So ist das Leben mit Augapfel-Tattoos

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So ist das Leben mit Augapfel-Tattoos

Auf Menschen mit tätowierten Augäpfeln wird ganz unterschiedlich reagiert—von Komplimenten für die „Kontaktlinsen" bis hin zu Verwechslungen mit dem Teufel ist alles dabei.

Foto: bereitgestellt von Jay

Auf Leute mit tätowierten Augäpfeln wird immer auf einen ganz spezielle Art und Weise reagiert, die der Tattoo- und Body-Mod-Künstler Russ Foxx als „schockierte Ehrfurcht" bezeichnet. Obwohl das (immer noch etwas experimentelle) Verfahren, Pigmente in das Weiße des Auges zu injizieren, nun schon seit fast zehn Jahren existiert, wird es immer noch als einer der extremeren Auswüchse der Tattoo-Kultur angesehen.

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Fox hat in vier Jahren bereits 71 Augenpaare eingefärbt. Ihm zufolge sind es dabei alle möglichen Menschen, die mit dieser Bitte zu ihm kommen—von Bauarbeitern über Zirkusartisten ist alles vertreten. Wir haben uns mit einigen dieser Menschen unterhalten, um herauszufinden, wie ein Leben mit Augapfel-Tattoos überhaupt aussieht.

Foto: bereitgestellt von Dan Malette

Dan Malette, Pigmentfarbe: Schwarz

VICE: Wir reagiert man in der Öffentlichkeit auf deine Augen?
Dan Malette: Ich werde oft gefragt, ob das Kontaktlinsen sind. Ja, das ist wohl die Frage, die mir am häufigsten gestellt wird. Irgendwie geht mir das auf die Nerven. „Coole Kontaktlinsen!" Nein, Mann! Das sind keine Kontaktlinsen!

Manche Leute führen sich deswegen aber auch wie die letzten Idioten auf und meinen dann so Sachen wie „Nun, das muss sicherlich unglaublich wehgetan haben". Ganz im Gegenteil, ich habe überhaupt keine Schmerzen verspürt. Dann werde ich auch noch häufig als dumm bezeichnet oder man wünscht mit viel Glück bei der Jobsuche. Ich hatte noch nie Probleme, eine Arbeit zu finden, denn ich arbeite auf dem Bau und mache nebenher noch Sidehows. Außerdem geht mein Umfeld oft davon aus, dass mich Frauen nicht attraktiv finden können. Na ja, ich habe jetzt seit fast zwei Jahren eine wunderschöne Freundin. Damit sollte alles gesagt sein!

Ältere Damen bekreuzen sich auch häufig vor mir und manchmal will sich im Bus niemand neben mich setzen. So etwas ist jedoch nicht meine Entscheidung.

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Foto: bereitgestellt Dan Malette

Sprechen dich diese älteren Damen dann auch an? Beten sie für dich oder so?
Die meisten von ihnen sprechen italienisch oder portugiesisch, deswegen kann ich diese Frage nicht wirklich beantworten. Ich wohne gegenüber einer der größten Kirchen Torontos und da ist am Sonntag immer eine Menge los. Die alten Gottesdienstbesucherinnen haben oft Angst vor mir und gehen bei meinem Anblick direkt einen Schritt schneller und umklammern ihre Handtaschen. Ich lache dann einfach, weil mir das eigentlich egal ist. Ich meine, 90 Prozent der Leute sagen mir ja, wie cool sie meine Augapfel-Tätowierung finden.

Gibt es eine Begegnung, die dir besonders stark im Gedächtnis hängengeblieben ist?
Ich weiß noch, wie ich mir mal einen Kaffee gekauft habe und mich da dann ein kleines Mädchen etwas verängstigt angeschaut hat. Schließlich kam sie aber zu mir und fragte, warum ich denn so viele Tattoos hätte. Da meinte ich, dass ich wie ein Weihnachtsbaum wäre, weil man den ja auch nicht „nackt" aufstellt, sondern mit vielen Dekorationen hübsch macht.

Foto: bereitgestellt von Jay

Jay*, Pigmentfarben: Blau und Gelb

VICE: Was war das Komischste, das jemals über deine Augäpfel gesagt wurde?
Jay: Eigentlich fällt mir da nur ein Zwischenfall ein, der richtig bizarr war: Einmal folgte mir beim Einkaufen plötzlich ein richtig dicker Typ—also wirklich so 140 Kilo—durch den Laden, weil er davon überzeugt war, ich sei von einem Dämonen besessen. Eine solche Situation muss man dann einfach mit etwas Selbstvertrauen angehen und hoffen, dass man nicht bei lebendigem Leibe gehäutet und als Anzug getragen wird.

Macht man das etwa so mit Dämonen? Hattest du in dieser Situation keine Angst?
Nein, eigentlich nicht. Man erinnert sich aber nunmal an solche Zwischenfälle, die etwas außergewöhnlich sind. Wenn ich essen gehe, dann werden mir im Normalfall schon immer einige Fragen gestellt. So wurde ich letztens zum Beispiel von zwei Bauarbeitern und einer Kellnerin angesprochen, als ich mit meiner Frau und meinem Großvater unterwegs war. Das ist Standard.

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Foto: bereitgestellt von Burns the Dragon

Burns the Dragon, Pigmentfarbe: Lila

VICE: Hey Burns! Bist du tatsächlich ein Drache?
Burns the Dragon: Wenn ich meine finale Form erreicht habe, dann werde ich von Kopf bis Fuß wie ein Drache aussehen. Schritt für Schritt verändere ich mich in das, was ich meiner Meinung nach wirklich bin. Ich habe mir auch meine Zunge spalten und violett färben lassen. Meine Augen und Ohren sind angespitzt. Dazu kommen dann noch die Implantat-Hörner. Kinder bezeichnen mich oft tatsächlich als Drachen, Erwachsene hingegen eher als Dämonen.

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Wie reagiert man bei deiner Arbeit auf deine Augäpfel?
Da ich vor allem auf Sideshows und im Zirkus unterwegs bin, finden die meisten Leute das ziemlich cool. Meistens machen ich irgendwelche Nummern, die mit Schmerzen zu tun haben—wie etwa Nägel in meinen Hals hämmern oder mich an Haken aufhängen lassen.

Einmal habe ich auf einem Kirtag in einer dieser Spielautomaten-Buden gearbeitet und wurde von einer Gruppe gefragt, ob ich dort angestellt sei. Das habe ich bejaht und wurde kurze Zeit später gefeuert, weil es sich bei dieser Gruppe um Mitglieder der Vorstands der Calgary Stampede handelte. Sie meinten anscheinend, dass ich der Teufel sei.

Scheiße. Welche Antwort gibst du den Leuten, die so negativ auf dich reagieren?
Wenn ich solchen Menschen überhaupt antworte, dann sage ich, dass ich mein Leben genieße, viele Spaß habe und dafür auch noch bezahlt werde.

*Name geändert