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Nazis

Der deutsche Staat soll bis heute Renten an ausländische Waffen-SSler überweisen

Das behaupten belgische Politiker. Die Bundesregierung dementiert.
Ein SS-Soldat
Symbolfoto ||| Collage bestehend aus: Nazi: imago | ZUMA Press || Geld: Wikimedia | Emilian Robert Vicol | CC   

Der deutschen Bürokratie eilt der Ruf einer kalten Maschine voraus. Sie funktioniert nach Regeln, die keine Ausnahmen dulden. Das könnte auch dazu geführt haben, dass selbst ehemalige Waffen-SS-Mitglieder noch Rente vom Deutschen Staat bekommen.

Seit mehreren Jahrzehnten sollen etwa 30 belgische SS-Freiwillige Zusatzrenten aus Deutschland beziehen, zwischen 425 und 1.275 Euro im Monat. Das berichtet die Deutsche Welle mit Bezug auf den belgischen Historiker Alvin de Coninck. Der Tagesspiegel hingegen schreibt von 18 Leistungsempfängern, die laut dem Bundesarbeitsministerium jedoch keine ehemaligen Mitglieder der Waffen-SS seien.

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Das Ministerium reagierte mit dieser Äußerung am Mittwoch auf ein Schreiben aus dem Belgischen Parlament. Darin forderten Abgeordnete Deutschland dazu auf, belgische Nazi-Kollaborateuren nicht weiterhin die Rente zu finanzieren, während ihre Opfer leer ausgingen.


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Der Rentenanspruch belgischer Waffen-SS-Kollaborateure geht auf einen sogenannten "Führererlass" Adolf Hitlers zurück. Demnach sollten auch ausländische Waffen-SS-Mitglieder Rente erhalten. Den freiwilligen Dienst in der Wehrmacht oder Waffen-SS belohnten die Nazis außerdem mit der deutschen Staatsbürgerschaft. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden bis zu 80.000 Belgier als Kriegsverbrechen und Nazi-Kollaborateure verurteilt. Wie viele von ihnen später ihren Schrebergarten mit Rentengeld aus Deutschland finanzierten, ist unklar.

Dass es belgische Waffen-SS-Rentner geben soll, ging in Belgien erstmals 2016 durch die Medien. Schon damals forderten belgische Politiker die Bundesregierung auf, die Namen der Waffen-SS-Freiwilligen rauszurücken. 2018 hatte der Wissenschaftliche Dienst des Bundestags eine Liste an Gründen geliefert, warum das nicht geht: Die Deutsche Rentenversicherung Bund verfüge über keine Daten, welche Waffen-SS-Mitglieder nach dem Bundesversorgungsgesetz rentenberechtigt seien, hieß es darin. Das ist Sache der Länder. Außerdem dürfe man den belgischen Behörden alleine schon aus Datenschutzgründen keine Infos über Rentner und die Höhe ihrer Bezüge mitteilen. Und zu guter Letzt existiere keine vollständige Übersicht ehemaliger Angehöriger der Waffen-SS. Dafür haben die Nazis in den letzten Kriegstagen gesorgt.

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Olivier Maingain ist einer der drei belgischen Abgeordneten, die jetzt erneut die Bundesregierung gedrängt haben, die Daten herauszugeben. Und er glaubt sogar, dass belgische Altnazis ihre Rente steuerfrei genießen: "Die Namen dieser Personen sind dem deutschen Botschafter hier bekannt, aber sie werden nicht an die belgische Zentralregierung weitergegeben, daher können auch keine steuerpolitischen Maßnahmen ergriffen werden", sagte Maingain laut Deutsche Welle.

Auch die deutsche Seite hat bereits versucht, Kriegsverbrecher nicht auch noch mit einer Rente zu belohnen. 1998 wurde das Bundesversorgungsgesetz so geändert, dass ein ehemaliger Soldat keine Leistungen mehr beziehen darf, wenn er "während der Herrschaft des Nationalsozialismus gegen die Grundsätze der Menschlichkeit oder Rechtsstaatlichkeit verstoßen hat". Wenn jemand freiwillig in der SS war, sei das ein möglicher Anhaltspunkt. Leider gilt dieses Gesetz aber nur für Leute, die ihre Rentenanträge nach dem 13. November 1997 gestellt haben. Also eine verschwindend geringe Zahl an Leuten. Deshalb seien damals laut der Linkspartei-Abgeordneten Ulla Jelpke nur 0,01 Prozent der Bezugsberechtigten ausgeschlossen worden.

Ob es sich bei den Belgiern wirklich um Kriegsverbrecher handelt, wird man erst sagen können, wenn ihre Identitäten geklärt sind – wenn man mit Sicherheit weiß, dass es sie wirklich gibt. Wie es aussieht, werden sich die belgischen Behörden selbst darum kümmern müssen.

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