Menschen

10 Fragen an einen Makler, die du dich niemals trauen würdest zu stellen

"Ich lege ein grobes Raster an. Und alle mit nicht deutsch klingendem Namen fliegen raus."
Ein Mann im Anzug hält sich eine Mappe vors Gesicht
Alle Fotos: Sandra Schildwächter

Einmal konnte Sebastian an einem Tag 20.000 Euro Provision einstreichen. Er hatte ein Haus für zweieinhalb Millionen Euro vermittelt, sein teuerstes bisher. Sebastian ist 26 und Makler. Und weil sein Job so einen schlechten Ruf hat, möchte er nicht, dass sein richtiger Name in diesem Text steht. Früher hat Sebastian vor allem Mietwohnungen vermittelt, inzwischen fast nur noch Häuser zum Verkauf. Denn damit, sagt er, lasse sich mehr Geld verdienen.

Anzeige

In Deutschland arbeiten aktuell etwa 30.000 Immobilienmakler. Um einer von ihnen zu werden, musste Sebastian nicht studieren. Denn Makler kann fast jeder werden: Wer keine Eintragung im Führungszeugnis hat, kann für 200 Euro eine Lizenz kaufen und loslegen. Sebastian sagt, deshalb gebe es so viele schwarze Schafe in seiner Branche, die den Ruf beschädigen.

Wir haben Fragen.

VICE: Benachteiligst du Menschen, deren Namen nicht deutsch klingt?
Sebastian: In Ballungsgebieten wie Frankfurt, München oder Hamburg und gefragten Innenstadtlagen habe ich auf eine Wohnung bis zu 150 Anfragen. Da lege ich ein grobes Raster an. Und alle mit nicht deutsch klingendem Namen fliegen raus. Eigentlich ist dem Vermieter die Nationalität vollkommen egal. Viele assoziieren nicht-deutsche Namen aber mit Unsicherheitsfaktoren und einem nicht attraktiven finanziellen Hintergrund: mit Leuten, die Saisonarbeit machen, also eine Wohnung nur auf Zeit suchen, mit Asylbewerbern mit unklarem Aufenthaltsstatus und ohne Arbeitserlaubnis. Deine Bewerbung kann gut sein, aber wenn es andere gibt, die dem Idealbild näherkommen, fällst du durchs Raster.

Wie viele deiner Auftraggeber vermieten lieber an Weiße Menschen?
Ich hatte nie viele Schwarze Interessenten bei Besichtigungen. Aber wenn die einen nicht-deutschen Namen haben, fliegen die ja auch schon vorher durch das Raster. Man muss aber unterscheiden: Im Südwesten gibt es viele Schwarze US-Amerikaner, die im Militär sind. Die sind sehr begehrt, weil sie hohe Mieten zahlen. Generell legt der Vermieter die Kriterien fest, nach denen ich aussuche. Der sagt dann auch: Menschen mit Migrationshintergrund, sowas möchte ich nicht haben.

Anzeige

Ich habe persönlich mit diesen Menschen keine Probleme, aber das stelle ich als Makler hintenan. Es geht um wirtschaftliche Interessen und das hat wenig mit mir selbst zu tun. Ich arbeite nach den Kriterien des Vermieters.

Welche Bewerber bekommen eine Vorzugsbehandlung?
Aus Vermietersicht hätte auf eine durchschnittliche Zwei- bis Dreizimmerwohnung die besten Chancen: ein frisch verheiratetes Ehepaar Anfang 30, beide mit festen, unbefristeten Jobs und gutem Gehalt, die keine Kinder wollen, keine Haustiere haben, nicht rauchen, gepflegt sind, aber generell eher unauffällig wirken.

