Politik

Der Regenwald brennt, weil immer mehr Menschen Fleisch essen wollen

Das Amazonasgebiet hat sich zu einer der größten Rinderzuchtregionen der Welt entwickelt, weil wir mehr Fleisch essen wollen.
Rauch, der vom brennenden Regenwald aufsteigt
Luftaufnahme bei Porto Velho, Rondonia, Brasilien, 23. August 2019 | Foto: imago images / Agencia EFE

Trauer, Bestürzung, Wut. Seit Tagen sind unsere Feeds voll mit dramatischen Fotos und immer neuen Schreckensmeldungen zu den verheerenden Bränden im Amazonasgebiet. Seit Wochen lodern in Brasilien die schlimmsten Feuer seit Jahren. Die Lage ist dermaßen außer Kontrolle, dass der Bundesstaat Amazonas den Notstand ausgerufen hat. Inzwischen wurde das brasilianische Militär in die betroffenen Gebiete entsandt, um bei Löscharbeiten zu helfen und Brandstifter zu verfolgen.

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Ein Großteil der inzwischen fast 75.000 Feuer, die seit Beginn dieses Jahres in dem Gebiet registriert wurden, ist nämlich vom Menschen verursacht – genauer gesagt: von Viehzüchtern und Sojabauern.

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Bauern verbrennen gefällte und gestürzte Bäume, um Weideland zu gewinnen. In Brasilien und anderen südamerikanischen Ländern ist die Rinderzucht ein wichtiges und wachsendes Geschäft. Untersuchungen der regierungsunabhängigen Organisation für Umweltforschung im Amazonas, IPAM, zeigen, dass in den zehn Gemeinden mit den meisten Bränden in Amazonas dieses Jahr auch die meisten Bäume gefällt wurden.

Cameron Ellis, leitender Geograf bei der US-amerikanischen Rainforest Foundation sagte gegenüber VICE, dass Viehzüchter durch Brandrodung große Flächen freilegten, um Platz für Rinderherden zu machen. Diese Feuer geraten außer Kontrolle und "greifen auf den angrenzenden Wald über, von dem ein großer Teil unter Trockenheit leidet". Die Feuer wachsen und verschlingen schließlich auch stehende Bäume.

Auch wenn Abholzung, legale wie illegale, und andere Aktivitäten zur Zerstörung des Amazonas-Regenwalds beitragen, ist die Nutztierhaltung der mit Abstand führende Grund. Laut Weltbank wird auf 80 Prozent des nutzbar gemachten Lands im Amazonasgebiet Viehzucht betrieben.

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Satellitenbilder der NASA zeigen die Abholzung in Rondônia, Westbrasilien, für Ackerbau und Viehzucht. Das linke Bild entstand 2002, das rechte 2012

Vor allem Tiere essen Soja – Menschen verzehren nur etwa 25 Prozent der Ernte

Aber das ist noch nicht alles. Die Tiere müssen schließlich auch etwas fressen. Der World Wildlife Fund, WWF, sieht im Sojaanbau einen weiteren Verursacher für die Brandstiftung im Amazonasgebiet.

Soja ist das wichtigste Eiweiß für Tierfutter. Gut 75 Prozent der globalen Sojaernte wird verfüttert, nur ein Bruchteil, sechs Prozent, wird zu Tofu, Sojajoghurt oder ähnlichen Produkten verarbeitet. Der Rest wird zu Sojaöl oder in Kosmetika verarbeitet. Zwar verschlingt der Sojaanbau nicht so viel Regenwald wie die eigentliche Viehzucht, eine wichtige Rolle spielt er trotzdem.

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Soja ist inzwischen so lukrativ, dass Sojabauern Viehzüchtern ihr Weideland abkaufen, um es in Plantagen zu verwandeln. Daraus entsteht ein Teufelskreis. Viehzüchter brennen Wald ab, um Weideland zu gewinnen. Nach einigen Jahren werden die Weiden zu Sojaplantagen umgewandelt und das Vieh zieht auf neues, frisch entwaldetes Land.

Brennender Regewnald aus der Vogelperspektive

Ein Satelliten-Foto vom Regenwald im Bundeststaat Rondônia, 15. August 2019 | Foto: Maxar via Reuters

Das alles rentiert sich nur, weil der weltweite Fleischkonsum steigt. Grund dafür sind die wachsende Weltbevölkerung und der zunehmende Wohlstand in Entwicklungsländern.

"Die Nutztier- und Agrarsektoren existieren nicht isoliert voneinander – ganz im Gegenteil: Sie ermöglichen sich einander Zugang zu Land innerhalb des Amazonas und unterstützen einander durch eingegliederte Verwertungsketten", heißt es beim WWF.

Die aktuelle Politik Brasiliens verschärft das Problem weiter, indem sie die Nutzbarmachung über den Schutz des Regenwalds stellt und Viehzüchter ermutigt, ihr Weideland zu vergrößern. Bis zu 80 Prozent der Abholzung des Amazonas-Regenwalds geschieht allerdings illegal.

Der Amazonas ist heute eine der größten Rinderzuchtregionen der Welt – und es wird immer größer. Brasiliens Viehbestand wuchs von 158 Millionen 1996 auf 219 Millionen 2016 und machte das Land zum größten Geflügel- und Rindfleischexporteur.

beef exports amazon rainforest

Vergangenes Jahr exportierte Brasilien laut Reuters 1,6 Millionen Tonnen Rindfleisch, so viel wie noch nie. Für Ende 2019 werden 1,8 Millionen Tonnen erwartet. Hauptabnehmer ist China, danach folgen Hongkong, Ägypten, Russland und die Europäische Union. Der Anteil brasilianischen Rindfleisches auf dem deutschen Markt beträgt zwar nur rund 3,4 Prozent. Aber rund ein Viertel des nach Deutschlands importierten Sojas, das vor allem zu Tierfutter verarbeitet wird, stammt aus Brasilien: 2018 waren es 0,9 Millionen von insgesamt 3,7 Millionen Tonnen.

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Laut Geograf Ellis werde die momentane Dürre im Amazonas durch die Abholzung des Regenwalds verursacht. Es falle weniger Regen, weil es weniger Wald gibt, um ihn abzufangen. Wenn sich die momentane Entwicklung fortsetzt, könnten wir einen "Punkt erreichen, an dem sich die ganze Landschaft vom Regenwald in eine Savanne verwandelt", so Ellis.

Ein bewussterer Fleischkonsum könnte das ändern: Die Rainforest-Foundation hat errechnet, dass jede Person, die ein Jahr lang auf Rindfleisch verzichtet, etwa 3.432 Bäume rettet.

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