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Bayern

Dieser CSU-Abgeordnete fordert, dass Seehofer endlich abtritt

"Wenn die Verantwortung nicht beim Parteivorsitzenden liegt, bei wem denn sonst?"
"Horst Seehofer trägt die alleinige Verantwortung", sagt Jürgen Baumgärtner.

Wenn man sich eine Politik gewordene Ohrfeige vorstellen müsste, sie sähe so aus wie das CSU-Ergebnis bei der bayerischen Landtagswahl. Die Partei verpasste krachend das gesetzte Ziel, die absolute Mehrheit zu bekommen und musste sich mit 37,2 Prozent der Zweitstimmen begnügen.

Kein Wunder also, dass es nun in der Partei grummelt. Jürgen Baumgärtner sitzt für die CSU im bayerischen Landtag und ist Vorsitzender des CSU-Kreisverbands Kronach. Sein Verband ist der erste, der nun fordert, dass Horst Seehofer als Vorsitzender gehen muss. Inzwischen ist die CSU Passau-Land als zweiter Kreisverband nachgezogen. Wir haben Jürgen Baumgärtner gefragt, warum er die Absetzung Seehofers fordert.

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VICE: Herr Baumgärtner, wie ist die Stimmung bei Ihnen in Kronach?
Jürgen Baumgärtner: Bei mir im Kreisverband sind wir nach der Wahl am Sonntag zum Entschluss gekommen, dass wir das Ergebnis verstanden haben, wir üben uns in Demut. Und viele der CSU-Mitglieder an der Basis finden, dass wir einen personellen Neuanfang brauchen.

Welche Verantwortung trägt denn Horst Seehofer am Wahldebakel?
Horst Seehofer trägt die alleinige Verantwortung. Das klingt zunächst hart und viele mögen das anders sehen. Aber wenn die Verantwortung nicht beim Parteivorsitzenden liegt, bei wem denn dann? Nehmen Sie das Thema Diesel und den Dieselskandal: Wir versuchen nun seit dreieinhalb Jahren, ein Thema so zu lösen, dass die Menschen damit zufrieden sind. Da hätte ich mir gewünscht, dass wir besser und schneller handeln. Und der Parteivorsitzender ist rechenschaftspflichtig, wenn das nicht gelingt.

Warum richtet sich Ihre Kritik aber gegen Horst Seehofer – und nicht etwa Markus Söder, der als Spitzenkandidat angetreten ist?
Wenn man mit Markus Söder zusammen Wahlkampf gemacht hat, dann kann man das ausschließen. Söder hat sich unwahrscheinlich engagiert, hat gute Themen gesetzt und ist in die Rolle des Ministerpräsidenten jede Woche ein bisschen mehr reingewachsen. Wenn jemand so kurz im Amt ist, wie es bei ihm der Fall ist, dann kann man ihm die Verantwortung gar nicht zuschieben. Wäre Söder jetzt vier Jahre im Amt und wir hätten das gleiche Ergebnis erzielt, dann würde ich an dieser Stelle sagen: Jawohl, auch bei ihm ist eine Mitschuld zu suchen.

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Was würden Sie Horst Seehofer sagen, wenn Sie ihm heute über den Weg laufen würden?
Das Gleiche, was ich ihm vor vier Tagen gesagt hab: "Lieber Horst Seehofer, vielen Dank für das, was du geleistet hast. Du hast eine tolle Lebensleistung für Deutschland und Bayern erreicht. Aber ich glaube, die Zeit ist reif für einen personellen Neuanfang." Ich habe ihm außerdem gesagt, dass das keine Entscheidung gegen ihn, sondern eine für die Zukunft ist. Es ist nicht so, dass wir es uns als Kreisverband in Kronach leicht gemacht haben bei der Entscheidung. Wir haben alle eine hohe Wertschätzung für Seehofer. Aber man kann als Verband nicht ewig tatenlos zuschauen, wenn es schlecht läuft.

Machen Sie es sich nicht zu einfach, wenn Sie den Parteivorsitzenden nach einem schlechten Wahlergebnis absägen?
Natürlich hat das schlechte Ergebnis der CSU bei der Landtagswahl in Bayern viele Gründe und ist vielschichtig. Wir glauben aber nicht, dass Horst Seehofer in den nächsten fünf Jahren der Parteivorsitzende sein kann, mit dem wir das Vertrauen der Menschen zurückgewinnen.

Wer sollte sein Nachfolger werden?
Das diskutieren wir aktuell in meinem Verband, denn dort leben wir die Idee der Mitmachpartei. Es muss für die Menschen eine Motivation geben, Mitglied zu sein. Sich einzubringen, mitzumachen und eine Stimme zu haben, sind dabei essenziell.

Ich persönlich habe keine Präferenz. Wir haben viele, die das könnten. Ich selbst habe keine Ambitionen auf den Parteivorsitz.

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Was könnte denn der oder die Parteivorsitzende besser machen?
Der Mann an der Spitze sollte sein Amt zeitlich begrenzen. Ich glaube, dass zehn Jahre an der Parteispitze eine gute Dauer sind. Zudem sollten wir uns gut überlegen, wie unsere Sätze wirken. Wie kann man erreichen, dass verschiedene Ebenen sich untereinander besser absprechen? Nach außen müssen wir geschlossen auftreten und so reden, dass uns die Menschen zuhören. Die Bürger müssen wissen, warum wir denken, wie wir denken. Man muss vielleicht auch einfach anerkennen, dass es nach einer so langen Zeit an der Spitze "Verletzungen" gibt, die nicht mehr ganz heilen können.

Und thematisch?
Wir brauchen klare Antworten, wie wir den Klimawandel bekämpfen sollten. Dazu gehören das Thema Elektromobilität und der Umgang mit der Automobilindustrie. Wir hätten gut daran getan, da eine klare Haltung zu haben: Wer manipuliert, der haftet.

240.000 Wähler, die bei der Landtagswahl vor vier Jahren CSU gewählt haben, sind inzwischen verstorben. Was muss sich ändern, damit die CSU mehr junge Menschen anspricht?
Wenn wir junge Wähler und Wählerinnen ansprechen wollen, brauchen wir Themen, mit denen sie sich beschäftigen. Das sind zum Beispiel der bereits angesprochene Klimaschutz oder die soziale Gerechtigkeit. Zudem müssen wir eine Partei sein, die alle miteinbezieht, bei der junge Menschen also mitmachen können. Und zu guter Letzt: Wir müssen jungen Menschen erklären, dass die Demokratie und der Wohlstand in Deutschland nicht vom Himmel fallen. Für die nächste Generation wird es eine Herausforderung sein, sich Wohlstand Tag für Tag zu erarbeiten.

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