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Campus, Sex und Ravioli

Warum drei Monate Ferien zu viel des Guten sind

Ich habe es mir zur Aufgabe gemacht, die Schattenseiten der Studentenferien aufzuzeigen und euch Gründe zu geben, mir für drei Monate Ferien eine dicke Dose Mitleid aufzumachen.

Foto: pabloneco | photopin | cc

Ihr kennt das bestimmt. Der gemeine Pöbel ist davon überzeugt, Kinder, Lehrer und Studenten haben zu lange Ferien. Zwei oder sogar ganze drei Monate, wie unfair.
Was viele aber nicht bedenken, ist dass während Lehrer die überwältigenden Vorzüge und Geldberge, die das Lehrerdienstrecht so mit sich bringt, genießen und Kinder gerade einmal beginnen, sich zum Mensch zu entwickeln—und damit zirka soweit von Sorgen entfernt sind wie Leonardo DiCaprio vom Oscar—, haben Studenten weder Geldberge zur Verfügung noch sind sie so sorgenfrei wie der Burli, der an der Supermarktkasse die Apokalypse heraufbeschwört, weil er den dritten Beutel zähnezerbröselnder Süßigkeiten wieder aus dem Einkaufswagerl geben muss.

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Ich habe mir daher zur Aufgabe gemacht, die Schattenseiten der Studentenferien aufzuzeigen und euch Gründe zu geben, mir für drei Monate Ferien eine dicke Dose Mitleid aufzumachen.

DAS LEBEN HAT KAUM HIGHLIGHTS

Foto: quinn.anya | photopin | cc

Wer (im Gegensatz zu mir) einen Kalender führt, wird es irgendwann schon erkannt haben—die Highlights des Lebens sind in einem Alltag aus ödem Einheitsbrei versteckt wie die Rindfleischstücke in der 1 Euro-Reisbox, von denen man gerne doch ein paar mehr hätte, obwohl man doch eigentlich genau wusste, worauf man sich eingelassen hat.

Wenn du nicht nicht gerade einen Ferialjob bei der Bäckerei-Kette oder dem Marktforschungsinstitut deines Vertrauens angenommen hast (möge Gott deiner Seele gnädig sein), stehst du plötzlich vor einem großen Loch und hast viel Zeit, um über dich selbst nachzudenken und der bitteren Realität ins Auge zu blicken—was mich auch schon zu meinem nächsten Punkt bringt.

WIR SIND NICHT DAN BILZERIAN

Foto: Dan Bilzerian auf Facebook Wenn Dan Bilzerian auf seiner Facebook-Plattform nicht auch „Arschloch" neben der Beschreibung, „Schauspieler, Astronaut und Pokerspieler" stehen hätte, dann hätte ich nichts mit ihm gemeinsam. Dieser stinkreiche Ex-Navy Seal versammelt gleichzeitig mehr (halb)nackte Frauen um sich, als in allen Pornos, die ich je gesehen habe, zusammen und hat mehr fette Knarren zuhause als mein letzter GTA-Charakter—Fuck yeah!

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Dan Bilzerian lebt ein Leben, von dem wir nur träumen können, und über diese Erkenntnis tröstet mich auch die verstaubte Softgun in meinem Kasten oder meine Premium-Mitgliedschaft bei Brazzers nicht hinweg. Drei Monate Ferien helfen uns nicht dabei, diesem Leben näher zu kommen. Sie ermöglichen uns nur, mehr darüber nachzudenken, wie weit wir tatsächlich davon entfernt sind.

DAS LEBEN IST LANGWEILIG, DAS INTERNET AUCH

Foto: SlipStreamJC | photopin | cc

Wir haben also erkannt, dass man eigentlich ziemlich weit davon entfernt ist, ein funktionierender Erwachsener zu sein, geschweige denn Super-Celebrity oder zumindest Präsident des größten Fucking-Machine-Konzerns der Welt.

