Meditation

Ich habe Meditations-Gadgets für Reiche getestet

Kann ein Nasenspray mich ins Nirwana katapultieren?
Der Autor in seinem Meditierumhang und mit seinem Meditierstirnbarnd
Meditieren kann so stylish – und teuer – sein | Foto links: Mike Pearl || Foto rechts: Justin Caffier 

Ponyhof, Zuckerschlecken, Wunschkonzert: Das und viel mehr ist das Leben nicht. Wir haben alle unsere Methoden, um damit klarzukommen. Manche suchten Serien, andere pumpen oder laufen Marathon. Doch lange vor Netflix und Ausdauersport in Nike-Schuhen gab es die Meditation. Seit ihrer Erfindung vor Tausenden von Jahren wird sie immer beliebter.

Kein Wunder, immerhin kostet meditieren nichts und man braucht kein Equipment. Geschäftstüchtige hält das nicht davon ab, Meditation zum profitablen Produkt umzumodeln. Seit einigen Jahren ist "Achtsamkeit" Trend. Es gibt immer mehr Produkte, die uns helfen sollen, zu entspannen und inneren Frieden zu finden – von luxuriösen Meditationshockern, die einen mittleren Monatslohn kosten, bis hin zu bezahlbareren Gadgets und Apps.

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Ich lebe in Los Angeles, der globalen Hochburg für teuren Achtsamkeits- und Wellness-Firlefanz. Wenn ich mir das alles ansehe, bin ich hin und hergerissen zwischen Respekt vor so viel Geschäftssinn und Abscheu vor so viel Abzocke. Aber vielleicht bin ich zu zynisch? Kann man sich ein Stück Erleuchtung kaufen? Um das herauszufinden, habe ich die exklusivsten, modernsten Produkte getestet, die die Meditationsindustrie hergibt.

The author crouching on a rock in a red cape

Der Autor in einem Meditationsumhang, ein Meditations-Nasenspray schnupfend | Foto: Mike Pearl

Der Umhang

Ich dachte ja immer, in Sportkleidung meditieren geht klar. Aber wie meine Recherchen zeigen, musst du schon was Besonderes anziehen, wenn du dein drittes Auge aufstemmen willst. Eine Firma namens DharmaCrafts hat einen ganzen Online-Shop mit "Meditationskleidung", mit dabei: ein Meditationsumhang aus Fleece für 179 Dollar. Ich bestelle ihn mir in Rot, weil ich mir vorstelle, dass ich beim Meditieren dann wie ein Druide aussehe. Tatsächlich komme ich mir darin eher vor, als hätte ich eine Ärmeldecke aus dem Fanshop von The Handmaid's Tale an.

Falls du das Klima von Los Angeles nicht auf dem Schirm hast: Hier ist es das ganze Jahr über warm. In meinem Fleece-Ungetüm schwitze ich beim Meditieren dermaßen, dass mir die ganze Achtsamkeit davonschwimmt. Ich beschließe, die restlichen Produkttests umhangslos durchzuziehen. Aber ich behalte den Umhang. Wer weiß, ob ich nicht irgendwann auf einen Berg pilgern muss, um ein Orakel zu konsultieren.

Das spirituelle Nasenspray

In meine Suche nach Achtsamkeit will ich so viele Sinne wie möglich einbinden. Das Nasenspray "Satori" des Homöopathie-Shops Remedylink kommt mir da mehr als gelegen. Die Firma verspricht, das Spray könne meinen Thymus und meine Zirbeldrüse aktivieren. Die Zirbeldrüse, so Remedylink, soll "eine Art Antenne für die spirituelle Ebene" sein – aber leider können angeblich "Impfungen und Fluoridierung dieser wichtigen Drüse schaden", was einer "spirituellen Kastration" gleichkomme. Als großer Fan von Impfungen und Leitungswasser sorge ich mich natürlich sofort um die Potenz meiner Drüsen. Zum Glück kann ich für nur 89 Dollar eine Flüssigkeit erstehen, die mir helfen wird, "die spirituelle Ebene zu erreichen". Vielleicht sind die Kronjuwelen meiner Organe noch nicht verloren.

Ich erkläre dem Inhaber von Remedylink, Spencer Feldman, meinen Selbstversuch. Er schickt mir eine Gratisprobe von Satori, aber mit Bedingungen: Ich soll das Spray in der Natur anwenden und außerdem nicht zu viel erwarten. Ich bin ein Mann, der sein Wort hält, also gehe ich mit dem Spray in den Park und setze mir dort in jedes Nasenloch einen Spritzer. Es ist nicht das erste Mal, dass ich mir für meine Arbeit etwas in die Nase ziehe. Trotzdem bin ich erst mal entsetzt, wie sehr das Erleuchtungsspray brennt. Die Zutatenliste verrät mir, dass wohl der Salzgehalt schuld sein muss. Als der Schmerz nachlässt, meditiere ich los. Nach zehn Minuten bin ich mir ziemlich sicher, dass sich meditieren mit Nasenspray genauso anfühlt wie ohne. Aber wenigstens hat Spencer dafür gesorgt, dass ich mal an die Luft komme.

