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Film

Wir haben uns 'Trainspotting' nach 20 Jahren noch einmal angesehen

Hier die wichtigsten Dinge, die es über Renton, Spud, Sick Boy, Diane, Begbie, Heroin und Toiletten-Etiquette zu lernen gibt.

Manche Filme hinterlassen Narben. Gute Narben, auf eine gewisse Art. Trainspotting ist einer der essentiellsten Bausteine der 90er – und zwar nicht nur, was die Filmgeschichte angeht. Danny Boyles Buchverfilmung von Irvine Welsh ist damals in so ziemlich jedem WG-Zimmer der Welt gehangen und in diesem grauslich-schönen Meisterwerk kulminiert eine Vielfalt an Jugendkulturen: drogenmissbrauchende, britische, antibritische (aka: schottische), elektronische, modische, gammelnde, gewaltverherrlichende und fußballspielende.

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Die Cover-Art der DVDs beziehungsweise VIDEOKASSETTEN (!) alleine war mit den orange/schwarzweißen Tönen und der Steckbrief-Darstellung der Charaktere eine der seltenen Neuheiten am Coverdesign-Markt und könnte heute genauso gut als Symbolbild neben dem Beitrag zu "90er-Jahre-Design" im Brockhaus stehen. Der Look hat sich ähnlich eingebrannt wie Iggy Pops "Lust For Life", das Geräusch, wenn Renton das Kondom von seinem Penis zieht oder das an der Decke krabbelnde Heroin-Baby. Narben, wie gesagt. Also tun wir, was Fans auch vor neuen Star Wars-Teilen gerne tun, und lassen die Quelle des Mythos kurz vor einem Sequel noch einmal an unseren erweiterten Pupillen vorbeiziehen.

Wir haben uns Trainspotting nach langem endlich wieder angesehen – und sind immer noch begeistert, obwohl (oder grade weil) wir ein paar Dinge jetzt erst gecheckt und unsere alten Narben damit offiziell "aufgefrischt" haben.

Renton hat uns allen Hoffnung gegeben

Ein Freund damals im Studentenheim war der größte Trainspotting-Fan aller Zeiten. Er rasierte sich die Haare kurz wie Renton und verherrlichte seinen Drogenkonsum. Statt Heroin war es bei ihm das Kiffen – zum Glück, sage ich mal –, aber diese spielerische Hingabe gegenüber einer etwas schrägen Figur aus einem noch schrägeren Film bewies, dass Renton für ihn und sein Umfeld etwas symbolisierte. Etwas, das ich auch irgendwie fühlte, obwohl ich mir nicht die Haare deswegen rasierte.

Beim erneuten Schauen bemerkte ich plötzlich, dass ich derselbe Loser war wie Renton, der in seinen 20ern kettenrauchend auf irgendwelchen Free-Tekk-Partys in die Vergessenheit feiern und vor allem unterbewusst wie er sein wollte. Auch ich hatte kaputte Freunde, wollte aus allem raus und war gleichzeitig doch zu gerne ein fauler Penner, der die Schuld auf andere abwälzte.

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Die Figur des Renton ist wie ein Lichtblick, am Ende des heruntergekommensten Verlierer-Tunnels.

Gleichzeitig hat er Erfolgsmomente, wenn auch meistens nur kurzeitig –
Erfolgsmomente mit Arbeit in London, Mädchen und der Loslösung vom alten
Freundeskreis. Die Figur des Renton ist wie ein Lichtblick, am Ende des heruntergekommensten Verlierer-Tunnels. Er ist das abgefuckte, britische Äquivalent zu einer richtig ikonischen Star Wars-Rolle – wie zum Beispiel eine Art "Hero-in Kenobi". Und nein, ich lösch diesen Witz sicher nicht raus.

Diane ist Girl Power in Reinform

Einen sexy Junkie-Dude auf einem Rave einfach abzuschleppen, zu ficken und dann nach abgelieferten Orgasmus direkt wieder vor die Tür zu setzen, ist wohl eine der coolsten Aktionen eines Filmmädchens überhaupt. Ich war zutiefst von dieser Frau beeindruckt – und erneut überrascht, als sie sich als minderjährige Schülerin herausstellt. Das hatte ich ganz vergessen. Außerdem bemerkte ich, dass die Figur einige meiner Vorlieben hinsichtlich Selbstbestimmtheit und rotzfrecher Offenheit bei Frauen mitbestimmt hat.

