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Verbrechen

Ladendieb wird freigesprochen – weil er einen Zwillingsbruder hat

Haben eineiige Zwillinge einen Freifahrtsschein zum Klauen?
Foto: imago | Winfried Rothermel

Gute Nachrichten für alle, die ihren Zwilling zwar lieben, aber trotzdem oft genervt sind, dass sie kaum als eigenständiger Mensch wahrgenommen werden: Einen Zwilling zu haben, hat mehr Vorteile, als ihr denkt – zumindest wenn ihr eine Karriere als Kleinkrimineller anstrebt. Das zeigt ein absurder Fall aus Nordrhein-Westfalen.

Das Amtsgericht Bochum musste am Montag einen potentiellen Ladendieb aus Mangel an Beweisen freisprechen, weil Zeugen ihn und seinen Zwillingsbruder nicht auseinanderhalten konnten. Der 39-Jährige soll am 23. und 24. Mai 2016 unter anderem mehrere Gasgrills und Geschirr aus einem Kaufhaus in der Bochumer Innenstadt entwendet haben. Die seelenruhigen Raubzüge – der Täter soll sich die Pakete einfach unter den Arm geklemmt und das Geschäft gemächlich wieder verlassen haben – zeichneten Überwachungskameras auf.

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Als der Ehemann der zuständigen Filialleiterin den vemeintlichen Täter einen Monat später auf der Straße entdeckte, informierte er sofort die Polizei. Die nahmen die Personalien des Mannes auf und der Fall ging vor Gericht. Dort war der Richter allerdings mit einem unüberwindbaren Problem konfrontiert: Der mutmaßliche Dieb hat einen nahezu identisch aussehenden Zwilling. Wie feststellen, welcher denn nun der Grilldieb war, wenn keiner von beiden den Mund aufmacht? Auch der geladene Zeuge, besagter Ehemann, stellte laut der Westdeutschen Allgemeinen Zeitung fest: "Ich kann sie nicht auseinanderhalten."

Um doch noch klären zu können, welcher der Brüder hinter den Raubzügen steckte, zog das Gericht einen Sachverständigen hinzu. Der sollte auf Basis der Überwachungsaufnahmen ein anthropologisch-biometrisches Identitätsgutachten erstellen. Dabei werden Merkmale wie beispielsweise die Ohrform oder die Oberlippenpartie abgeglichen, die auch bei eineiigen Zwillingen nicht exakt gleich sind. Der Experte war sich schlussendlich zwar zu 99,9 Prozent sicher, dass es sich bei dem Angeklagten tatsächlich auch um den Dieb handle. Das Gericht wollte auf Basis des Berichts trotzdem kein Urteil fällen. Die vergrößerten Ausschnitte von den Überwachungskameras seien einfach zu verpixelt, um eine eindeutige Zuordnung zuzulassen.

Das Ergebnis: Freispruch für den Angeklagten. Eine Entscheidung, der auch die zuständige Staatsanwältin zustimmte. "Einer von Ihnen beiden wird’s gewesen sein", erklärte der Richter des Bochumer Amtsgericht abschließend resigniert. Das vielleicht treffendere Fazit zum Fall kam laut WAZ aber wohl aus dem Publikum. "Ein Freifahrtschein zum Klauen", soll jemand gezischt haben.

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