Zu Besuch in Deutschlands erstem Sexpuppen-Bordell
Bordoll-Betreiberin Evelyn Schwarz in der Mitte ihrer Liebespuppen. Sie kleidet und schminkt sie selbst | Alle Fotos: VICE

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Sex

Zu Besuch in Deutschlands erstem Sexpuppen-Bordell

Ins Dortmunder Bordoll kommen Männer, um mit Puppen Sex zu haben. Der Gummipuppen-Puff soll laut Flyer "the new generation of sex" sein.

"Ich finde es zwar immer noch bizarr und gruselig, was ich hier mache. Aber es ist der Reiz, dass man, wenn man mal Sex haben möchte, auf niemanden Rücksicht nehmen muss. Dass man nicht fragen muss: Möchtest du das? Wie geht es dir dabei? Man kann sie einfach nehmen, sogar von hinten. Ich muss nur an meine eigenen Bedürfnisse denken – und nicht an die der Frau."

So zitiert Evelyn Schwarz einen ihrer Stammgäste. Er hat sich nicht getraut, persönlich mit einer Journalistin zu sprechen. Schwarz sagt, sie habe sogar versucht, ihn mit einer Gratis-Nummer zu bestechen. Doch die Scham über seine sexuelle Vorliebe für Sex-Puppen war zu groß.

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Die Dolls seien wie große Barbies, meint Evelyn Schwarz. Ihre aussortierten Kleidungsstücke gibt sie an sie weiter

Evelyn Schwarz, 29 Jahre alt, ist Puff-Mutti eines der skurrilsten Bordelle Deutschlands. Die Prostituierte und Domina eröffnete 2014 im Dortmunder Süden, zwischen Einfamilienhäusern und Doppelhaushälften, ihr eigenes Bordell und SM-Studio. Etwas abseits, neben einem Hersteller für Motoren und einem Metallbauer, steht das rote Backsteinhaus. Schwarze Folie an den Fenstern versperrt den Blick ins Haus. Für 50 Euro leben Männer hier eine halbe, für 80 Euro eine volle Stunde lang ihre sexuellen Fantasien mit Coco, Elena, Linda aus – zur Auswahl stehen elf in Asien gefertigte Sexpuppen aus medizinischem Silikon. Seit April gibt es diesen Doll-Service im Puff von Evelyn Schwarz, den Männer in Japan bereits in weit mehr als 70 Bordellen buchen können. Als im März in Barcelona der erste Puff mit Sexpuppen in Europa eröffnete, wollte Schwarz sich den deutschen Markt als Erste sichern. Ein anderes Problem löste die Bordellbetreiberin damit auch: Sie fand keine weiteren geeigneten Prostituierten. "Die Sexdolls sind ideale Dienstleisterinnen. Sie sind immer da, nie krank, sehen immer gut aus und stellen alle drei Löcher ohne Beschwerde oder Aufpreis zur Verfügung", sagt Evelyn Schwarz.

Seit 2014 betreibt Schwarz ihr Bordell und SM-Studio. Seit April können ihre Kunden auch mit Silikonpuppen schlafen

Aber wer gibt Geld für Sex mit einer Puppe aus? "Vom 18- bis zum 80-Jährigen, vom Arbeitslosen bis zum Richter ist alles dabei", sagt Schwarz. Teils reisen sie aus Berlin, Hamburg, München oder den Niederlanden an. Einen speziellen Fetisch hätten die Männer nicht. "Das sind Topmodels. Findet man so eine Frau im Internet, hätten die Männer vielleicht Hemmungen, dahinzugehen. Vor der Puppe brauchen sie sich nicht zu schämen und können sämtliche Stellungen ausprobieren", sagt sie. Auf einem Flachbild-Fernseher läuft ein Porno, das Bild rauscht. Im Nachbarraum stöhnt die Sexarbeiterin Miss Rebecca, die gerade mit einem Kunden auf dem Zimmer ist. Es riecht nach einer Mischung aus Raumerfrischer und Zigarettenrauch, aus den Lautsprechern schallt Instrumentalmusik, wie man sie auf Playlisten mit Namen wie "Chill Out Music for Love and Sex" findet.

