Strache mit ganz vielen süßen Tierbabys

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Rechtsextremismus

Warum sind Rechte oft so tierlieb?

Rechte scheinen oftmals ein besonders großes Herz für Tiere zu haben – zum Beispiel, wenn es um Schächtungen oder Babykatzen geht. Wir haben nachgefragt, wieso.

Collage: VICE Media; Einzelnachweise siehe unten

Als vor wenigen Wochen der Shitstorm gegen die Autorin Stefanie Sargnagel und zwei Kolleginnen wütete, nachdem die Kronen Zeitung über eine teils subventionierte Literaturreise berichtete, ging es schnell nicht mehr um die staatliche Förderung der Reise. Vielmehr konzentrierte sich die Krone in ihrer Berichterstattung auf einzelne Aspekte eines im Rahmen der Reise entstandenen Reisetagebuches, in dem Stefanie Sargnagel beispielsweise schrieb, ihre Kollegin habe eine Babykatze zur Seite getreten.

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Im weiteren Verlauf dieser Geschichte schien das auch der Aspekt zu sein, der die Hassposter bis zum Äußersten trieb. User schrieben, dass Tierquälerinnen dasselbe widerfahren solle wie den unschuldigen Geschöpfen, die sie misshandelt hätten. Den Frauen wurden Vergewaltigung und der Tod gewünscht. Dass es sich beim Reisetagebuch um einen satirischen Beitrag handelte, spielte schnell keine Rolle mehr – und das Rächen einer fiktiven Babykatze wurde wichtiger als die Tatsache, dass hier drei Frauen massiv bedroht wurden.

Obwohl man Tierschutz vielleicht auf den ersten Blick eher dem liberalen und grünen Milieu zurechnet, war es nicht das erste Mal, dass vor allem Rechte zu bestimmten Anlässen besonders tierlieb auftreten: Als der Lebensmittelkonzern Spar im Jahr 2015 ein Angebot von Halal-Fleisch bewarb, kassierte das Unternehmen einen Shitstorm von rechter Seite.

Das Argument der Kritiker: Schächtungen seien grausame Tierquälerei und sollten in einem zivilisierten Land wie Österreich keinen Platz finden dürfen. Dass das jedoch nicht alles war und es insgeheim wohl darum ging, kein Fleisch bei Spar sehen zu wollen, das speziell mit dem muslimischen (und übrigens auch jüdischen) Glauben zusammenhängt, wurde nicht explizit gesagt.

Die FPÖ setzt sich immer wieder öffentlichkeitswirksam für den Tierschutz ein. Vor allem Schächtungen sind ein beliebtes Thema.

Im Jahr 2013 fanden Forscher der Northeastern University in Boston heraus, dass erwachsene Menschen mehr Mitleid mit gequälten Tieren oder kleinen Kindern haben, die misshandelt werden als mit erwachsenen Menschen, denen dasselbe widerfährt. Warum das so ist, konnten die Wissenschaftler nicht endgültig feststellen. Diese Tierliebe versuchen auch rechte Parteien immer wieder anzusprechen.

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Die FPÖ setzt sich immer wieder öffentlichkeitswirksam für den Tierschutz ein. Vor allem Schächtungen sind ein beliebtes Thema: Parteiobmann Heinz-Christian Strache fordert immer wieder ein gänzliches, österreichweites Verbot der Schlachtmethode, die derzeit in dafür vorgesehenen Schlachthöfen erlaubt ist, wo dem Schnitt sofort die Betäubung folgt. Auf seiner Facebook-Page teilt er außerdem immer wieder Fotos von seinem Hund; und erst kürzlich veröffentlichte er ein Video von einem Bauernhof-Besuch, bei dem er Kühe im Stall streichelt (oder es zumindest versucht).

Der Wiener Vizebürgermeister Johann Gudenus verlost in der Zwischenzeit Karten für den Schönbrunner Tiergarten und ruft zum Tier-Malwettbewerb auf. Der oberösterreichische Landeshauptmann-Stellvertreter Manfred Haimbuchner bringt den Tier- und auch Umweltschutz in diesem Video in enge Verbindung mit dem Heimatbegriff, wenn er sagt: "Was wäre unser Oberösterreich ohne Berge und Seen, ohne Tiere und Menschen?"

Natürlich behandeln auch Parteien wie die Grünen oder die SPÖ das Thema Tierschutz. Nur sind die Forderungen hier weitaus weniger radikal formuliert als die der FPÖ, wie die entsprechenden Passagen in den Parteihandbüchern zeigen. So schreiben die Grünen beispielsweise, dass gesetzliche Tierschutzbestimmungen vor allem in der landwirtschaftlichen Nutztierhaltung "dringend angesagt" seien und die Grünen sich als treibende Kraft im Kampf um mehr Rechte für Tiere sehen würden.

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Im Parteihandbuch der FPÖ wird das Thema Tierschutz vergleichsweise ausführlich behandelt. Unter dem Punkt "Mitgeschöpfe, nicht Nutzvieh" steht beispielsweise geschrieben:

Die FPÖ möchte die Berücksichtigung des Tierschutzes als Staatszielbestimmung in der Bundesverfassung verankern und besonders strenge Tierschutz-Mindestrichtlinien in der EU gemeinsam mit europäischen Partnern durchsetzen.

Schächten ist eine grausame Art der Schlachtung, die von der FPÖ abgelehnt wird. Der Verfassungsgerichtshof hat jedoch im Dezember 1998 entschieden, dass ein Schächtungsverbot einen Eingriff in die verfassungsrechtlich gewährleisteten Rechte gesetzlich anerkannter Religionsgemeinschaften darstelle. Aus Sicht der FPÖ kann Tierquälerei auch mit Hinweis auf die Religionsfreiheit nicht toleriert werden.