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Der Atmungs-Tracker

Der Spire Stone erinnert an ein Fitness-Tracking-Gerät und kostet 129,99 Dollar. Du clippst es dir an den Hosenbund, dann misst es den ganzen Tag deine Atmung. Wann immer du gestresst bist und mal tief durchatmen solltest, vibriert das Gerät und schickt eine Benachrichtigung an dein Handy. Denn wenn man sich gerade aufregt, hilft es ja immer, wenn einem jemand sagt, man solle sich beruhigen. So wie Fettbrände sich auch mit Wasser löschen lassen (Sarkasmus-Disclaimer: Tun sie nicht. Probier es bitte nicht aus).

Tatsächlich bringt mich das Gerät dazu, viel mehr spontane Meditations-Sessions einzulegen, als ich es sonst getan hätte. Mehr als einmal shamen mich die Bewegungssensoren aus meinem Tran, als ich morgens meinen Wecker ignoriere. Das Gadget stößt allerdings an seine Grenzen, wenn ich mich mit voller Absicht "stresse". Nein, Spire Stone, ich hyperventiliere nicht. Ich versuche nur zum 50. Mal diesen Endboss bei Sekiro zu schlagen.

The author wearing an electronic headband that goes across his forehead.

Foto: Justin Caffier

Das Stirnband, das Hirnströme misst

Ein weniger diskretes Meditationserlebnis bietet diese Erfindung. Das Stirnband Muse kostet 249 Dollar und setzt Elektroenzephalografie (EEG) ein, um die Hirnaktivität zu überwachen.

Im Laufe meiner Testwoche probiere ich per App mehrere drei- bis zehnminütige Meditationskurse aus. Dabei misst das Stirnband meine Hirnströme, Atmung, Haltung und meinen Herzschlag. Je nachdem, wie konzentriert ich auf das Stirnband wirke, spielt es mir verschiedene Umgebungsgeräusche vor. Wenn ich total entspannt bin, wird das Regenprasseln sanfter, dafür höre ich Vögel zwitschern.

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Einerseits habe ich wirklich den Eindruck, dass dieses Audio-Feedback mir hilft, meinen Geist freizumachen. So meditativ habe ich mich bisher nicht gefühlt. Andererseits ist die ganze Erfahrung sehr gamified, weil das Gerät durchgehend so viele verschiedene Werte analysiert. Irgendwann versuche ich nur noch meinen Vogelgezwitscher-Rekord zu schlagen, statt mich ins Nirwana zu atmen.

Der Gehirnmassage-Kurs

Meditation muss kein einsames Unterfangen sein. Ich beschließe, meine Erleuchtungsreise mit einem Kurs abzuschließen, und zwar bei Unplug, einem der vielen exklusiven Meditationsstudios in Los Angeles. Ein einzelner Kursbesuch ist dort mit 24 Dollar bezahlbar, eine Privatstunde kann dagegen Hunderte kosten. Es gibt großartige, einladende Kursnamen wie "Amplified Chill" und "Full Moon Dancing Hands Group Healing", aber letztendlich entscheide ich mich für "Brain Massage", weil man in dem Kurs schnurlose Kopfhörer trägt, die binaurale Beats abspielen. Das bedeutet, dass beide Ohren unterschiedliche hohe Frequenzen zu hören kriegen, was das Hirn anregen soll.

A man sits crosslegged bathed in purple light

Peter Oppermann bei der Arbeit | Foto: Justin Caffier

Im Studio sind noch etwa 30 andere Teilnehmer. Wir setzen uns auf unsere Kissen und lauschen der Einleitung unseres deutschen Gurus: Peter Oppermann erklärt, wie die nächste Dreiviertelstunde ablaufen wird, spricht dabei über Forschungsergebnisse und Hirnlappen. Ich bin beruhigt, dass es hier anscheinend wissenschaftlicher zugeht als im Homöopathie-Shop. Ich lasse seine beruhigende Stimme über mich hinwegspülen wie ein ASMR-Video. Die Zeit verfliegt zusammen mit meinem Stress. So sehr hat mich bisher keine Meditations-Experience beruhigt. Auch wenn mittendrin ein Handy klingelt.

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Ein paar Tage nach dem Kurs spreche ich mit Oppermann. Ich will wissen, was er als Experte von modernen Meditations-Gadgets hält. Denn ich habe mich von Anfang an schwer getan zu verstehen, wie Hightech und Achtsamkeit zusammenpassen sollen. Dank Oppermann verstehe ich es besser: Er erklärt, die Technik sei eine Art Trojanisches Pferd, das die Meditation einer bildschirmfixierten Generation näherbringt.

"Der Buddha hat gelehrt, dass man 'geschickte Mittel' einsetzen soll. Ich sehe Technik als ein solches Mittel", sagt Oppermann. "Damit ist alles gemeint, was man einsetzen kann, um Lernenden eine bessere Erfahrung zu ermöglichen."

Aber ist es denn ethisch, teure Produkte zu verkaufen, obwohl es um eine Erfahrung gehen soll, die eigentlich allen zugänglich und kostenlos ist? Nachdem ich mich eine Woche lang mit großen Werbeversprechen und käuflicher Erleuchtung beschäftigt habe, finde ich Oppermanns Antwort erfrischend ehrlich: "Es ist tatsächlich bedenklich, Meditation in ein Produkt zu verwandeln", sagt er. "Wer atmen kann, kann auch meditieren. Wenn man Leuten vormacht, sie könnten ein Gadget kaufen und damit etwas erreichen … Alle sollten selbst urteilen. Frag dich einfach: 'Brauche ich das wirklich? Oder brauche ich nur die Augen schließen und tief atmen?'"

Ich denke, ich kenne meine Antwort. Aber den Umhang ziehe ich noch irgendwann an.

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