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Rassismus

Ein Nationalrat spricht von "N*****" und keinen interessiert's

Im Berner Stadtrat macht Erich Hess rassistische und sexistische Sprüche.
Erich Hess im Parlament
Foto von Facebook

Eines von Erich Hess' liebsten Hobbys, glaubt man seiner Webseite, ist Schiessen. Besonders gerne gegen die Reitschule und Ausländer. Dass die neue Generation von SVP-Politikern in der Öffentlichkeit und auf Social Media gern provoziert und nicht viel auf Political Correctness gibt, ist wohl gewollt und kalkuliert. Dieser Trump'sche Politstil, den auch andere SVP-Politiker wie Andreas Glarner schon längst übernommen haben, brachte den ehemaligen Vorsitzenden der Jungen SVP bis in den Nationalrat. In einem Protokoll aus der Stadtratssitzung von Bern – auch im lokalen Parlament hat Hess einen Sitz inne – bestätigt Hess wiedermal seinen Hang nach Rechtsaussen.

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Als der Stadtrat über eine FDP-Motion zur Aufwertung der Brückenbogen bei der Schützenmatte (der Parkplatz vor der Reitschule) diskutiert, meldet sich Erich Hess im Namen der SVP-Fraktion zu Wort. Den Vorschlag, durch eine Aufwertung der Brückenbögen mit Geschäften und Restaurants den Drogenhandel auf der Schützenmatte zu verdrängen, bezeichnet Hess als Kosmetik und greift dabei tief in die Seximusschublade: Er vergleicht die Idee mit einer hässlichen Frau, die man mit Make-Up vergeblich aufzuhübschen versucht. Nur zwei Sätze später meint Hess, dass man auf der Schützenmatte täglich "N****" sehen würde, die dort dealen. Seine Aussagen machte Hess bereits am 29. Juni während der Stadtratssitzung. Publik wurden sie vergangenen Freitag, als die Stadt Bern die Protokolle dazu veröffentlichte.

Es ist ungefähr dasselbe, wie wenn man eine hässliche Frau mit Make-up aufzuhübschen versucht. (…) Tag für Tag sieht man dort hauptsächlich N**** am Dealen.

Erich Hess' Aussage zum FDP-Vorschlag die "Dealer auf der Schützenmatte" durch Aufwertung zu vertreibe

Gemäss den Protokollen kann Hess nach seinen Aussagen unbehelligt weiterreden. Auch die nächsten Redner von den Grünen und der SP verlieren kein Wort zu Erich Hess' Aussagen. Wie steht es um die Diskussionskultur in Schweizer Parlamenten, wenn Rechtsaussen-Politiker keine Gegenwehr befürchten müssen, wenn sie "N****" als legitime Bezeichnung verwenden? Stéphanie Penher vom Grünen Bündnis Bern sprach direkt nach Erich Hess und sagte gegenüber VICE, dass sie wegen der schlechten Akustik die Aussage von Hess' gar nicht gehört habe. Es sei aber nicht das erste Mal, dass Hess auffalle: "Im Februar sprach Hess mehrmals von 'Zigeunern'. Das führte damals zu viel Aufregung", sagte Penher.

Auch Michael Sutter von der SP sprach kurz nach Hess und verzichtete darauf, auf dessen Worte einzugehen, um Hess nicht noch mehr Aufmerksamkeit zu schenken, wie er gegenüber VICE erklärte. "Die wiederholten verbalen Entgleisungen von Erich Hess und anderen Stadtratsmitgliedern waren zudem bereits mehrfach Thema unter den Fraktionspräsidentinnen und -präsidenten und es wird immer wieder versucht, Lösungen zu finden, um dies zukünftig zu verhindern", erklärte Sutter den Umgang mit Erich Hess im Parlament. Der für Ermahnungen zuständige aktuelle Präsident Christoph Zimmerli reagierte bislang nicht auf Anfragen von VICE, warum Erich Hess nicht zurechtgewiesen wurde. Für den Fall, dass Erich Hess nicht über einen ausreichenden Wortschatz verfügt, hat der Duden jedenfalls genügend alternative Bezeichnungen auf Lager.

Update 15.08.2017: Der zuständige Stadtratspräsident reagierte auf die Anfrage von VICE und sagte, dass er die Einschätzung teile, "dass solcherlei Aussagen rassistisch und sexistisch sind. Mich persönlich widern solche Aussagen an und ich verurteile sie aufs Schärfste. Über das weitere Vorgehen in diesem konkreten Fall wird das Präsidium entscheiden", erklärte Christoph Zimmerli in seinem Statement. Für ihn ist Hess kein Einzelfall: "Es ist seit Jahren bekannt, dass im Stadtrat von Bern und anderen Parlamenten der Schweiz einzelne Mitglieder sich in problematischer Weise äussern und provozieren. Trotzdem werden solche Personen immer wieder vom Volk gewählt", erklärte der Stadtratspräsident gegenüber VICE.

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