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Insekten

Gegen den Müll: China züchtet eine Kakerlaken-Armee

Die Insekten gelten hier nicht als Plage, sondern sollen das Müllproblem lösen. Sollten sie aus ihren Käfigen entkommen, könnte das laut Experten katastrophale Folgen haben.
Gavin Butler
Melbourne, AU
Kakerlaken auf einem Ast
Foto: Pixabay

China hat ein Müllproblem. Die wachsende Bevölkerung produziert mehr Abfall, als die Müllhalden im Land verdauen können. Die australische Tageszeitung The Observer berichtete kürzlich, dass allein in Peking über 25.000 Tonnen Müll am Tag anfallen, im letzten Jahr waren es laut der South China Morning Post über neun Millionen Tonnen. Und diese Zahl wird in Zukunft vermutlich weiter steigen. Inmitten dieser Krise haben einige Geschäftsleute eine innovative Methode entwickelt, gegen die Müllberge vorzugehen: Sie verfüttern die Abfälle an Kakerlaken.

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Darum haben sich verschiedene Einrichtungen in China auf die Kakerlakenzucht spezialisiert, berichtet die Nachrichtenagentur Reuters. Eine dieser Einrichtungen steht in Jinan, der Hauptstadt der Provinz Shandong. Hier fressen sich Milliarden Kakerlaken täglich durch 50 Tonnen Abfall. Jeden Morgen kommt der Müll an und wird durch Röhren direkt in die abgedunkelten Betonbehälter geleitet, in denen die Kakerlaken warten. Die Firma Shandong Qiaobin hofft, im nächsten Jahr drei weitere Kakerlaken-Farmen zu eröffnen und somit etwa ein Drittel der Küchenabfälle der sieben Millionen Einwohner von Shandong zu vernichten.

Doch selbst nach ihrem Tod sollen die Kakerlaken noch nützlich sein, denn dann werden sie in proteinhaltiges Futter für Schweine und andere Nutztiere verarbeitet. Da sich die Afrikanische Schweinepest in China immer weiter ausbreitet, ist es streng verboten, Schweine mit Küchenabfällen zu füttern. Entsprechend haben sich verschiedene Einrichtungen im Land darauf spezialisiert, Kakerlaken für die Futtermittelherstellung zu züchten.

Die Schaben werden laut der South China Morning Post auch in der chinesischen Medizin eingesetzt. Eine Farm in Xichang, in der Provinz Sichuan, vermarktet ihre Kakerlakenzucht besonders erfolgreich. Sie stellen ein Mittel gegen Darm- oder Atemwegserkrankungen her, das vollständig aus zermahlenen Kakerlaken gewonnen wird.


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"Unser Medikament wird seit vielen Jahren in Krankenhäusern verwendet und hat sehr viele Befürworter", sagt Han Yijun, ein Sprecher des Unternehmens Gooddoctor, das die Kakerlaken-Medizin herstellt. "Kakerlaken sind widerliche Insekten, aber es gibt kaum ein anderes Medikament mit demselben Effekt."

Kakerlaken können also viel mehr sein als eine lästige Plage: In China sind sie bereits jetzt Nahrungsquelle, Arznei und möglicherweise ein Ausweg aus der Müllkrise. Trotzdem ermahnen Experten zur Vorsicht: Denn sollte es den Milliarden Kakerlaken jemals gelingen, aus ihren Zuchtstationen auszubrechen, könnten das desaströse Folgen haben.

Zhu Chaodong, Professorin für Zoologie an der Chinesischen Akademie der Wissenschaften, sagte, dass ein Massenausbruch "eine Katastrophe" für die Umgebung wäre. Da Kakerlaken sich extrem schnell vermehren, könnten sie schlagartig ganze Stadtgebiete befallen. Um das zu verhindern, müssten verschiedene Schutzmaßnahmen ergriffen werden.

Nach Berichten der South China Morning Post fürchten einige Menschen außerdem, dass das Zuchtprogramm und die genetischen Tests auf der Farm eine weiterentwickelte "Super-Kakerlake" hervorbringen könnte. Das hält Zhu allerdings für unwahrscheinlich.

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