Deshalb versuchen wir, uns mit den beschränkten Mitteln, die uns zur Verfügung stehen, zu amüsieren—also ab ins Internet! Nach dem zwanzigsten Besuch auf den beliebten Spaß-Seiten deiner Wahl innerhalb einer Stunde wirst du jedoch merken, dass auch das Internet seine Grenzen hat (wenn du nicht gerade herausfinden willst, wie es beim Schwarzen-Amputations-Handjob-Toiletten-Porno abgeht).

Serien gibt es im allesverschlingenden Sommerloch auch nur wenige, und die haben sich in der Regel auch sehr schnell durchgesehen. Zum Glück gibt es auch ein Leben abseits des Computers, und das erste, was einem da einfällt, sind die Freunde. Wenn es da nicht ein kleines Problem gäbe …

ALL DEINE FREUNDE SIND WEG

Foto: Alejandro Hernandez. | photopin | cc

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Anders als du haben all deine Freunde Geld und lassen sich um diese Zeit vermutlich schon von den zweckentfremdeten Einwohnern geschützter Reservate beim Dschungelpicknick oder Schwimmen mit Delfinen fotografieren, um es im WiFi-Zelt nebenan gleich auf Facebook hochzuladen (denn sonst ist es bekanntermaßen nie passiert).

So bleibt dir also nichts anderes über, als dich mit Halbfreunden und Social Media-Bekanntschaften zu verabreden, um neben relativ belanglosen Feriengesprächen dem alljährlichen sommerlichen Bräunungswahn zu frönen, der mir übrigens ganz nebenbei gewaltig auf den Sack geht. Das Braunsein als Schönheitsideal ist ein absolut arbiträr gesetzter mitteleuropäischer Standard—in China zum Beispiel gilt Blässe als vornehm, weil dort die niederen Schichten von der Feldarbeit gebräunt werden—, was mich mit meiner Hautfarbe gesellschaftstechnisch gleich im oberen Hochadel ansiedeln würde. Also bitte Schluss damit.

WIR WERDEN VON ÖDEN SOMMERHITS HEIMGESUCHT

Foto: Flооd | photopin | cc

Jedes Jahr das Gleiche. Der nächste selbsterklärte Sommerhit aus dem Mainstream Label-Reagenzglas ist fertig und alle Radiosender und Clubs der Stadt haben es sich zur Aufgabe gemacht, dir durch dauerhafte Zwangsbeglückung den Liedtext (wenn vorhanden) in deine DNA einzubrennen und uns ein sommerlich-urlaubshaftes Lebensgefühl vorzugaukeln.

Unter dem Unwort des Jahrtausends „Smash-Hit" vereinen sich Klassiker wie „Ab in den Süden", „The Ketchup Song" und „Summer Jam" zu einer unertragbaren Symphonie des Grauens. Und wenn ihr denkt, es könnte nicht schlimmer kommen, springt Pharell Williams mit seinem nächsten vorprogrammierten Super-Hit aus dem Gebüsch und verpasst euch den Finishing Move.

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Das wirklich Schlimme an der Sache ist jedoch, dass unsere Freunde, die auf den Bahamas Cocktails aus Kokosnüssen mit kleinen Schirmchen trinken, von diesen musikalischen Verbrechen gegen die Menschlichkeit verschont bleiben. Apropos Verbrechen gegen die Menschlichkeit: Habt ihr gewusst, dass es ein neues Musikvideo der Venga Boys gibt? Prädikat: besonders brustvoll.

Wenn man nicht gerade einen sehr eigenwilligen Musikgeschmack hat und Freitag Abends nur auf das lokale Schranz-Revival-Festival geht, dann bleibt man auch in den Clubs nicht vor den omnipräsenten Sommerhits verschont. Allerdings treiben uns dort ja auch andere Dinge hin …

KLEBRIGER, BEDEUTUNGSLOSER SOMMERSEX IST SCHEISSE

Foto: Jonathan Harford | photopin | cc

Die letzte Station deiner Sommer-Odyssee ist der Club (früher auch als Disco bezeichnet). Ein Ort, an dem Menschen mit jedem Drink hübscher werden, du deine irdischen Sorgen vergessen und dein Bräunungsdefizit mit schlechter Beleuchtung und lahmen Sprüchen wie „Hey, den Song kenn ich!" und „Serwas, du schoarfe Rodel" ausgleichen kannst.

