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Rechtes Marketing

Die NPD-"Schutzstreifen" sollen jetzt in ganz Deutschland aktiv sein

Zumindest einen haben sie schon gefunden, der sie ernst nimmt: den Verfassungsschutz.
Männer mit  Schutzwesten, auf denen ein großes "S" steht, gehen nebeneinander eine Straße entlang.
Screenshot: @Schutzzonen | Twitter, bearbeitet

Eines muss man der NPD lassen: Sie gibt nicht auf. Inzwischen sitzen die Neonazis in keinem einzigen Landtag mehr, die Partei ist fast pleite und muss ohnmächtig dabei zusehen, wie die AfD ihnen den Platz als Deutschlands Rechte wegnimmt. Und trotzdem sind sie nach wie vor nicht ganz vergessen. Die NPD ist ein Zombie, der, schon häufig totgesagt, immer wieder durch die deutsche Presse geistert. Oder eben durch deutsche S-Bahnen und Fußgängerzonen. Dieses Bild sollen jedenfalls Fotos und Videos selbsternannter "Schutzstreifen" der Partei vermitteln, die angeblich in mehreren deutschen Städten unterwegs sind. Sicher sein kann man sich da aber nicht: Schon im Sommer entpuppte sich eine solche Bürgerwehr-Inszenierung als Fake.

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Im Juni tauchten solche Bilder und Videos erstmals in den sozialen Netzwerken auf. Sie zeigten, wie NPDler an öffentlichen Plätzen Streife laufen. Die Idee ist so simpel wie dämlich: Der Staat und seine Institutionen werden als wehrlos dargestellt und die Mitglieder der NPD als die einzigen, die seine Bürger noch vor Kriminellen schützen können. Unter anderem veröffentlichte die NPD einen Clip, der zeigte, wie Männer mit Warnwesten und Funkgeräten in Berliner S-Bahnen patrouillierten. VICE ging dem im Juli nach und kam zu dem Schluss, dass es sich bei der Sache um einen Hoax handelt – die verzweifelte PR-Maßnahme einer sterbenden Partei. An keinem der Bahnhöfe, die im Video zu sehen waren, konnte sich jemand an Neonazis in Warnwesten erinnern. Der einzige Schluss: Statt wirklich irgendwo zu patrouillieren, blieben die NPDler offenbar nur lange genug an einem Ort, um ein Foto der Aktion zu schießen und es bei Facebook hochzuladen.

Aufmerksamkeit kommt von einer Seite, die den Neonazis zwar vertraut, aber gar nicht so lieb sein dürfte: vom Verfassungsschutz.

Seitdem sind die Aktivitäten der Bürgerwehr nicht weniger, sondern im Gegenteil deutlich mehr geworden. Zumindest sieht das auf Facebook und Twitter so aus. Allein in den letzten sieben Tagen sollen Mitglieder der "Schutzstreife" in sechs verschiedenen Bundesländern aktiv gewesen sein. Die Bilder der Streifen im hessischen Hanau, in Bochum, Nürnberg, Oranienburg, Salzgitter und Berlin entsprechen alle demselben Muster. Männer, auf deren Rücken ein zackiges "S" für "Schutzzone" steht, patrouillieren durch die Innenstädte. Manchmal haben sie einen Hund dabei, manchmal sieht man sie im Gespräch mit Passanten. Genau so sahen auch die Bilder der Berliner "S-Bahn-Streife" aus, die die NPD vor drei Monaten veröffentlichte.

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Diese Aktionen garantieren der NPD zwar etwas Aufmerksamkeit, aber die kommt inzwischen auch von einer Seite, die den Neonazis zwar vertraut, aber gar nicht so lieb sein dürfte: nämlich vom Bundesamt für Verfassungsschutz. Das berichtete am Sonntag zuerst die BZ. Ein Sprecher der Behörde erklärte der Zeitung, man dürfe die Gefahr, die von der angeblichen Bürgerwehr ausgehe, nicht unterschätzen. "Die NPD steigert mit der 'Schutzzonen'-Kampagne sukzessive ihr Aktivitätsniveau, das jetzt bereits deutlich über dem von vorherigen Bürgerwehr-Kampagnen liegt", sagte er der BZ.

Bisher hat der Verfassungsschutz auf den Videos nur altbekannte Neonazis identifizieren können. Es scheint, als rekrutierten die "Schutzstreifen" ihr Personal ausschließlich aus NPD-Kreisen. Die Partei selbst behauptet in den sozialen Netzwerken das Gegenteil. Der BZ sagt ein Parteimitglied, ein Drittel der Bürgerwehrler seien "einfache Leute". Erstaunlich, dass die vielen Menschen, die sich dieser angeblichen Bewegung besorgter Deutscher anschließen, zufällig immer dann verschwinden, wenn jemand auf den Auslöser einer Handykamera drückt. Wahrscheinlicher ist wohl, dass die NPD so nur ihre Marketingkampagne aufblasen will.

"Unterstützer verfassungsfeindlicher Organisationen sind ohne Ausnahme ungeeignet, die Polizei bei ihrer Arbeit zu unterstützen."

Es gibt auch aktuell keine Anhaltspunkte dafür, dass die "Schutzstreife" mehr tut, als Warnwesten zu tragen und mit grimmiger Miene Selfies auf halb verlassenen Plätzen zu schießen. Die NPD aber tut so, als hätte ihr Einsatz bereits sichtbare Konsequenzen. In einem Post vom 7. Oktober heißt es, man habe im Berliner Regierungsviertel (natürlich osteuropäische) "Betrüger" vertrieben und "potentielle Opfer" gewarnt. Falls das stimmt, könnten sich die selbsternannten Hüter des Rechtsstaats selber strafbar gemacht haben. Das Gewaltmonopol liegt bekanntermaßen beim Staat – wer auf eigene Faust Menschen Platzverweise erteilt oder sie festhält, handelt illegal.

In Sachsen, wo sich die NPD-Patrouillen in verschiedenen Städten ebenfalls kameragerecht in Szene setzten, verurteilt die Polizei das Auftreten der Bürgerwehr klar. "Unterstützer verfassungsfeindlicher Organisationen", heißt es in einer Pressemitteilung, "sind ohne Ausnahme ungeeignet, die Polizei bei ihrer Arbeit zu unterstützen." Wer so einer Streife begegnete, solle umgehend die Polizei rufen. Die "Schutzstreifen", so sieht es die Polizei, sind selber etwas, vor dem die Bürger geschützt werden müssen.

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