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islamophobie

Unter einem Werbevideo der Deutschen Bahn auf Facebook sammelt sich rassistische Kackscheiße

Warum die selbsternannten Retter des Abendlandes ausrasten.

Er, blond, Laptop vor sich, denkt über die Frau nach, die gegenüber im Zug sitzt. Sie trägt Kopftuch, hat ein Buch in der Hand. "Was liest sie da überhaupt? Den Koran wahrscheinlich", denkt er sich. Dann wendet er sich wieder seinem Laptop zu, stellt sich eine Frage zu seinem Uni-Stoff, spricht sie laut auf. Sie gibt die Antwort und sagt: "Hatte ich auch im letzten Semester." Ihr Buch ist der Atlas der Anatomie.

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Dieses Image-Video postet die Deutsche Bahn am Dienstag, an dem Tag, an dem der Europäische Gerichtshof das Kopftuchverbot am Arbeitsplatz für rechtens erklärt. Darüber steht: "Wir bringen jeden Tag 7,3 Millionen Menschen von A nach B. Schön, wenn wir dabei nicht nur Distanzen, sondern auch Vorurteile überwinden."

Ein Image-Film, der zeigen soll, dass die Deutsche Bahn für Toleranz einsteht. Es sei "ein Statement (…), welches zum Nachdenken anregt", steht in den Presseinformationen – was eher so mittel geklappt hat. Rund 1.600 Kommentare haben sich unter dem Video innerhalb von zwei Tagen gesammelt.

Ein Potpourrie aus besorgten Bürgern mit Klarnamen und Internetpöblern mit Fake-Profilen kommt auf das Video nicht klar. Sie zeigen ironischerweise genau das Problem: wie intolerant viele gegenüber dem Islam und Frauen mit Kopftuch sind. "Propaganda" wird der Bahn vorgeworfen; einer kommentiert auf die Frage, ob die beiden in einer Fortsetzung des Videos heiraten: "nur, wenn er zum Islam konvertiert". Das Kopftuch wird zum Katalysator wilder Vorwürfe. Zusammengeworfen wird in den Kommentaren zum Beispiel Merkels Flüchtlingspolitik, angebliche Übergriffe in Zügen und der Axt-Angriff bei Würzburg. Kurz gesagt: Stammtischparolen gegen Muslime. Das sind allerdings noch die harmlosen Kommentare, viele hat die Deutsche Bahn gelöscht.

"Was ist bloß mit der Netiquette passiert :(", fragt ein Nutzer unter dem Video. "Das frage ich mich seit gestern auch sehr oft", schreibt ein Mitarbeiter der Bahn zurück. "Er ist einer von 21 im Social-Media-Team", sagt ein Sprecher der Deutschen Bahn zu VICE. Von sechs Uhr morgens bis zehn Uhr abends würden sie sich in Schichtdiensten um die Kanäle der Bahn kümmern, unter anderem um die Facebook-Seite. Tagsüber sind sie bis zu acht. "Unsere Mitarbeiter sind keine Zensoren, sondern Moderatoren", sagt er. "Wir löschen nicht nur rassistische Kommentare, sondern alle, die gegen unsere Netiquette verstoßen." Wenn jemand auf einen diskriminierenden Post mit "du rassistisches Arschloch" antworte, sei das eine Beleidigung und werde auch gelöscht. Der Arbeitsaufwand wegen des Videos sei vergleichbar mit Situationen wie Ausfällen wegen Unwetter oder während eines Bahn-Streiks.

Am Dienstag, als die Bahn das Video gepostet hat, entschied der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EuGH) übrigens, dass Arbeitgeber ihren Mitarbeitern verbieten dürfen, ein Kopftuch zu tragen. Urteile des EuGH sollen sicherstellen, dass die Mitgliedstaaten das EU-Recht einheitlich umsetzen. Sprich: Das Urteil bedeutet, dass Unternehmen Kopftücher am Arbeitsplatz jetzt in ganz Europa wegen interner Neutralitätsrichtlinien verbieten können.

Müssen sie aber natürlich nicht.

Bleibt zu hoffen, dass unter den 24.000 Likes und Herzen für das Video ein paar Arbeitgeber sind.

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