Trotz dieser liebreizend-unkreativen Sprüche hat sich noch niemand in dich verliebt und du musst bei gefühlten 3000 Grad Celsius weiterhin deinen besten Balztanz bringen. Aber keine Sorge, für jeden Topf gibt es einen Deckel, und mit späterer Stunde sinken bekanntermaßen auch die Standards und Moralvorstellungen für deinen Traumpartner und du wirst überrascht (und im Nachhinein entsetzt) sein, was alles auf deinen Topf passt.

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Du hast also gerade den lieblosesten Sex deines Lebens und außerdem noch eine ziemlich gute Vorstellung davon, wie es wohl ist, Billard statt mit einem Queue mit einem schlabbrigen Seil zu spielen, und spätestens am nächsten Morgen (aber wahrscheinlich eher sofort danach) packt dich der Ekel vor dir selbst. Also tust du, was jeder in dieser Situation tun würde (oder nur ich):

Du schälst dir den klatschnassen Partner vom Körper, schleichst dich aus dem Bett und stirdelst irgendwo in den zerfledderten Habseeligkeiten deiner Discoliebe nach Geld um es ihr danach stolz und wohlwollend für ein Taxi zu überreichen. Win-Win!

Zu diesem Zeitpunkt fragst du dich dann noch, warum du einen Geschmack im Mund hast, als hättest du die Nacht in einer mit Alko-Pop gefüllten Waschmaschine voller Zigaretten verbracht und ob das wirklich ein Schülerausweis in der Tasche deiner Bettbekanntschaft war. Spätestens hier erkennst du, dass auch überbewerteter Disco-Sommersex nicht alle Löcher in deinem Leben stopfen kann.

Drei Monate Ferien sind also definitiv zu lang, denn sie erinnern uns nur viel zu gerne und viel zu oft an den Verkorkstheitsgrad unseres Lebens. Und sind wir uns mal ehrlich—ein geregelter, aber vielleicht öder Tagesablauf kann auch mal besser sein, als jeden zweiten Tag gegen 5 Uhr nachmittags mit einem lapprigen Stück Pizza im Gesicht aufzuwachen. Und wenn ihr euch wirklich so sehr vor Langeweile krümmt, dann gibt es bestimmt die ein oder andere kreative Freizeitaktivität, bei der ihr die Tristesse des Alltags ganz schnell wieder vergesst. Wie wäre es zum Beispiel, wenn du dich mit einem Metalldetektor bewaffnet ins Freie stürzt und die Schilling- oder Reichsmarksammlung der Großeltern aufmotzt? Alternativ kannst du dich auch zu gemeinnützigen Arbeiten verpflichten lassen oder zur Fremdenlegion gehen (wobei du dir dann auch eine gute Ausrede zurechtlegen solltest, warum du nach 3 Monaten schon wieder nach Hause willst).

Jetzt könnt ihr mich natürlich für einen erbärmlichen Loser halten, aber wenn ich damit zu einem Ende des leidigen Studenten-Ferien-Bashings beitrage, dann bin ich eben euer ganz persönlicher Märtyrer. Außerdem wäre ich überrascht, wenn ich nicht zumindest irgendwo den ein oder anderen Nerv getroffen hätte. Und wenn ihr gerade auf paradiesischen Stränden liegt, dann denkt doch auch mal wieder an eure Freunde, die im großen Asphaltdschungel dahinsiechen, während ihr euch unter der karibischen Sonne exotischen Alkohol in die Birne ballert.

Adrian auf Twitter: @doktorSanchez