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Rassismus

Dieser Leipziger Jura-Professor wünscht sich ein "weißes Europa"

Schon letztes Jahr solidarisierte er sich mit Pegida, doch die Unileitung will erst jetzt reagieren.

Thomas Rauscher sitzt inmitten von Kollegen und wirkt doch sehr allein. Als die Moderatorin ihn im Audimax der Uni Leipzig ankündigt, applaudieren die Studenten nur verhalten. Das war Anfang 2016, damals wollte die Unileitung mit dem Professor für ausländisches und europäisches Privat- und Verfahrensrecht an der juristischen Fakultät diskutieren, über Sätze wie diese: "Es ist natürlich, sich zu wehren, wenn die eigene Kultur untergeht. Die 'Angst des weißen Mannes' sollte wehrhaft werden!" und "Je suis Pegida!". Er hatte sie neben anderen neurechten Parolen bei Twitter veröffentlicht. Geändert hat sich seitdem: nichts.

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Noch immer verbreitet Rauscher bei Twitter politische Thesen, die wie Einträge aus Alexander Gaulands Tagebuch klingen. Jetzt ließ er die Welt wieder daran teilhaben. Anfang der Woche solidarisierte der 62-Jährige sich mit rechtsextremen Demonstranten in Polen und schrieb: "'Ein weißes Europa brüderlicher Nationen'. Für mich ist das ein wunderbares Ziel!".

Screenshot: Twitter

Dann wandte er sich Richtung Süden. "Wir schulden Afrika und den Arabern nichts", twitterte er, "sie haben ihre Kontinente durch Korruption, Schlendrian, ungehemmte Vermehrung und Stammes- und Religionskriege zerstört und nehmen uns nun weg, was wir mit Fleiß aufgebaut haben."

Im Netz erntete er dafür Lob, aber vor allem Kritik. Doch es wirkt nicht, als habe er für seine Gegner Verständnis.

Denn wenn Thomas Rauscher auf 280 Zeichen politisch krude Dinge schreibt, beruft er sich auf die Meinungsfreiheit. Nach dem Gesetz ist das für Professoren kein Problem, solange sie ihre Meinung nicht in einer Vorlesung äußern. So rechtfertigte die Uni Kassel im Juli auch, dass sie einen homophoben Professor nicht rausschmiss.


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Die Uni Leipzig verwies im letzten Jahr in einem Statement zu Rauscher ebenfalls auf die Meinungsfreiheit. Obwohl sie seine Äußerungen verurteile, könne man gegen Universitätsangehörige nichts tun: "Solange sie sich als Privatperson äußern, werden wir damit leben müssen."

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Nach Angaben von Julius Kurth, Sprecher des Fachschaftsrats Jura der Uni Leipzig, kursierten zwar Aussagen von Studenten, nach denen Professor Rauscher sich in Vorlesungen durchaus rassistisch und sexistisch geäußert habe. Dafür gebe es jedoch keine Belege. "Mein subjektiver Eindruck im Rahmen der Vorlesung Familienrecht, welche ich im Wintersemester 2016/2017 besuchte, war, dass Professor Rauscher sich darum bemühte, möglichst keine politischen oder in sonstiger Weise kontroversen Aussagen zu treffen", so Kurth gegenüber VICE.

Ob sich Rauscher mit seinen jüngsten Äußerungen noch hinter der Meinungsfreiheit verstecken kann, findet Holger Mann, der hochschulpolitische Sprecher der SPD im Sächsischen Landtag, diskutabel. "Diese bei Twitter veröffentlichten Äußerungen von Herrn Rauscher sind eines deutschen Professors unwürdig. Sie sind weder mit wissenschaftlicher Auseinandersetzung noch mit dem Mäßigungsgebot eines Beamten vereinbar", schreibt Mann auf VICE-Anfrage. Deutliche Kritik daran sei keine Hexenjagd, sondern ein Gebot des Anstandes. Auch die sächsische Staatsministerin für Wissenschaft und Kunst, Eva-Maria Stange, empört sich.

Mittlerweile schlägt auch die Unileitung einen anderen Ton an. "Natürlich nehmen wir den Vorgang sehr ernst", schreibt eine Sprecherin an VICE. Seit der Diskussion im letzten Jahr sei Professor Rauscher nicht mehr als Ausländerbeauftragter der Fakultät eingesetzt worden. "Wir werden nun Untersuchungen einleiten und dienstrechtliche Schritte gegen Herrn Prof. Rauscher prüfen", gab die Universität in einem neuen Statement bekannt.

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Thomas Rauscher bedient sich der Meinungsfreiheit, er hat ein Recht darauf. Doch was er aus ihr macht, ist ein Problem. Er nutzt die Meinungsfreiheit, um Unwahrheiten zu verbreiten. Denn Europa schuldet dem afrikanischen Kontinent und der arabischen Welt einiges. Europäische Kolonialherren beuteten die Länder aus – mit großem Fleiß zwar, aber vor allem mit Waffe und Peitsche – und gingen brutal gegen die einheimische Bevölkerung vor. Und zwar viel länger, als das Ende der Kolonialherrschaft heute zurückliegt. Von wegen lange her. Bis in die 1920er zog auch Deutschland die willkürlichen Grenzen, die noch heute die von Rauscher erwähnten Stammes- und Religionskriege schüren. Seine Pauschalierungen sind nicht nur unwissenschaftlich, sie sind schlicht Blödsinn.

Rauscher nutzt die Meinungsfreiheit nicht als Instrument, um eine Diskussion zu eröffnen; er will dafür sorgen, dass sie gar nicht erst geführt wird. Er beruft sich auf die Moral, um damit Unmoral zu rechtfertigen. Ich sage meine Meinung und jeder, der mich dafür angreift, greift meine Freiheit an – das meint Rauscher anscheinend wirklich ernst.

Und er nutzt die Meinungsfreiheit als Machtinstrument. Rauscher ist Uni-Professor, leitet als Direktor sogar ein Institut. Für Studenten, die sie betreffen, müssen seine Äußerungen beängstigend klingen, bedrohlich gar. Für Nicht-Weiße, für Menschen afrikanischer oder arabischer Herkunft zum Beispiel.

Inzwischen ist Thomas Rauscher weniger auskunftsfreudig. Sein Twitter-Account ist seit Donnerstagmorgen nicht mehr erreichbar. In einem letzten Tweet schrieb er, die Rufmord-Versuche gegen ihn hätten ihn dazu veranlasst, den Account zu schließen. Auf eine Anfrage von VICE antwortete er nicht. Dass Rauscher seinen Einfluss als Professor nutzt, um sich klar gegen Rassismus auszusprechen – darauf werden wir wohl noch lange warten müssen.

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