Diane ist wie Spice Girls "Behind The Scenes". Sie ist so, wie ich mir Girl Power und Mädchen in ihrer unverstellten Reinform gerne vorgestellt habe. Ihr ganzer Auftritt hatte etwas Befreiendes und Mädchenfreunde von damals liebten dieses irre und gleichzeitig irre liebe Verrückte. Gleichzeitig besteht sie beim One Night Stand mit Renton aber auch auf das Kondom, was weniger nach 90er und viel mehr nach verantwortungsvoller moderner Sexualität wirkt und sie damit noch cooler macht. Mädchen, die wissen was sie wollen, und einfach an- beziehungsweise zupacken, sind eben einfach super. Wenn ich kurz pathetisch werden darf: Ich halte sie für eine zu Unrecht unbesungene Gallionsfigur der weiblichen Emanzipation im Film.

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Freunde kann man sich nicht immer aussuchen. Halt, doch, kann man.

Vielleicht merkt man erst gegen 30, dass die cholerischen Kumpels, die mit Biergläsern um sich werfen oder die narzisstischen Egozentriker, die einen nur benutzen, keine wirklich guten Freunde sind. "Er ist ein Kumpel, was kann man da machen." Dieser Satz aus Trainspotting hatte beim erneuten Schauen plötzlich eine komplett neue Wirkung. Ich kann mich erinnern, wie ich damals tatsächlich so dachte. Nach diesen vielen Jahren kann ich diesem Satz überhaupt nicht mehr zustimmen – und checke erst jetzt, dass er vielleicht auch nie ernst gemeint war.

Auch wenn man keine Soziopathen-Freunde hatte, wie Begbie oder Sick Boy, lernt man an einem bestimmten Punkt, wer keine und wer eben sehr wohl wirkliche Freunde sind. Im Zuge einer psychosozialen Selbst-Inventur vielleicht. Die, die einen um tausende Euros (oder Pfund) bescheißen oder sich Videos von deinen Amateurpornos mit der Freundin anschauen, zählen wohl eher nicht dazu. Spud ist da eine interessante Figur, weil er gleichzeitig Mitleid und ein Verlangen nach Flucht auslöst. Aber wenn ich die Wahl hätte, würde ich eher mit dem Dude befreundet bleiben, der besoffen ins Bett kackt und fürs Job-Interview Speed zieht, als mit dem selbstverliebten Junkie, der über Bond monologisiert (gibt es sehr viel Langweiligeres?) oder dem Typen, der immer kurz davor ist, dir das Gesicht zu brechen (gibt es sehr viel Beschisseneres?).

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Screenshot aus 'Resident Evil 7', was meinen Schließmuskel mindestens so strapazierte, wie der Heroinentzug den Popo von Renton.

Man sollte nicht probieren, die berühmte Kloszene nachzustellen

Ich war mal auf einer eher räudigen Goa-Party und hatte schreckliche Rückenschmerzen. Selbst der Alkohol brachte keine Linderung, sondern mich nur auf blöde Ideen. Darum dachte ich, es wäre vielleicht chiropraktisch gut, wie bei Drunk Yoga oder Der Exorzist die grindige Toilettenmuschel als Akrobatik-Werkzeug zu verwenden und eine Brücke über sie zu schlagen, mit dem Bauch nach oben und dem Rücken in einem Bogen darüber. NATÜRLICH war es unheimlich ekelhaft, auf den Boden zu greifen. KLAR war es außerdem extrem schmerzhaft. Und zum Glück blieb es das Ähnlichste aus meinem Leben, mit dem ich jemals an die Kloszene von Trainspotting herankam.

Würgend in der eigenen und fremden Durchfallscheiße nach Opiumzäpfchen zu wühlen und dann darin auf Tauchstation zu gehen, ist zugegeben eine sehr spezifisch widerliche Aktion. Und selbst, wenn dir mal das iPhone ins Klo gefallen sein sollte, und das sicher "voll arg" für eine Insta-Story war, sind wir alle (hoffentlich) weit entfernt von diesem fäkalen Horror, der durch die Tatsache, dass ein Tauchgang an den Grund deiner eigenen Scheiße prinzipiell tatsächlich passieren könnte, noch viel schlimmer wird.

Ich hatte bei dieser Szene, besonders bei den braunen Klümpchen an Rentons Hand, auch diesmal wieder starken Würgreflex und predige einfach wieder einmal, auch wenn es eine der größten Selbstverständlichkeiten sein sollte: Die Kloszene von Trainspotting sollte man bitte NICHT nachstellen! Nicht zum Spaß, nicht für eine Anekdote im hohen Alter, nicht für die perfekte Insta-Story. Einfach NICHT. Überlassen wir den engen Kontakt zur Klomuschel den Pipi-Fetischisten und Unterstuflern, die von Bullys hineingetaucht werden.

Josef auf Twitter: @theZeffo