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In der Lounge, in der die Gäste empfangen werden, stehen zwei schwarze Ledersofas und ein Sessel. Auf einem Bild an der Wand beißt eine rothaarige Frau einer anderen wie ein Vampir in den Hals und verdeckt mit ihren Händen von hinten kommend ihre Brustwarzen. Auf einem roten Zierkissen auf der Couch thront Sabrina. 1.000 bis 2.000 Euro kostet eine solche Puppe. Sabrinas Lippen sind rot angemalt, an ihren braunen Kulleraugen kleben künstliche Wimpern. Ihre Brüste sehen aus, als hätte ein Chirurg sein Meisterwerk schaffen wollen. "Vagina: 18 cm, Anus: 16 cm, Oral: 13 cm, ohne Intimbehaarung" – so werden Sabrinas Reize auf der Internetseite des Bordolls beschrieben.

Auf den beiden Ledersofas in der Lounge werden Gäste begrüßt und warten, bis sie in ihr gebuchtes Zimmer gehen

"Probier doch mal! Die lassen sich relativ gut biegen", sagt Schwarz. Sabrinas Busen fühlt sich wie eine überreife Tomate an, ihre Nippel sind originalgetreu geformt und steif. Ihre helle Haut haftet wie roher Keksteig an den Händen. Ihre Finger erinnern an die bunten elastischen Schleim-Klatsch-Hände, an denen alles kleben bleibt. Ihre Mundhöhle und Vulva fassen sich an wie Schaumzuckermäuse, die schon zwei Tage lang offen in der Tüte liegen. Für die nötige Feuchtigkeit in diesen Körperregionen sorgt das Gleitgel. Damit die Löcher nicht einreißen, ist es sogar Pflicht.

Anna zählt zu den meistgebuchten Puppen des Bordolls

"Was soll ich sagen, ich war sehr gespannt, was mich erwartet und meine Erwartungen wurden übertroffen :-) Hat mega Spass gemacht und die Zeit ging schnell rum. Ich war echt kaputt danach, Naomi ist recht schwer und die Gelenke müssen wohl noch weich werden ;-) [sic]", schwärmt "Ottoman Sword" im Gästebuch der Internetseite des Bordells. In einer anfänglichen Testphase konnten Freier die Puppen nur sonntags buchen. Nach wenigen Tagen waren die Termine der Sexpuppen bereits ausgebucht. Die Nachfrage war so groß, dass Evelyn Schwarz ihr Bordell um sechs zusätzliche Zimmer erweiterte.

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Auch bei VICE: Auch eine realistische männliche Sexpuppe gibt es inzwischen


Auf dem gegenüberliegenden Sofa sitzt Anna: 1,58 Meter groß, blond, blauäugig, Brüste so groß wie Melonen und mit 28 Kilo gerade so schwer wie ein neunjähriges Mädchen. "Anna ist unser Aushängeschild. Nach der Anna fragen sie alle", sagt Hausdame Andrea, die sich um alle Belange im Hintergrund des Bordells kümmert. Die 55-Jährige arbeitet heute in der Frühschicht. Ununterbrochen läuft sie umher, nimmt die Anrufe der beiden Telefone entgegen, begrüßt in anderen Räumen Gäste, putzt die Zimmer und bereitet die "Liebespuppen", wie sie die Dolls hier nennen, für den Sex vor. Nach der Benutzung durch einen Gast trägt Andrea die Puppe aus dem Zimmer. Sie streift sich Einweghandschuhe über, säubert und desinfiziert alle Öffnungen. Anschließend kämmt sie die Perücke und kleidet die Puppe wieder in Dessous und Nylonstrümpfe. Wenn nötig, duscht sie auch die Puppe komplett ab.

Puppen so schwer wie Grundschüler, kindliche Gesichter. Welche Fantasien wollen die Kunden hier widerstands- und konsequenzenlos ausleben? "Ich habe fast alle Dolls täglich in der Hand. Sie haben Po, Hüfte, die meisten große Brüste und richtige Vaginas – die Puppen sind absolut fraulich. An ihnen ist nichts Kindliches", sagt Andrea. Mit ihrer Chefin hatte sie dennoch über das Thema gesprochen. Es gebe nun Menschen mit solchen Neigungen. Laut Studien haben 20 Prozent der deutschen Männer pädophile Fantasien. "Besser eine Doll als ein echtes Kind von der Straße, dessen Leben durch einen sexuellen Übergriff zerstört werden würde", meint Andrea. Für Schulsex-Fantasien gibt es im Bordoll ein eigenes Zimmer: ein Sechs-Quadratmeter-Raum mit einer alten Schulbank, einer Tafel an der Wand mit Kreide und Schwamm.

