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Campus, Sex und Ravioli

Warum mich das Studentenheim asozial gemacht hat

Im Studentenheim werden dir Steine aller Art in den Weg gelegt. Deshalb kannst du dort auch die interessantesten Erfahrungen machen.

Die Wohnsituation von Studenten ist nicht immer einfach zu lösen. Ziehst du in eine WG, kann das eine Zeit lang super lustig sein, bis du draufkommst, dass du eigentlich zu alt für den ganzen Kram bist, aber kein Geld für eine Solo-Bleibe hast. Oder das WG-Leben geht dir von Anfang an schon auf den Wecker und du wirst zu einem grimmigen Troll, der nur zum Essen aus dem Zimmer kommt. Du kannst aber auch in ein Studentenheim ziehen und für anonyme Gemeinschaftlichkeit hohe Summen zahlen. Vor allem in Wien liegt die Preis-Leistungsspanne ziemlich weit auseinander, was echt scheiße ist, weil du dir das Heim wegen der langen Wartelisten nicht aussuchen kannst. Also bewirbst du dich für jedes einzelne und hoffst, dass du bei Semesteranfang nicht obdachlos im Foyer der Uni Wien sitzt.

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Hast du dann ein Zimmer bekommen, wirst du dich zuerst richtig beschwingt fühlen. Die rosarote Brille brauchst du nicht, denn dein ganzes Wesen ist von einer fetten, rosa Glückswolke ausgefüllt. Der keifende Sandler beim Billa-Eck, die alte Frau, die deinen Platz in der Bim will und der unfreundliche Kellner im überteuerten Kaffeehaus—sie alle werden dir wie Engel auf dem Weg zum Paradies erscheinen. Studieren heißt Freiheit von den Eltern, von deiner Clique, mit der du eh nicht mehr viel gemeinsam hast, und von deinem Kinderzimmer, das dir immer schon zu beengend war. Am Anfang glaubst du diesen ganzen Bullshit wirklich. Dann wird dir klar, dass deine Eltern eigentlich ziemlich leiwand geworden sind, seitdem du nicht mehr zu Hause wohnst. Deine Freunde haben plötzlich das beste Sozialleben der Welt, treffen einander dauernd zu coolen Partys, zum Kaffeetrinken oder zum Brunchen. Schließlich sehnst du dich sogar nach deinem alten Zimmer, obwohl es längst zum Fitnessraum deines Papas umfunktioniert wurde.

Aber wer ist eigentlich schuld an deinem plötzlichen Emotum? Auch wenn du es nicht glauben willst—es war das Studentenheim, das deinen Lebenswillen eingedämmt und deine schlechtesten Seiten heraus gekitzelt hat. Glaub mir, ich habe es am eigenen Leib erlebt. Ich bin heute offiziell asozialer, skeptischer und nihilistischer, als ich vor sechs Jahren nach meiner Matura war. Damit du nicht in alle Fettnäpfchen tappen musst, in die ich mit dem Kopf voran gestürzt bin, gibt's hier die wichtigsten Worst-Case Szenarios, die in einem Studentenheim passieren können.

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Jeder isst dir dein Essen weg

Foto: Cha già José | Flickr | CC BY-SA 2.0

Wie wichtig die richtige Ernährung ist, muss ich dir wohl nicht mehr sagen. Als Student bist du aber in den besten Jahren und dein Körper verzeiht dir noch die vielen fettigen, frittierten und gebrauten Dinge, die du in dich reinstopfst und -kippst. Wenn du aber dafür sorgen willst, dass sich niemand an deinem Festessen vergreift, musst du sehr vorsichtig sein. Das gilt vor allem für Leute mit Gemeinschaftsküchen. Obwohl diese Räume ziemlich gut zum Kennenlernen geeignet sind („Was studierst du?" „Ich habe mal Publizistik angefangen…" „Oh, cool! Ich auch."), können sie sich sehr schnell in eine Mischung aus Bahnsteig 9 ¾ und Bermudadreieck verwandeln. Zwar gibt es hier Kästen, in die man Zeug verstauen könnte, aber wenn du am nächsten Tag hineinschaust, wurden deine neuen Töpfe und Pfannen mit ranzigem Plastikbesteck und Tupperware ohne Deckel ersetzt. Mach dir keine Hoffnungen, deine Sachen siehst du nie wieder.

