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Einige Walliser haben genug vom Franken und drucken jetzt ihr eigenes Geld

Sie haben Geld im Wert von einer halben Million Franken in Umlauf gebracht. Die Schweizer Nationalbank lässt das kalt.
Foto bereitgestellt von Cathy Berthouzoz

Geld ist schön, solange es zirkuliert. Im Zuge der Finanzkrise haben jedoch immer mehr Menschen angefangen, ihr Geld auf Bankkonten zu horten. Die Folge: Das Geld vereinsamt, fliesst nicht in die Wirtschaft zurück, es droht Stagnation. Um dieser globalen Entwicklung entgegenzuwirken, hat eine Gruppe von Unterwallisern vor zwei Wochen kurzerhand eine eigene Währung lanciert – den Farinet.

Der Namensgeber Joseph-Samuel Farinet hatte im Unterwallis gegen Ende des 19. Jahrhunderts eine Unmenge an gefälschten 20-Rappen-Münzen in Umlauf gebracht. Bei der Bevölkerung genoss sein Falschgeld zeitweise jedoch mehr Vertrauen als das Papiergeld der Kantonalbank, weswegen der Bundesrat Farinets Verhaftung anordnete. Bei dieser starb der Falschmünzer 1880 unter ungeklärten Umständen.

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"Natürlich haben die Walliser auch heute noch eine romantische Beziehung zur historischen Figur Farinets. Da sein Name bei den Leuten auf Interesse stösst, haben wir ihn als Namensvetter für die Lokalwährung ausgewählt", erklärt Fred Mariethoz, Mitinitiant der alternativen Währung, auf Anfrage von VICE. Der Farinet sei aber nicht etwa aus einem Vertrauensdefizit gegenüber dem Franken heraus entstanden, sondern vielmehr aus einer angestrebten Veränderung des Konsumverhaltens. "Die meisten Konsumenten wissen heute nicht mehr, woher das Hühnchen in ihrem Essen oder das Holz, aus dem ihre Skier gemacht sind, stammt", so die Einschätzung von Mariethoz.

Die neue Lokalwährung soll der Entfremdung zwischen Konsument und Produkt Abhilfe schaffen, indem mit ihr hauptsächlich Produkte gekauft werden können, deren Transportweg überschaubar ist. "Im Grunde funktioniert die Währung genau gleich wie der Franken. Mit dem einzigen Unterschied, dass die Lokalwährung nur im Wallis gültig ist und nicht verzinst werden kann", erklärt Cathy Bertouzoz, Mediensprecherin des Farinet-Projekts, auf Anfrage von VICE. Das Geld bleibe deshalb in der Region, wo es wegen der fehlenden Zinseinnahmen nicht gehortet, sondern reinvestiert werde. Dadurch erhöhe sich die lokale Wertschöpfung und sichere somit auch Arbeitsplätze, betont Bertouzoz.

"Die meisten Konsumenten wissen heute nicht mehr, woher das Hühnchen in ihrem Essen oder das Holz, aus dem ihre Skier gemacht sind, stammt."

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Den Initianten geht es nicht darum, sich der Globalisierung zu widersetzen. Diese sei ohnehin unaufhaltbar. Vielmehr wollen die Initianten ein wirtschaftliches Beziehungsgeflecht aufbauen, welches eine nachhaltige Produktion sowie einen bewussten Konsum begünstigt. "Ich habe bereits zwei Zulieferer, den Metzger und den Gemüsehändler, überzeugen können, ihre Lieferungen ebenfalls in Farinets abzurechnen. Momentan versuche ich gerade den Weinhändler mit ins Boot zu holen", erklärt Mariethoz, der einige Restaurants sowie Sportläden in der Nähe des 6000-Seelen-Ortes Nendaz betreibt. Der Unternehmer hat auch schon mit dem Bürgermeister seines Dorfes gesprochen. Er hofft, eines Tages seine Steuern in Farinets bezahlen zu können. Bis dahin dürfte es jedoch noch ein langer Weg sein. "In den ersten zwei Wochen des Projekts wurden bereits 60.000 Farinets gewechselt und über 140 Unternehmen haben sich daran beteiligt", zeigt sich Bertouzoz zwar erfreut. Im Vergleich zum kantonalen Bruttosozialprodukt von gut 17 Milliarden Franken, sind einige 10.000 Farinets aber nicht mehr als ein Tropfen auf den heissen Stein.

Entsprechend gelassen schaut die Schweizerische Nationalbank (SNB) auf das Frankensubstitut: "Für die Geldpolitik stellen bestehende alternative Zahlungsmittel kein Problem dar, sie können weder die Wirksamkeit der Geldpolitik der SNB in Frage stellen, noch den Zahlungsverkehr massgeblich beeinflussen. Sie sind momentan keine Alternative zum Schweizer Franken, sondern als Zahlungsmittel ein Nischenprodukt", sagt Silvia Oppliger von der SNB-Presseabteilung auf Anfrage von VICE. Insgesamt haben die Initianten Farinets im Wert von einer halben Million Franken gedruckt. Die Kosten für das Design der Noten und deren Druck haben sie via Crowdfunding finanziert, die Initianten selber beziehen keinen Lohn, sondern leisten Freiwilligenarbeit. Die Farinets können von Privatpersonen und Unternehmen zu einem Wechselkurs von 1:1 mit Franken gekauft werden und damit in allen Läden, die Farinets akzeptieren, bezahlen. Die Franken, mit denen die Farinets gekauft wurden, landen auf einem Konto bei der Alternativen Bank, wo sie zwar ebenfalls gehortet – aber immerhin nicht in Waffengeschäfte oder umweltbelastende Technologien investiert werden.

Erhältlich ist die Währung neben 1er-, 2er-, 5er-, 10er-, 20er-, 50er- und 100er- auch in 13er-Scheinen. Auf die Frage, weshalb sie einen 13er-Schein gedruckt haben, antwortet Bertouzouz amüsiert: "Weil wir es konnten." Die 13 Sterne auf dem Walliser Wappen würden die 13 Bezirke des Wallis symbolisieren. Da die Währung rechtlich als Gutschein gilt, kann sie in beliebigen Werten ausgestellt werden. Man hätte mit der Finanzmarktaufsicht alles abgesprochen, wonach diese grünes Licht gegeben hätte.

Nach dem NetzBon in Basel, den Bonobo in Bern und dem Léman in Genf ist der Walliser Farinet die vierte Schweizer Lokalwährung. Sie charakterisiert eine merkwürdige Mischung aus Lokalpatriotismus und Konsumkritik. Vielleicht handelt es sich dabei auch einfach nur um einen Gag für die Touristen, von denen in letzter Zeit nicht mehr so viele ihren Weg ins Wallis gefunden haben: In den Tourismusbüros in Sion und Martigny sollen demnächst jedenfalls Farinet-Wechselstuben eröffnet werden. Folge VICE auf Facebook und Instagram Philippe auf Twitter