YouTube

Rassismus, Ordnung, Herzlichkeit: So sehen internationale YouTuber die Deutschen

Manche Deutsche finden es OK, das N-Wort zu benutzen. Trotzdem sind wir Kartoffeln offenbar freundlicher als unser Ruf.
YouTuber Hayley Alexis und Soldier of Life
Foto links: Screenshot via YouTube aus dem Video "Racism in Germany" von Hayley Alexis | Rechts: Screenshot via YouTube aus dem Video "Why Black People Love Germany" von Soldier of Life

YouTube schlägt mir ein Video eines Kanals namens Soldier of Life vor. Aus Langeweile, und wegen des martialischen Kanal-Namens, klicke ich es an. Ein etwa dreißig Jahre alter Mann mit Trucker-Cap und Gesichtspiercing sitzt vor einer gelben Wand. Der Clip trägt den Titel "Why Black People Love Germany". Darin erklärt der amerikanische YouTuber, weshalb er gerne in Deutschland lebt. Er liebt das deutsche Nachtleben und ihm gefällt, dass viele Deutsche ganz ordentlich Englisch sprechen.

Anzeige

Während ich das Video anschaue, schlägt YouTube mir am Bildschirmrand andere Videos über das Leben als Ausländerin oder Ausländer in Deutschland vor, deren Titel weniger begeistert klingen. Auch der Soldier of Life schwärmt in seinen Videos nicht nur von Deutschland, sondern berichtet auch von Erfahrungen mit Vorurteilen, Diskriminierung und Rassismus.

Als ich "living in Germany" in die Suchzeile eingebe, merke ich, dass es tatsächlich Dutzende Videos über genau dieses Thema gibt. Von YouTuberinnen und YouTubern aus Indien, Kanada und den USA. Ich klicke mich durch einige davon und merke, dass ich durch die Perspektive von Menschen, die aus verschiedenen Ländern hierhergezogen sind, einiges über Deutschland lernen kann.

Vorurteile und Diskriminierung sind in Deutschland Alltag

Soldier of Life, der mit Vornamen Kris heißt, war zuerst als Soldat in Deutschland stationiert. Nach seinem Austritt aus der Army entschied er sich dazu, wieder nach Deutschland zu ziehen. In einem Video erzählt er von einem schlechten Wochenend-Erlebnis. Kris traf einen Kumpel in einer Bar. Während die beiden sich unterhielten, kam ein Bekannter des Freundes dazu, den Kris nur vom Sehen kannte. "Ich hatte noch nie zuvor mit ihm gesprochen", sagt der YouTuber in die Kamera. Trotzdem habe der Mann mit dem Finger auf ihn gezeigt und gesagt: "Hey Mann, ich kenne dich, that's my n****." Der YouTuber versuchte, den Kerl einfach zu ignorieren. Noch am selben Abend habe der Mann ihn zwei weitere Male mit "my n****" angesprochen, sagt Kris im Video.

Anzeige

Am gleichen Wochenende sei er von einem Türsteher mit den Worten "Keine Amerikaner" an einer Clubtür abgewiesen worden, so der YouTuber. "Eigentlich sagen sie: 'Schwarze sind hier nicht erlaubt', aber stattdessen nutzen sie die Taktik, einfach zu sagen, 'keine Amerikaner'. Dann sagen sie es, ohne es wirklich zu sagen", sagt Kris während er mit den Händen Anführungszeichen in die Kamera macht. Dennoch stufe er diesen Vorfall nicht als Rassismus ein, so der YouTuber aus Florida. Die Türsteher würden ja nur das machen, was der Clubbesitzer ihnen sagt.

Der indische YouTuber Bharat lebt und studiert in Hamburg. Mit seinem Kanal Bharat in Germany! will er Studierenden, die planen, nach Deutschland zu kommen, helfen. Im Video "Reality about Racism in Germany" spricht er mit seinem Kumpel Samy über rassistische Erfahrungen in Deutschland. Beide betonen, dass sie in vielen Jahren in Deutschland nur selten Rassismus oder Diskriminierung erlebt haben. Trotzdem können die beiden Inder von Situationen erzählen, in denen sie wegen ihrer Herkunft angefeindet oder mit Vorurteilen konfrontiert wurden.