Genauso verhält es sich auch mit Essen, das du in der Küche stehen lässt. Mir wurden nicht nur ein frisch gekaufter Striezel entwendet und einige Bissen vom Teller gegessen, während ich im Waschraum war, sondern auch eine aufgebackene Semmel ausgehöhlt (!) und in den Mistkübel geworfen. Letztere habe ich aufgrund der in mir wachsenden Frustration aus dem Müll genommen und mit viel Tixo an die Küchenwand geklebt, damit alle sehen können, was für Leute da wohnen. Ich kann dir also nur sagen: Nimm alles, was nicht schmilzt, in dein Zimmer mit und steck deine Kühlschranksachen in Plastiksackerl, damit deine Nachbarn denken, es wäre selbstgekochtes Essen von zu Hause.

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Deine Mitbewohner sind nicht gleich deine Freunde

Foto: Edenpictures | Flickr | CC BY-SA 2.0

Es gibt im Studentenheim mehrere Formen von Nachbarschaft. Entweder du lebst im Einzelzimmer, in einem geteilten Apartment oder du hast die Arschkarte gezogen und teilst dir mit jemandem ein Doppelzimmer. Gemeinsames Übernachten war zuletzt bei Schulausflügen oder bei besten Freunden lustig, wenn man aber gezwungen wird, das Leben mit einem Fremden zu verbringen, kann das echt übel werden. Wie passt ein Publizistik-Student zu einem Vollblut-WU-Mensch? Oder ein Jusler zum Anthropologen?

Es geht schon irgendwie, aber es kann auch zu kleineren Katastrophen führen, wie etwa im Falle eines Freundes. Plötzlich stand die Kripo in seinem Zimmer, weil sein Mitbewohner sich als von der Polizei gesuchter Chinese entpuppt hatte. Er fragt sich bis heute, warum ihm das nicht früher komisch vorgekommen ist, dass sie zu dritt in einem Doppelzimmer gewohnt haben.

Du kannst mit einer ganz einfachen Frage feststellen, ob zwischen dir und deinem Mitbewohner eine Freundschaft drin ist: Würdest du mit der Person gemeinschaftlich eine Mottenplage bekämpfen können? Oder müsstest du alle Würmer allein von der Decke kratzen? (Das mit den Würmern ist nicht erfunden. Motten wollen ernst genommen werden.) Wenn die Antwort darauf ein klares „Ja!" ist, dann hast du Glück gehabt. Wenn du nicht mal genau weißt, wie der Mensch im Pyjama heißt, der dein zweites Bett belagert, dann kauf dir kein Müsli mehr, oder tu es in den Kühlschrank.

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Und hör bitte auf zu heulen, wenn ihr nicht Bussi-Bussi-Freunde werdet! Du wirst schon anderswo Leute treffen, die dich trotz deiner Macken mögen. Vergiss aber nicht, zumindest immer höflich zu sein, du musst mit deinem Mitbewohner vielleicht mehrere Jahre verbringen.

Putzfrauen und Hausmeister sind zu neugierig

Foto: Vick the Viking | Flickr | CC BY 2.0

Vorweg: Wenn du von Putzfrauen betreut wirst, die nicht nur total nett und diskret sind, sondern dir auch Insider-Infos zustecken, wann der Hausmeister vorbeikommen wird und welche große Änderungen anstehen, dann trage sie verdammt nochmal auf Händen. Wenn du aber in einem sehr kleinen Heim wohnst, wo es dem Personal nicht sehr schwerfällt, sich dein Gesicht zu merken, dann fang an, Kapuzenpullis zu tragen und lege Fallen aus. Ich mein das wirklich ernst, obwohl es eigentlich unglaublich ist, dass man sich als erwachsener Mensch so verhalten muss. Gerade noch hast du dich gefreut, endlich aus der Obhut deiner Helikopter-Eltern rauszukommen, doch dann ziehst du an einen Ort, wo eine Hausordnung wie in den 1950ern herrscht.

Mein erstes Studentenheim war nicht nur klein, sondern auch nur für Frauen. Direkt über uns wurden zwar zwei Wohnungen von „echten" Menschen bewohnt, aber wenn immer dieselben Burschen im Studentenalter ein- und ausgehen, dann merkst du dir das als Hauswart. Während er es genoss, den armen Typen vielsagende Blicke zuzuwerfen, wuchs meine Paranoia. Hat der Hausmeister meinen Freund beim Reingehen gesehen oder, noch schlimmer, beim Rausgehen in der Früh? Solche Fragen beschäftigten mich andauernd. Dabei dürfen heimfremde Personen natürlich zu Besuch kommen, aber eben nicht übernachten.

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Und als Übernachtung zählt der Aufenthalt im Heim über Nacht. Somit ist es komplett egal, ob du mit einem Studienkollegen bis in die Morgenstunden „lernst", oder ob du jemanden nach dem Fortgehen nachhause schleppst—in beiden Fällen sollte die besagte Person morgens dann raus schleichen wenn das Wärterhäuschen unbesetzt ist.