Eine Mappe mit einem Grundriss

Die schlechtesten Chancen bei einer Besichtigung haben Menschen mit einem zerlotterten Kleidungsstil oder jemand, der komplett in Leinen gekleidet ist. Viele Vermieter haben Vorbehalte gegenüber Menschen mit starker ökologischer, eher linker Gesinnung. Die sehen Vermieter eher als böse Menschen. Bei Streitigkeiten klagen sie schneller, gehen den Rechtsweg – das möchte man vermeiden. Schlecht ist auch, mich zu fragen, ob Haustiere erlaubt sind oder kurz vor der Besichtigung noch zu rauchen. Das rieche ich sofort.

Die Personen, die ich zur Besichtigung einlade, habe ich vorher gründlich ausgesucht. Bei der Besichtigung ist daher ein seriöser Eindruck und das Auftreten der Leute sehr wichtig. Im Gespräch will ich Sachen herausbekommen, die ich teilweise gar nicht fragen dürfte: etwa ob jemand kleine Haustiere hat, das muss man nicht angeben.

Anzeige

Ziehst du Menschen mit Vollzeitjob immer Studierenden vor?
In 99 Prozent der Fälle: ja.

Wie oft vermietest du Wohnungen, die gegen die Mietpreisbremse verstoßen?
Bisher noch nicht, in meinen Märkten gab es die Bremse oft gar nicht. Ich hätte es aber getan, weil ich denke, der Markt sollte das regeln. Solche staatlich beschlossenen Regulierungen finde ich schwierig. Man kann nicht beliebig viel regeln, das funktioniert nicht.


Auch bei VICE: Diese Londoner Anarchisten besetzen leerstehende Luxushäuser


Findest du es OK, wenn ärmere Leute an den Stadtrand ziehen müssen und sich nur Reiche die Innenstadt leisten können?
Ich sehe da kein prinzipielles Problem. Ich weiß, wie schwer es ist, eine Wohnung zu mieten – ich sehe aber auch, wenn du eine halbe Stunde aus der Stadt rausfährst, da kloppen sich die Vermieter um die Mieter. Es kann nicht jeder das Recht darauf haben, in bester Innenstadtlage zu leben. Das ginge auch gar nicht, es können ja nicht alle an derselben Stelle leben. Dann würde der ländliche Bereich aussterben.

Geht es dir nahe, wenn sich viele Leute keine Wohnung mehr leisten können?
Selten. Ich befasse mich nicht wirklich mit dem Thema, ich lasse das nicht an mich ran. Natürlich tun mir die Leute persönlich leid – aber als Makler trenne ich das.

Mit welchen Tricks vertuscht du Schäden in Wohnungen?
Ich bin nicht der Typ Makler, der bei Kratzern im Parkett etwas schwafelt wie: "Das wertet den Raum dynamisch auf." Wenn ein Schaden sichtbar ist, etwa ein Wasserfleck an der Decke, dann würde ich sagen: "Der Vermieter ist informiert und kümmert sich darum." Ob er das dann wirklich tut, ist eine andere Geschichte. Oft streichen Vermieter über einen Wasserschaden und man sieht ihn erst nach drei Monaten wieder. Oder es gibt Probleme mit der Heizung, die Wohnung wird aber im Sommer vermietet. Als Makler berufe ich mich darauf, dass ich meine Angaben vom Vermieter habe. Im Zweifel habe ich dann eben nichts davon gewusst. Ich bin dazu verpflichtet, über Mängel aufzuklären – aber niemand kann nachweisen, ob ich von den Mängeln wusste oder nicht. Dann lasse ich sie eben unter den Tisch fallen.

Anzeige

Wie Wohnungsunternehmen in Berlin ihre Mieter bescheißen

Verschweigst du Interessenten laute Clubs oder Bars in der Nachbarschaft?
Das ist nicht unüblich, ja. Man verschweigt das oder erwähnt es halt nicht explizit.

Hast du dich schon einmal für deinen Beruf geschämt oder gelogen und dir einen anderen Beruf ausgedacht?
Ganz oft! Für mich war das immer ein Mittel zum Zweck, um Geld zu verdienen. Viele Leute aus meinem persönlichen Umfeld wissen gar nicht, dass ich als Makler tätig bin.

Folge VICE auf Facebook, Instagram und Snapchat.