andere schreckliche Dinge ans Tageslicht.

Er wollte nicht einfach nur töten – er wollte sie vorher erniedrigen, foltern und möglicherweise sogar sexuell missbrauchen.

Bei der Gerichtsverhandlung wurden die Geschworenen und die Öffentlichkeit mit Beweisen konfrontiert, die selbst erfahrene Polizisten bei ihrer Aussage aus der Fassung brachten. Aufgrund der weiteren auf Garlands Grundstück gefundenen Gegenstände war klar, dass der Angeklagte wie besessen von den Likneses war und diese nicht einfach nur töten wollte. Nein, er wollte sie vorher erniedrigen, foltern und möglicherweise sogar sexuell missbrauchen.

Folgende Dinge konnten die Behörden während der Durchsuchung sicherstellen:

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- ein Schuhkarton, der zu den blutverschmierten Fußspuren im Haus der Likneses passte. Dazu noch Ganzkörperanzüge, die Gerichtsmediziner an Tatorten tragen, Gummihandschuhe, ein Regenmantel, große Damenschuhe, zwei blonde Perücken, eine Zwangsjacke und rund 50 gestohlene Erwachsenenwindeln

- Pistolenteile, Schalldämpfer und Munition. Dazu eine verkohlte Leiterplatte für Autoschlüssel, die zu dem Toyota-Truck der Likneses passten, Werkzeuge zum Schlösserknacken, Vorhängeschlösser und Schlüsselrohlinge

- eine halbleere Flasche Chloroform, eine Flasche Insulin, eine Flasche RNasen (eine Chemikalie, die DNA abbauen kann), ein blutgerinnendes Pulver und zwei leere 50-Liter-Kanister Flüssigstickstoff

- gut ein Dutzend Handschellen (davon mindestens ein Paar in Kindergröße), Lederfesseln und zwei Peitschen

- mehrere Messer, zwei Fleischerhaken und eine große Metallsäge. Auf einem der Fleischerhaken befand sich die DNA von Kathy Liknes, auf der Metallsäge die DNAs von Alvin Liknes und Nathan O'Brien. Ein Spürhund entdeckte im Bereich um die Metalltonne herum außerdem kleine Stücke verbranntes Fleisch

- die Bücher Be Your Own Undertaker: How To Dispose Of A Dead Body und Silent Death

- eine Festplatte, die unter den Brettern des Kellerbodens versteckt worden war. Der Inhalt zeigt deutlich, was Garland bei der Vorbereitung der Morde durch den Kopf ging.

Der digitale Forensiker Doug Kraan untersuchte die insgesamt 112 Gigabyte an Daten. Vor den Geschworenen erzählte er dann, dass sich darunter auch einige Dokumente übers Töten befanden – unter anderem die Bücher How to Kill Without Joy: The Complete How to Kill Book und The Death Dealer's Manual sowie eine Autopsie-Anleitung. Des Weiteren stieß der Beamte auf sexuelle Fotos von unterwürfigen Männern und Frauen in Erwachsenenwindeln und Bilder von Kathy Liknes. Aber auch Dokumente zu den Geschäften und Patenten von Alvin Liknes waren auf der Festplatte.

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Die Mordopfer | Foto: YouTube-Screenshots

Dann war da noch der Ordner mit dem Titel "Gore", in dem sich 87 Fotos von toten und verstümmelten Menschen oder Körperteilen befanden. Kraan verfolgte außerdem den Google-Suchverlauf von Garland zurück. Neben persönlichen Angaben zu den Likneses hatte der Angeklagte unter anderem nach Information zu Amputationen, Autopsien, schmerzhafter Folter, Sezierungen und Blutentnahmen gesucht – und versucht herauszufinden, wie man Knochen zermahlt. Außerdem ließ sich Garland erklären, wie sich das Schloss vom Haus der Likneses aufbrechen lässt.

Am 6. Februar dieses Jahres brachte die Staatsanwaltschaft gegen Ende der Gerichtsverhandlung eines der wichtigsten Beweisstücke vor: die am Anfang erwähnten Luftaufnahmen, die das Flugzeug eines Landkartenunternehmens am Morgen des 1. Juli 2014 gemacht hatte. Auf diesen Fotos waren drei nackte Leichen zu sehen – zwei Erwachsene, denen wahrscheinlich der Kopf fehlte, und ein Kind. Damit war der Fall gegen Douglas Garland quasi entschieden.

Nach den Fotos baten die Geschworenen den Richter um eine Pause. Denn in den für die Familie reservierten Zuschauerreihen weinten die Anwesenden lautstark, darunter auch Nathan O'Briens Mutter. Nach der Unterbrechung sagte der Pilot des Flugzeugs aus, dass die Leichen auf weiteren Fotos, die er 26 Stunden nach den ersten Aufnahmen schoss, nicht mehr zu sehen waren.

Douglas Garland zeigte keine Reue

Douglas Garland plädierte selbst für nicht schuldig. Ansonsten sagte er während der ganzen Verhandlung kein Wort und saß nur zusammengekauert auf seinem Stuhl. Er zeigte keine Anzeichen von Reue.

Nach achteinhalb Stunden Beratungszeit kamen die Geschworenen zu ihrem Urteil: schuldig. Am 17. Februar verkündete der Richter David Gates dann das Strafmaß: dreimal lebenslange Haft, Chance auf Bewährung frühestens nach 75 Jahren. "Durchtriebenere, grausamere und schrecklichere Umstände kann man sich nur schwer vorstellen", sagte er.

In seinem Schlussplädoyer sprach der Staatsanwalt Shane Parker davon, dass Douglas Garland nicht mehr resozialisiert werden könne: "Diese Tat zeugt von purer Boshaftigkeit. Und das Böse kann man nicht rehabilitieren."

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