In meinem Heim kam noch erschwerend dazu, dass die Putzfrauen jeden Tag den Müll in den Zimmern ausleerten. Dafür hätten sie eigentlich nur in den Vorraum gemusst, aber sie klopften zu oft wegen irgendwelcher Angelegenheiten, die schon längst auf einem Zettel im Lift verkündet worden waren, an die Zimmertür. In den meisten Fällen wurde ein „Nein, ich ziehe mich gerade um" mit grimmigen Widerworten quittiert. Manchmal wurde ein Nein gar nicht akzeptiert und plötzlich stand die Putzfrau mitten im Zimmer, sodass sich mein Freund mit einem Hechtsprung unter die Decke retten musste. Da mein Bett hinter der Tür war, konnte ich sie durch geschicktes Scheuchen wieder zum Gehen bewegen, ohne dass sie ihren Blick auf meinen Schlafplatz richten konnte. Zum Glück hatte wenigstens der Hausmeister immer ein Gefühl dafür, nur ins Zimmer zu kommen (natürlich ohne Klopfen) wenn ich und meine Mitbewohnerin schliefen. Vermutlich, um es noch ein bisschen gruseliger für uns zu machen.

Ich habe noch immer ein ziemliches Trauma wegen dieser unerwarteten Besuche und glaube manchmal noch immer, den Schlüssel im Schloss meines Zimmers zu hören. Ich kann euch nur empfehlen, einfach vorsichtig zu sein, wenn ihr jemanden bei euch übernachten lasst. Und passt auf, dass euer Schatzi die Heim-Einzugsphasen zu Hause verbringt. Es ist schon mal vorgekommen, dass angepisste Eltern die Mitbewohner ihres Kindes bei der Hausverwaltung anschwärzen, nur weil eine Person des anderen Geschlechts im Zimmer oder dem Mini-Apartment gesehen wurde.

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Heimpartys werden dich manchmal enttäuschen

Von der Gesellschaft wird dir als Student fast vorgeschrieben, jedes Wochenende, wenn nicht öfter, fortgehen zu müssen. Dabei solltest du dich am besten so richtig wegbechern und jedes Mal die Party deines Lebens feiern, bis im Morgengrauen die Türen des Lokals schließen. Viele von uns haben eine richtige Fortgeh-Phase erlebt, während der die eigene Alkoholtoleranz komplett ausgetestet wurde und man trotzdem jeden Tag aufs Neue Lust auf die nächste Party hatte. Wenn diese Phase vorbei ist, sieht man alles ein wenig nüchterner und das vierte Vodka-Orange gibt einem schneller den Rest, als man „Bum zua, Oida!" sagen kann.

Wenn du in einem Studentenheim wohnst, dann besteht zumindest theoretisch immer die Möglichkeit, diesen Durchhänger hinter dir zu lassen. Entweder findet die tägliche Party irgendwo in deinem Heim statt, oder im Lokal nebenan. Das kann dich zwar freuen, aber auch fürchterlich nerven. Vor allem, wenn du am nächsten Tag Prüfung hast, du so richtig durchschlafen möchtest oder einfach mal in Ruhe ein Glas Wein trinken und deine Zehennägel schneiden willst.

Dann gibt es aber auch Tage, an denen deine Zehennägel on-point sind und du es so richtig krachen lassen willst. Am besten, du suchst dann nach besonders wilden Feiern, wie etwa den Klassiker der Wiener Heimszene: Der Stockwerkslauf. Einmal im Jahr feiert eines der Pfeilheime diese Mischung aus Marathon, Saufgelage und Weltuntergangs-Party. Das Ziel ist, mit seinem Team im Staffellauf-Style den zehnten Stock zu Fuß zu erklimmen und dabei in jedem Stockwerk ein alkoholisches Getränk der Wahl zu trinken. Und nicht, dass du glaubst, da machen nur Wahnsinnige mit, die es geil finden vor lauter Erschöpfung in einen Kübel zu speiben. Das sind nette, artige Studenten, die tagsüber brav auf der Uni verbringen. Heimpartys können eben wirklich legendär sein, aber am besten sind sie, wenn du dir nicht zu viel von ihnen erwartest.

Das Heim kitzelt einfach die am tiefsten verborgenen und mitunter schlimmsten Seiten seines Bewohners raus. Irgendwie ist das aber auch gut so, denn wenn du an deine Grenzen kommst, dann lernst du mehr über dich selbst. Bleib also locker, genieß diese einzigartige Zeit und denk daran: Dein Studentenleben kann wahrscheinlich nichts mehr toppen.

Anne-Marie auf Twitter: @Viennesecat


Header-Foto: Laffy4k | Flickr | CC BY 2.0