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Hausdame Andrea trägt Yuki in einen Raum, um sie für einen Gast vorzubereiten. Yuki hat einen Manga-Look, den sich einige Gäste gewünscht hatten

Ein neuer Gast betritt das Bordoll. Telefonisch vereinbaren die Männer einen Termin und wählen dabei aus den unterschiedlichen Frauentypen aus. Dann tragen die Gäste selbst ihre 12 bis 32 Kilogramm schweren Auserwählten auf das Zimmer.

Andrea begrüßt den Mann freundlich und geht mit ihm zu seiner vorher im Internet ausgesuchten Puppe. "Hast du sie dir so vorgestellt? Ist doch hübsch?", fragt sie. Er antwortet: "Ja, ja." Auf seinem Zimmer erwarten ihn Pornos, Sexspielzeug jeglicher Art, Gleitgel und Kondome. Zehn Minuten vor Ende der Zeit klopft die Hausdame an die Tür, damit der Gast weiß, dass seine Zeit gleich vorbei ist.

In den sechs Zimmern des Bordolls gibt es Kondome, Sexspielzeug, Gleitgel und Papiertücher

"Es stellen sich bestimmt viele Leute vor, dass die Puppe eine echte Frau ist. Da liegen auch Dildos, die benutzt werden. Sie sehen das in Pornos und verspüren den Reiz, es an der Puppe zu sehen, die ja auch intim nachgebildet ist, wie eine Frau", sagt Schwarz. "95% Echtheit gegenüber der richtigen Frauen [sic]", schreibt "Thom Schmidt" über den Sex mit Puppe Linda in das Gästebuch.

"Einige der Kunden", vermutet Evelyn Schwarz, "haben noch nie mit einer Frau geschlafen." Sie seien schüchtern, geradezu ängstlich gegenüber Frauen. Bei den anderen Männern sei es doch so: "Die Frau zu Hause hat Ansprüche, die Dienstleisterin im Bordell hat Ansprüche oder mag etwas nicht, was der Kunde gerne hätte. Die Puppe macht alles mit."

Ein paar Regeln gibt es dann aber doch. Kratzen und Beißen sind verboten. Das könnte das Silikon der Puppen beschädigen. Und dann herrscht statt der Kondom-Pflicht bei den Prostituierten eben die Gleitgel-Pflicht. Die meisten Kunden hinterlassen die Puppen in einem guten Zustand, sagt Schwarz. Ein Mann allerdings durchlöcherte seine Silikon-Lady regelrecht. "Sie hatte nach dem Sex ein zweites Poloch. Das tat mir sogar körperlich weh", sagt sie und zündet sich eine Zigarette an, auf ihrem silbernen Zigaretten-Etui prangt das Bild des Revolutionärs Che Guevara. Als Jugendliche in einer "kleinen Pseudo-Punkphase" sei sie in ihn verknallt gewesen. "Das hat bestimmt auch damit etwas zu tun, dass ich genau wie er mein Ding mache, egal, was die anderen sagen. Viele in der Branche haben mich bestimmt am Anfang belächelt, als ich die Dolls angeboten habe. Nun lacht mit Sicherheit keiner mehr", sagt sie.

Im Arztzimmer gibt es neben einem gynäkologischen Untersuchungsstuhl auch Arztbesteck

Mit der dienstältesten Puppe Anna kann keiner der Gäste mehr sein Ding machen. "Der ersten Anna wurde das Rückgrat gebrochen. Das ist Anna Nummer zwei", sagt Schwarz. Sie ist bereits mit einem Kunden auf dem Zimmer, als der andere Gast mit seiner Puppe fertig ist. Wenn die Puppen gebraucht und die Löcher mit Sperma gefüllt sind, hat Hausdame Andrea 30 Minuten Zeit, sie für den nächsten Kunden zu restaurieren. Früher hat sie in einer Fabrik und im Labor gearbeitet. Heute sagt Andrea, wie sie genau reinigt, sei das bestgehütete Geheimnis des Bordolls. Jede Nachfrage wehrt sie ab. Auch aus Angst vor drohender Konkurrenz.

30 Prozent der Bordoll-Gäste wollen laut der Bordellbesitzerin Evelyn Schwarz den Sex mit einer Puppe einfach mal ausprobieren, 70 Prozent würden zu regelmäßigen Kunden werden. "Am Ende zählt vor allem eins: Alle Gäste sollen hier zufrieden und mit einem Lächeln rausgehen", sagt sie. Das schaffen Puppen wohl sonst nur bei Kindern.

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