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Revolutioniert Vollgeld unser Finanzsystem?

Die Vollgeld-Bewegung will nur noch Geld, das man anfassen kann. Und gibt den Zentralbanken damit unheimliche Macht.

Foto von epSos.de |Flickr |CC-BY 2.0

„Das Problem mit der heute privaten Geldherstellung ist, dass sie auf den profitorientierten Eigeninteressen der Geschäftsbanken basiert und sich nicht, wie in der Bundesverfassung eigentlich verlangt, am Gesamtinteresse des Landes orientiert", kritisiert Daniel Meier, Vorstandmitglied der Schweizerischen Vollgeld-Reformbewegung Monetäre Modernisierung.

Monetäre Modernisierung gehört zum International Movement for Monetary Reform IMMR. Dessen Ziel ist, den Privatbanken das Recht der Geldschöpfung zu entziehen und so die demokratisch kontrollierten Zentralbanken als einzige Geld schöpfende Instanzen jeder Volkswirtschaft zu installieren. Falls das dem IMMR gelingt, könnte er das Finanzsystem der Welt grundlegend verändern.

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Ginge es nach dem IMMR würden Volkswirtschaften vom Wachstumszwang befreit, private und öffentliche Schulden massiv reduziert, Spekulationsblasen beschränkt.

Wer regiert das Geld? Und wo kommt das Geld eigentlich her? Die meisten Leute kennen die korrekte Antwort auf diese Fragen nicht—auch der durchschnittliche Finanzstudent mit seinem nerdigen Texas Instruments-Rechner nicht. Professor David Miles, Mitglied des Monetary Policy-Komitees der Bank von England, stellte fest: „Die Art wie Geldwirtschaft in den meisten, vielleicht auch allen, Universitäten unterrichtet wird, ist sehr irreführend." Für lange Zeit dachte ich, dass die Ersparnisse von jemand anderem meinen (hypothetischen) Bankkredit finanzieren könnten.

Foto von ezb2014| Flickr| CC-BY 2.0

Ich glaubte, dass die Zentralbank die einzige Institution sei, welche die zirkulierende Geldmenge vergrößern oder verkleinern kann. Du denkst das auch? Leider falsch! Die Zentralbank bringt zwar Geld in Umlauf, aber nur in Form von Noten und Münzen. Und Bargeld macht nur einen kleinen Anteil der gesamten zirkulierenden Geldmenge aus.

In England sind es 3%. In der Schweiz sind es 10%. Der ganze Rest ist Giralgeld. Digitales Geld, das Privatbanken durch Kredite und Hypotheken in Umlauf gebracht haben.

Das Problem mit Giralgeld: Im Gegensatz zu Bargeld hat es keinen intrinsischen Wert—rechtlich gesehen ist es nicht mal ein gesetzliches Zahlungsmittel. Der Wert des Giralgeldes ist an das Vertrauen der Gesellschaft in die Privatbanken gebunden. Wenn dieses Vertrauen in sich zusammenfällt—wie während dem bank run letzten Frühling in Zypern, bricht der Wert des Giralgeldes zusammen.

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Foto von Lee Jordan| Flickr| CC-BY-SA 2.0

Vor ihrer Ausgabe existieren Kredite in keiner Form. Das Geld, das die Bank dir ausleiht, besitzt sie gar nicht, sondern kreiert es in der Bilanz. Alles, was sie für einen Kredit von 50'000 Euro benötigt ist eine Bilanzverlängerung um 50'000 Euro.

Sie bucht einfach 50'000 Euro auf der Aktiva-Seite und 50'000 Euro auf der Passiva-Seite. Wenn der Kreditnehmer den Kredit zurückbezahlt, verschwindet das Geld wieder aus der Wirtschaft. Die Bank kürzt die 50'000 wieder aus der Bilanz. Was nach einem abgeschlossenen Kreditgeschäft übrigbleibt, ist der Profit der Bank.

Das einzige Limit für Banken in diesem Kreditspiel ist der rechtlich vorgeschriebenen Deckungsanteil von Reserven bei der Nationalbank. Dieser Anteil ist generell sehr klein: Während die Europäische Zentralbank gerade mal 1% Deckungsanteil vorschreibt, sind es in der Schweizer Nationalbank 2,5% und bei der Amerikanischen FED 10%. Das heisst, eine europäische Privatbank mit einer Million Euro Nationalbankreserven darf Kredite im Wert von hundert Millionen Euro ausgeben.

Foto von FuFuWolf| Flickr| CC-BY 2.0

Nur ein einziges Prozent aller ausstehenden Kredite europäischer Privatbanken sind also durch rechtlich gesicherte Nationalbank-Reserven gedeckt. Die restlichen 99% bestehen aus digitalem Giralgeld. Obwohl das nach Hokus-Pokus klingt, funktioniert dieses System in der Regel ganz gut, solange nicht alle Bankkunden ihr Vertrauen in die Banken gleichzeitig verlieren und ihr Geld abheben.

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Das IMMR will den Privatbanken das Recht zur Geldschöpfung entziehen und die Geldschöpfungshoheit der Nationalbank übertragen. So würden 100% des Geldes zum rechtlichen Zahlungsmittel: Zum „Vollgeld". Im Gegensatz zu Privatbanken sind Zentralbanken demokratisch kontrolliert und orientieren sich am Gesamtwohl der Gesellschaft und nicht am Shareholder Value des Arbeitgebers. (Obwohl die Amerikanische Notenbank de facto eine private Institution ist.)

Foto von dierk schaefer| Flickr| CC-BY 2.0

Laut Danier Meier vom Verein Monetäre Modernisierung bringt Vollgeld viele Vorteile: „Im Vollgeld-System würde die Seignorage [der Profit aus der Geldschöpfung] öffentlichen Kassen zugute kommen und nicht privaten wie heute.

Es wäre Aufgabe der jeweiligen Regierung zu entscheiden, wie der Geldschöpfungsgewinn investiert wird. Man könnte in Infrastruktur investieren oder Staatsschulden zurückbezahlen." Das ist keine Idee von weltfremden Hippies: Ein Arbeitspapier vom Internationalen Währungsfonds kommt zu ähnlichen Schlüssen.

Das klingt sehr verlockend, aber wie realistisch ist es, dass diese Reform durchkommt? Das Vollgeld würde nicht nur die Relevanz der Privatbanken schwächen, sondern auch deren Profite verringern. Da hätte der Finanzplatz wenig Freude.

Foto von epSos.de |Flickr |CC-BY 2.0

Es wird schwierig, dafür in der Schweiz eine Mehrheit zu finden. Für mich ist das grösste Fragezeichen aber, ob eine kleine Gruppe Zentralbanker die Geschicke unserer Wirtschaft schlussendlich besser lenkt. Theoretisch ist die Zentralbank zwar demokratisch kontrolliert. Schaut man sich jedoch die (de facto private) US-Federal Reserve oder gar die EZB mit ihren 18 unterschiedlichen Volkswirtschaften an, scheinen Kartell- und Korruptionsbedenken berechtigt.

Die Mitglieder des Vereins Monetäre Modernisierung haben ihre Vollgeldinitiative letzten Dienstag lanciert. Und sie sind optimistisch: „Geld ist das ultimative Objekt menschlichen Designs. Wir haben es entworfen. Also können es wir auch neu entwerfen."