Samy erzählt etwa, wie er sich auf einer Reise mit seiner Frau ein gutes Hotelzimmer im obersten Stockwerk gönnte. Am nächsten Morgen hätten sie sich in einem überfüllten Frühstücksbereich berechtigterweise an den Tisch gesetzt, der für Penthouse-Bewohner reserviert war. "Dann kam eine Dame und sagte: 'Es tut mir leid, hier dürfen nur Leute sitzen, die im zehnten Stock wohnen'", so der indische Akademiker. Obwohl er sich angegriffen fühlte, reagierte Samy entspannt: Er habe den Zimmerschlüssel auf den Tisch gelegt und ruhig nachgefragt, ob er die Zimmernummer richtig gelesen habe. "Sie wurde rot und brachte kein Wort mehr heraus. Dann ging sie einfach weg", sagt Samy. Er wünscht sich, dass die Dame etwas taktvoller vorgegangen wäre und zum Beispiel einfach gefragt hätte, in welchem Zimmer sie übernachteten. Trotzdem nehme er den Vorfall nicht persönlich.

Anzeige

Die amerikanische YouTuberin Hayley Alexis war positiv überrascht, als sie 2015 nach München zog und feststellte, dass sie nicht gleich auf überzeugte Nazis traf. "Ich kam hierher und dachte: 'OK, jeder wird eine Swastika im Gesicht tragen und sie werden ihre Heugabeln bereit haben, um mich zu lynchen'", sagt die Amerikanerin in einem Video zu Rassismus in Deutschland. Das hätten die Leute in Florida sie glauben lassen, bevor sie auswanderte. Der Rassismus, den sie als Person of Color in den USA erlebt habe, sei aber schlimmer gewesen, als der, mit dem sie sich in Deutschland konfrontiert sieht. Trotzdem bezeichneten sie Menschen hier als "kleines Schoko-Bonbon" und fragten, warum sie so braun sei, oder ob sie ihre Haare anfassen dürften. Letzteres passiere vor allem, wenn sie einen Afro trage.

Fun Fact: Deutsche nehmen Dinge oft ziemlich genau

In einem anderen Video von Hayley Alexis wird klar, dass manche Klischees über Deutschland offenbar ziemlich oft zutreffen. "Tragt bei Leuten zu Hause keine Schuhe", sagt die YouTuberin. Sie rät, Hausschuhe oder Socken mitzubringen, wenn man bei Deutschen zu Gast ist. Außerdem weist sie auf das ungeschriebene deutsche Gesetz "rechts stehen, links gehen" hin. Das gelte auch auf deutschen Straßen: "Fahrt nicht langsam auf der linken Spur der Autobahn", warnt die YouTuberin internationale Gäste. Im selben Video sagt sie auch, dass man sich in Deutschland bemühen solle, immer pünktlich zu sein und ja keine rote Ampel vor den Augen kleiner Kinder zu überqueren. Klassische Klischees über Deutschland eben – die anscheinend immer noch oft genug zutreffen.

Anzeige

Deutsche sind nicht immer kalt und abweisend

Andere Klischees über Deutsche werden widerlegt. Die indische YouTuberin Nikita widerspricht auf ihrem Kanal The Happy Hoot dem Klischee, Deutsche seien kalt und abweisend. In dem Video zum Thema sagt sie, dass sie nicht verstehe, wieso viele Menschen Deutsche für kalt halten. "Ich habe noch nie einen Deutschen erlebt, der eine kalte Person ist", sagt Nikita. Dennoch gebe es bestimmt auch Deutsche, die sich kalt und abweisend verhalten würden. Aber die gebe es auch in anderen Ländern, etwa in Indien oder Bangladesch.

Die Kanadierin Diana Verry lebt seit 2017 in Berlin. In einem Video zu deutscher Unhöflichkeit sagt sie, dass sie oft gefragt werde, ob man in Deutschland Begegnungen mit extrem unfreundlichen Menschen befürchten müsse. "Ich finde, Deutsche sind super-super-freundlich", sagt die Kanadierin im Video. Deutsche seien lediglich etwas distanzierter als Nordamerikaner oder Kanadierinnen. Außerdem sei deutscher Humor eher trocken und sarkastisch.

Immerhin!

Folge Marco auf Twitter und VICE auf Facebook, Instagram und Snapchat.