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Fünf Vorschläge, wie die Polizei wieder vertrauenswürdiger wird

Die Polizei in Osthessen lädt Journalisten zum Rumballern ein – um "Vertrauen zu schaffen". Wir haben da ein paar andere Ideen.
Mit Playmobil-Figuren wird eine Szene von Polizeigewalt nachgestellt
Symbolfoto: pxhere | CC0

Hitler-Rufe eines Polizisten beim Junggesellenabschied. Ermittlungen gegen einen Sechsjährigen. Rassistische Gruppenchats von Polizeischülern. Ein Einsatz auf der Entbindungsstation. Beamte, die sich als "Uwe Bönhardt" zum Dienst melden – es waren zwei harte Monate für die Polizei, und diese Aufzählung ist alles andere als vollständig.

Die Polizei hat ein hausgemachtes Imageproblem. Das erkennen wohl sogar einzelne Präsidien, die mit kreativem Engagement dafür sorgen wollen, dass sich das Verhältnis zur Öffentlichkeit bessert.

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Das kreative Engagement umfasst zum Beispiel ein "Presseschießen" mit anschließender Kartoffelsuppe (haben wir uns nicht ausgedacht, auch wenn es sich so anhört): Pressevertreterinnen durften im geselligen Zusammensein bei der Polizei Osthessen mit Maschinenpistolen schießen. Das klingt eher wie ein begehrter MyDays-Geschenkgutschein für Männer in der Midlife Crisis und ist vielleicht nicht das ideale Mittel, um Vertrauen in eine Institution aufzubauen, die mit Gewaltexzessen und Rassismusproblemen zu kämpfen hat.

Hier sind fünf bessere Ideen.


**Auch bei VICE: **Chaos in Chemnitz


1. Keine Vergewaltigungswitze liken

Ja, das ist das Niveau, auf dem wir anfangen müssen. Was jedem Menschen mit mehr Empathie als einem feuchten Waschlappen sofort verständlich sein müsste, ist für manche Social Media Manager der Polizei eine komplexe Denksportübung. Ein Twitter-User postete vor Kurzem ein Bild von Gaffa-Tape mit den Worten "Macht aus den Worten 'Nein, Nein, Nein' ein sinnliches 'Mmm, Mmm, Mmm'". Die Bundespolizei Küste befand: Dieser (inzwischen gelöschte) Tweet verdient ein Herz.

Screenshot eines Tweets, den die Polizeit gelikt hat

Screenshot: Twitter/j0hann808

Die Bereitschaft, sexuellen Missbrauch oder Vergewaltigungen anzuzeigen, ist konstant gering – und Frauen berichten immer wieder von vorwurfsvoller und pietätloser Strafverfolgung. Wenn wir ekelhafte Witze hören wollen, können wir auch Chris Talls Comedyshow gucken. Von dem erwarten wir wenigstens keinen Respekt.

2. Aufklärung von Todesfällen in Polizeigewahrsam

Internationale Experten sind überzeugt: Der geflüchtete Oury Jalloh wurde 2005 in der Polizeistelle Dessau getötet. Er lag an Händen und Füßen gefesselt auf dem Bett und verbrannte vollständig – den Feueralarm hörte angeblich niemand. Aufklärung des Todesfalls? Fehlanzeige. Stattdessen sammeln Angehörige und Aktivistinnen seit Jahren Geld, das an unabhängige Gutachter geht. Das ist überhaupt nur notwendig, da die Unterstützung der Polizei, diesen Todesfall aufzuklären, quasi nicht-existent ist.

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Vor wenigen Wochen kam erneut ein Geflüchteter in einer Zelle zu Tode, dieses Mal in nicht ganz so eindeutigen Umständen. Aber auch hier: Experten wurden erst Wochen nach dem Tod des – übrigens fälschlicherweise inhaftierten – Syrers zur Brandstelle gebracht, die Aufklärung läuft zögernd. Wie kann das sein? Solange sich der Verdacht aufdrängt, der Polizei gehe es mehr um den Schutz ihrer Kollegen als um den Schutz ihrer schutzbefohlenen Inhaftierten, muss man von Vertrauen gar nicht erst sprechen.

3. Menschen nicht nach Hautfarbe kontrollieren

In Bochum war vor fünf Jahren ein Schwarzer Mann kontrolliert worden, weil er ja "illegal eingereist" sein könnte. Der Anlass diesen Verdachts? Nun, er ist Schwarz. So begründete zumindest die Polizei ihre Kontrolle, was eindeutig rassistisch ist … Das sogenannte Racial Profiling ist jedoch gerade in Grenzgebieten und an Bahnhöfen leidige und gängige Praxis und wird immer wieder kritisiert.

Dass Teile dieser diversen Gesellschaft nur aufgrund ihres Aussehens bereits einer Straftat verdächtigt werden, ist nichts Anderes als die Definition von Rassismus. Es ist so rassistisch, dass es sogar deutsche Gerichte bestätigen. Es wäre hilfreich, wenn die Polizei das nun auch mal langsam lernen könnte.

4. Polizeigewalt ernst nehmen

Und damit meinen wir nicht die Gewalt gegen Polizei-Kräfte, die hat die Polizei nämlich augenscheinlich ganz gut dokumentiert. Nein, wir meinen die von Polizisten und Polizistinnen verübte Gewalt, zum Beispiel gegen mutmaßliche Fahrraddiebe in Berlin, die plötzlich von einer Gruppe Beamten zusammengeschlagen werden, oder die auf Demonstrationen, wo man schon mal Glitzerleggins tragende Frauen mit Pfefferspray duscht. Oder bei G20, wo Videos zeigten, wie ein Polizist einem Passanten, der gerade dummerweise im Weg stand, eine Faust ins Gesicht schlug.

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An dieser Stelle folgt meist der Hinweis, dass Polizeigewalt nur eine schlechte, aber seltene Ausnahme ist. Das mag stimmen – aber warum wehrt sich dann die Polizei so dagegen, diese schlechten Ausnahmen auszusortieren? Eine Kennzeichnungspflicht von Polizistinnen ist immer noch nicht bundesweiter Standard, obwohl sie dabei helfen würde, gewalttätige Polizisten zu identifizieren und gegen sie zu ermitteln. Apropos ermitteln: Ebenso helfen würden unabhängige Beschwerdestellen.

5. Mit dem Quatsch aufhören

… und mit der Polizeiarbeit anfangen. Statt sich zu überlegen, wie man die lustigsten Memes auf Twitter für sich nutzen kann oder welche Reporterinnen demnächst zum munteren Rumballern geladen werden, sollte die Polizei den Blick nach innen richten. Wie nötig das ist, auch außerhalb von Sachsen, zeigt ein Blick auf die vielen, vielen Vorfälle der letzten Wochen. Monate. Jahre.

Ernsthaft. Eine gute Beziehung zur Presse kann nicht alle anderen Desaster ausgleichen. Man möchte, dass die Öffentlichkeit ein belastbares und vertrauensvolles Verhältnis zur Polizei hat? OK, dann wäre es sinnvoll, sich belastbar und vertrauenswürdig zu verhalten. Das bedeutet leider: Schwachstellen thematisieren, Fehler anerkennen, Verantwortung übernehmen und mit gutem Vorbild vorangehen. Falls es dazu noch Fragen gibt, können wir gerne mal sprechen. Unseretwegen auch bei einer Kartoffelsuppe.

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