Auch die deutsche NPD sieht in ihrem Parteiprogramm verstärkten Tier- und auch Umweltschutz vor und verbindet ihre Forderungen oftmals mit verstecktem Anti-Amerikanismus, die AfD spricht sich in ihrem Programm gegen Schächtungen aus.

Durch derartige Forderungen und Inszenierungen würden Politiker wie Strache ihren Followern zeigen wollen, dass sie ein Herz für Tiere hätten und folglich keine schlechten Menschen sein können. Das erklärt Andreas Peham vom Dokumentationsarchiv des Österreichischen Widerstandes (DÖW) auf Nachfrage von VICE: "Diese Inszenierung kann seit jeher aber nur aufgehen, weil vergessen wird, dass Tierliebe gut mit Menschenhass zusammen geht."

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Die Verankerung von Tierschutz in rechtem Gedankengut geht dabei bis in die Zeit des Nationalsozialismus zurück – und noch weiter. Schon Komponist Richard Wagner sah in der Tierliebe eine besondere Eigenschaft der nordischen Rasse. Im November 1933 unterschrieb Hitler schließlich das Reichstierschutzgesetz, das ein Verbot von Schächtungen vorsah und es mit der Annahme stützte, das deutsche Volk würde so vor der Grausamkeit der Juden geschützt. Das Gesetz war eine von vielen Maßnahmen, um die Religionsfreiheit der Juden maßgeblich einzuschränken. Die Verknüpfung von Rassismus und der Haltung gegen Schächtungen ist also keineswegs neu.

Für den Rechtsextremismusexperten Peham sind Schächtungen bei Rechten vor allem deswegen ein beliebtes Thema, weil sie die Gelegenheit bieten, Antisemitismus und Rassismus hinter dem Kampf gegen angebliches Tierleid zu verstecken. "Wenn nicht Juden und Muslimen das Schächten vorgeschrieben wäre, würden es Rechtsextreme nicht dauernd thematisieren", sagt Peham. "Nirgends lässt sich die Schlechtigkeit der Fremd- und Feindgruppe besser demonstrieren als in Bildern von geschächteten Kühen oder Schafen." Sprich: Wäre Schächtung eine christliche Praktik, wäre sie wahrscheinlich vielen Österreichern egal.

"Wenn nicht Juden und Muslimen das Schächten vorgeschrieben wäre, würden es Rechtsextreme nicht dauernd thematisieren."

Im Nationalsozialismus waren Tierversuche verboten und galten als Ausgeburt jüdischer Medizin – wohlgemerkt während zur gleichen Zeit Versuche an Menschen durchgeführt wurden. Einigen Berichten zufolge soll auch Hitler Vegetarier gewesen sein oder sich aufgrund chronischer Verdauungsbeschwerden zumindest fleischarm ernährt haben und Goebbels soll den Fleischverzehr einmal als "Perversion des modernen Menschen" bezeichnet haben. Auch manche "moderne" Rechte machen sich eine vegetarische Ernährung zu eigen und versuchen, dadurch ein neues, ökofreundliches Image für sich zu schaffen.

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Für Peham ist die Liebe zum Tier, die mit dem Hass auf Menschen und ihre jeweilige (als fremd empfundene) Kultur Hand in Hand geht, fest mit der rechten Weltanschauung verknüpft: "Dem Tier als Repräsentanten der Natur kommt im Rechtsextremismus ein hoher Stellenwert zu. Denn dieser ist seit jeher als Biologismus und Sozialdarwinismus zu kennzeichnen: Die 'Natur' als letzte, unhinterfragbare Instanz bestimme demnach vollständig den Menschen und die Gesellschaft."

Insbesonders soziale Ungleichheit und darauf basierende Herrschaft werden vom Rechtsextremismus mit dem Attribut "natürlich" legitimiert: "Das Tier und sein Verhalten werden zum Vorbild für das menschliche Zusammenleben genommen. Demgegenüber bedeute die Kulturentwicklung oder Zivilisation bloßen Verfall, denn dadurch seien 'Naturgesetzmäßigkeiten' wie etwa das 'Survival of the Fittest' aufgehoben worden. Das Tier dient also als wieder einzusetzendes Vorbild für den Menschen, der durch die Zivilisierung seines Wesens entfremdet worden sei."

Beim Babykatzengate überwiegt für den Experten übrigens das populistische Moment der Tierliebe, denn mit kleinen gequälten Tieren ließe sich bestens Stimmung machen. In diesem Fall stellt sich außerdem die Frage, ob Rechte durch ihre Empörung über getretene Babykatzen nicht vielleicht zeigen wollen, dass auch sie mitfühlend sein können, weil sie von Gegnern oftmals als "empathielos" wahrgenommen werden.

Laut Peham kann auch dies eine mögliche Erklärung sein: "Tatsächlich scheinen viele Rechte mit ihrer Empörung auch etwas überkompensieren zu wollen. Die Schwäche der kleinen Tiere scheint die einzige zu sein, die beim stark gewordenen Recken nicht umgehend Hass hervorruft."

Verena auf Twitter: @verenabgnr

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Einzelnachweise: Strache: Multimedia-Blog Brundespraesident.in | flickr | CC BY-SA 2.0; graue Katze: Vadim B via pexels; rote Katze: Schwarzenarzisse via pixabay; weiße Katze: Ty_Swartz via pixabay; Mops (links) via Max Pixel; Mops (rechts) via Max Pixel; brauner Hund: Torsten Dettlaff via pexels