Gentrifizierung

Punks vs Billionaires: Wie sich die Berliner Kneipe Syndikat gegen einen Immobilienriesen wehrt

In Berlin fechten die Betreiber und Unterstützer einer legendären alternativen Bar einen ungleichen Kampf mit drei britischen Milliardären aus. Wir haben sie begleitet.

Die Pears-Brüder sind drei der reichsten Menschen Großbritanniens und gehören zu den mächtigsten Immobilienmogulen Europas. Experten schätzen den Wert ihres Imperiums auf mindestens 3 Milliarden Pfund – knapp 3,5 Milliarden Euro. Trotzdem hast du wahrscheinlich noch nie von Mark, Trevor and David Pears gehört.

Sie fliegen am liebsten unter dem Radar der Öffentlichkeit. Dabei besitzen sie riesige Villen am Rande von London, eine 70 Meter lange Jacht – ach ja, und 6.000 Wohnhäuser in ganz Deutschland, die Pears laut Recherchen von correctiv und Tagesspiegel auch über ein weit verzweigtes Netz von Briefkastenfirmen besitzen soll. Und eines der Pears-Objekte in Berlin bringt den Brüdern noch mehr ungewollte Aufmerksamkeit, denn darin befindet sich die Punk-Bar "Syndikat".

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Das Syndikat war schon vor dem Mauerfall im Neuköllner Kiez

In der Szenekneipe in einer ruhigen Seitenstraße in Neukölln kommt täglich ein gesunder Mix aus Anwohnenden, Anarchistinnen, Immigranten, jahrelangen Stammgästen und Zugezogenen zusammen. Ab und an schauen auch Prominente wie Tom Morello, der Gitarrist von Rage Against the Machine, vorbei. Das Syndikat hat schon einiges miterlebt: Die Bar war vor dem Mauerfall da – und bevor die ganzen Restaurants und Kunstgalerien eröffneten, die den Schillerkiez heute zu einer von Berlin begehrtesten Wohngegenden machen.

Letztes Jahr entschied Pears Global allerdings, dass die Bar schließen muss. Ohne eine Angabe von Gründen. Ein stellvertretender Immobilienmakler gab den Betreibern der Kneipe, dem Syndikat Kollektiv, nur wenige Monate Zeit, alles zusammenzupacken und auszuziehen. Verhandlungsspielraum? Fehlanzeige. Dabei wäre das Kollektiv sogar bereit gewesen, mehr Miete zu zahlen. Nach 33 Jahren schien die Kiezinstitution vor ihrem Ende zu stehen.

Viele Mitglieder der linken Szene nahm der Räumungsbescheid richtig mit. Sie hingen an ihrer Bar, in der schon viele Demonstrationen geplant und Versammlungen abgehalten wurden. Aber auch andere Stammgäste waren am Boden zerstört. Für Balu, ein blinder Anwohner und selbsternanntes "Urgestein vom Syndikat", zählt die Kneipe zu den wenigen Orten, an denen er sich wirklich geborgen fühlt und auf Menschen trifft, die er gern hat: "Wenn das Syndi nicht mehr ist, dann hab ich nichts mehr."

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So wie das Syndikat kämpfen viele in Berlin und anderen Großstädten

Das Kollektiv und die Gäste haben deshalb immer wieder Demonstrationen und Benefizkonzerte zum Erhalt ihrer Kneipe veranstaltet. Einige von ihnen sind sogar nach London geflogen, um die Pears-Brüder direkt mit ihrem Anliegen zu konfrontieren (wie das ablief, seht ihr in unserem Video).

Der ungleiche Kampf zwischen dem Kollektiv und dem milliardenschweren Immobilienunternehmen steht stellvertretend für unzählige ähnliche Auseinandersetzungen, die sich in den Großstädten dieser Welt seit Jahren abspielen.

Lukas, ein Mitglied des Syndikat-Teams, sieht diese Entwicklung auch in Berlin. Er war Teil des linken Szenetreffs "Friedel 54", der 2017 gewaltsam geräumt wurde. Für ihn sind solche Verluste Teil eines größeren Zusammenhangs: "Wenn immer mehr solcher Orte verschwinden, sind wir auf dem Weg zu Innenstädten, in denen kein normaler Mensch mehr leben oder ausgehen kann. Was bleibt, ist eine Stadt, die als Theaterschauplatz dient."

Charme, Seele und Geborgenheit sind Dinge, die auf dem Immobilienmarkt leider nicht beziffert werden können. Für die Pears-Brüder ist eine Stadt aber auch kein Ort zum Wohnen, sondern zum Geldverdienen.

Offiziell hätte das Syndikat am 1. Januar geräumt werden müssen, doch das Kollektiv rückte die Schlüssel nicht raus. Noch bleibt die Kneipe geöffnet. Das Syndikat und die Pears-Brüder werden sich nun wohl erst vor Gericht wiedersehen – und es wird um so viel mehr gehen als nur eine kleine Immobilie in Neukölln.

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